Martyn
Ghost People
Brainfeeder/Ninja Tune/Rough Trade VÖ: 10.10.
Endlich einmal wieder die berechtigte Verwendung des Wortes „endlich“. Nach zweieinhalb Jahren also das zweite Album von Martyn Deykers, erneut irgendwo zwischen Dubstep und Techno, erneut fantastisch.
Als Dubstep langsam dem Keller entstieg und offen für neue Einflüsse wurde, gab es vor allem einen Entwicklungshelfer, der mit seinen eigenen Wurzeln das Genre mit immer mehr Verästelungen versah. Diskussionswürdig war das wahrlich nicht: Martyns Debüt Great Lengths ist und bleibt ein Meilenstein der Umsetzung von Dubstep ins Albumformat. Kein anderer wusste vor zwei Jahren so gut die klassischsten Spielarten des Techno nach England zu verfrachten und dabei Bristol, Berlin und Detroit gleichermaßen anzusteuern.
Nach einiger Zeit, in der er Remixe und Singles – u.a. auf Ostgut Ton und seinem eigenen Label 3024 – herausbrachte, veröffentlicht Martyn nun seine zweite LP auf Brainfeeder. Das von Flying Lotus gegründete Label bietet zwar im laufenden Jahr geschmackssicher eine Empfehlung nach der anderen an, ist allerdings nicht wirklich mit den Basisgedanken des Dubstep zu vereinen. Gut für Martyn und uns, dass er das gar nicht will. Viel ist in dem Genre momentan (leider) sowieso nicht zu erzählen. Ghost People ist nach Martyns eigener Aussage eher unpersönlicher als der Vorgänger und ein Kommentar zum Ist-Zustand der Szene. Die beschriebenen „Ghost People“ sind DJs, denen die Musik am Allerwertesten vorbeigeht, die nur im Koffer haben, was gerade angesagt ist und sich von Trends gefügig machen lassen. Für Martyn hingegen soll nur die Musik sprechen, die er wirklich produzieren will. Diese Musik darf er gerne öfter machen. Ghost People ist eine Art Zeitreise zurück zu den Inspirationen seiner Anfangszeit als DJ. Es geht merklich aggressiver zu, four-to-the-floor ersetzt die sphärischen Momente, die Beats sind meist gerader, das Tempo wird angezogen. Martyns aktuelles Label macht sich in seiner Musik mit einer der typischen Brainfeeder-Stärken bemerkbar: Melodien sind wie bei Teebs und Samiyam genug vorhanden, müssen allerdings zwischen einer Menge Soundexperimenten erst gefunden werden.
An Dubstep erinnert auf Ghost People bis auf den Opener „Love And Machines“, in dem sich Kode9-Kollege und Dubstep-Prediger Spaceape die Ehre gibt, nicht mehr viel. Die Vorabsingle „Masks“ ist seine typisch schweißtreibende Versöhnung mit dem Dancefloor, „ Horror Vaclui“ ein Acid-getränkter Warehouse-Techno, „Distortions“ garantiert mit garagelastigem Stolperbeat und ravenden Synthspitzen volles Haus zur Peaktime, und der ganz große Killer „Twice As“ parkt einen ganzen Katalog an Vocalsamples auf einem dreckigen Rhythmus, begleitet ihn mit rohem Bass und wird die Crowd in vielen Clubs zum Ausrasten bringen. Der neunminütige Abschluss „We Are You In The Future“ ist vorsichtig optimistisch, aber auch die Art von Track, der ich nach Brainfeeders bisherigem Output blind vertrauen würde. Die schwindelerregende Klasse des Vorgängers erreicht Martyn vielleicht nicht, wir haben aber auch schon auf niedrigerem Niveau gejammert. Key Tracks: „Twice As“, „Masks“, „Ghost People“