Loyle Carner
Hugo
EMI/Universal (VÖ: 21.10.)
Grime als Epos: Der britische Rapper sucht die Katharsis.
„I fear the colour of my skin“: Erfolg, Einfluss, Aufmerksamkeit, das ist alles schön und gut, aber kann man sich als Schwarzer Brite in einer von Rassismus, Ungerechtigkeit und Hass geprägten Gesellschaft wirklich frei fühlen? Loyle Carner ist sich da alles andere als sicher: HUGO, sein drittes Album nach den gefeierten YESTERDAY’S GONE und NOT WAVING, BUT DROWNING, steigt tief hinab ins Archiv der eigenen Gefühle, Erinnerungen und Erfahrungen, dorthin, wo der Schmerz liegt, die Unsicherheit, die Wunden, die ein Aufwachsen ohne Kontakt zum eigenen Vater, mit ADHS und Dyslexie im südlichsten Süden Londons mit sich bringen.
AmazonIn Songs wie „Hate“ ergründet er den Ursprung des Hasses, der ihm in seinem Leben entgegenschlug, verbindet das Persönliche mit dem Gesellschaftlichen. Die Katharsis dieses Stream of Consciousness springt geradezu physisch auf die Hörer*innen über, überwältigend und gleichzeitig befreiend wie eine Welle, die über uns alle hinwegwäscht.
Musikalisch kombiniert Carner, dessen Künstlername ein Wortspiel mit seinem bürgerlichen Namen Benjamin Gerard Coyle-Larner ist, die Lyrics mit Produktionen von Künstler*innen wie Kelela, Samples aus Gedichten und Reden wie dem aus Guyana stammenden Dichter John Agard oder dem britischen Aktivisten Athian Akec und vielen Jazzelementen zu einem treibenden, geschichtsbewussten aber nie nostalgischen Gesamtkunstwerk. Um die eigene Community, die Gesellschaft zu befreien, muss man sich erst selbst befreien. Loyle Carner ist da auf einem sehr guten Weg.