MGMT
Little Dark Age
Columbia/Sony
Setzkastenpop fürs private Mittelalter: ein wahnsinnig gutes Isolationsalbum.
Der große Soziologe Zygmunt Bauman schrieb, wir lebten in einer liquiden Welt, die stetig fließe und keine Gewissheiten mehr biete. Er legte den Menschen daher nahe, stets in Bewegung zu bleiben, das sei zwar nicht komfortabel und sorge dafür, dass man ab und an an der falschen Stelle auftauche. Aber immerhin strandet man nicht auf einer Sandbank und kommt gar nicht mehr vorwärts. In diesem Sinne sind MGMT eine liquide Band. Immer in Bewegung, mit Logik nicht greifbar, die Erwartungen unterspülend.
Vor gut zehn Jahren war ihr Debütalbum ORCULAR SPECTACULAR ein großer Wurf, es prägte den Sound und die Mode der späten Nullerjahre, doch Andrew VanVyngarden und Ben Goldwasser kehrten nie mehr dorthin zurück. Kontinuität ist nicht von Interesse, MGMT sind eine Band ohne Chronologie – und MY LITTLE DARK AGE klingt nun plötzlich viel mehr nach einem Debütalbum als die erste LP selbst.
Das „kleine finstere Mittelalter“ steht für die Phase des Lebens, in der selbstverliebte Isolation zu gesteigertem Nerdtum führt und die Platten von The Cure oder Tears For Fears plötzlich eine große Bedeutung erhalten. Man schnappt sich dann nicht die elektrische Gitarre und haut auf Drums, sondern bastelt auf alten Computern eigenbrötlerische Klangwelten, die nach Retro-Science-Fiction und unpopulärem Pop klingen.
Das Eröffnungsstück „She Works Out Too Much“ ist in dieser Hinsicht ein Meisterwerk: Keyboards wie Seife, stolpernde Beats aus der Konserve, Frauengesänge wie früher von Wendy & Lisa oder auf den Maxi-Singles von Paul Young, eine Refrainmelodie wie bei Zoot Woman in ihren besten Zeiten, textlich der melancholische Quatsch der frühen They Might Be Giants.
„Me & Michael“ ist perfekter 80s-Pop, so perfekt, dass sich MTV überlegt, sich noch einmal zu alter Größe aufzuschwingen, um dieses Stück zu featuren. „When You Die“ ist genau so großartig, aber neopsychedelisch und barock. „TSLAMP“ führt das Konzept auf eine Yacht, „When You’re Small“ bricht einem das Herz: „When you’re small, you’re not very big at all“, ha ha, aber eben auch: „When you’re high, you don’t have to know why.“ Dazu eine Sehnsuchtsmelodie, eine entenartige Gitarre zur Geige und zum klimpernden Klavier – verflüssigte Trauer über die Ungerechtigkeiten des Lebens.