Mia Morgan
Fleisch
Eklat Tonträger/Krasser Stoff/Believe (VÖ: 29.4.)
Die Sängerin aus Kassel spielt Blümchen-Schlager für Leute mit Fetischparty-Erfahrung.
Lektion 1 im Fach „Erfolg in Deutschland“: Popsänger müssen aussehen wie freundliche Startup-Gründer, dazu – ganz wichtig – möglichst „authentisch“ sein. Wobei „authentisch“ nur bedeuten darf: originell wie Selters. Mia Morgan ist das nicht. Die Sängerin aus Kassel kultiviert einen hyperartifiziellen Look, dazu eine Social-Media-Präsenz, in der dezidiert politische Statements genauso Raum bekommen wie Posts über ihre psychischen Erkrankungen.
AmazonIn ihrer Mission, ein wenig Glamour, Leben und, nun ja, Pop in den deutschen Pop zu bringen, ähnelt Morgan ihrem Kumpel Drangsal. Während der aber erst ein stylishes Eisschrank-Wave-Album rausbrachte, bevor er mit einem Hechtsprung in den Kitsch eintauchte, macht Morgan auf ihrem Debüt gleich Electro-Schlager. Also: Schlager. Auf ihrem Album FLEISCH, das auf die EP GRUFTPOP von 2019 folgt, klingt sie wie Blümchen für Leute mit mindestens einem Fetischoutfit im Schrank.
Eine klare Absage an das, was Morgan unter Coolness versteht
In Songs wie „Teenager“ hört man Morgans Nullerjahre-Jugend, in der die Stars auf VIVA noch LaFee oder Avril Lavigne hießen – und
der coole Minimalismus von Billie Eilish eine Idee war, die noch keiner hatte. Überhaupt ist der Sound auf FLEISCH eine klare Absage an das, was Morgan unter Coolness versteht.
Stattdessen gibt’s schlimme Schweinerockgitarren, Lalala-Refrains, schlockige Synthesizer und Oldschool-Teenpop, dazu Texte über Hasslieben, Selbstinszenierung und Schönheitsdruck. Zugegeben, trotz all dieses Überflusses ist das Konzept Mia Morgan manchmal interessanter als die Musik, die einen tatsächlich an die Grenzen der Belastbarkeit bringt. Aber hey, von welchem deutschen Popstar kann man das schon behaupten?