Album der Woche

Nichtseattle

Kommunistenlibido

Staatsakt/Bertus (VÖ: 29.4.)

Katharina Kollmann hat ihren Marx gelesen und ist die Liedermacherin der Stunde.

Nur so als Beispiel, um mal zu bebildern, wie einzigartig Nichtseattle ist. Man möchte erzählen von der eigenen Überlastung und von Einsamkeit und dann so was singen wie: Da muss noch mehr sein. Nichtseattle singt: „Irgendwas war immer schon, ich glaub’, a priori da.“ Denn, wenn Nichtseattle singt, dann denkt sie zwar vom eigenen Bauchnabel aus, aber die gesellschaftlichen Umstände mit, und mehr noch: Sie weiß was von Marx.

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Aber ihre Songs bleiben dann doch zugänglich, aber in der Schwebe, ohne aber die Sachlage zu vereinfachen. Will sagen: Es ist Pop, der sich nicht dümmer macht, als er ist – und auch mal ein doppeltes und dreifaches „aber“ aushält. Also ist es dann wohl doch kein Pop mehr. So, oder auch anders.

So komplex die Inhalte, so scheinbar spartanisch die Umsetzung

Dieses Kann-man-auch-mal-anders-Sehen, auch das hat Katharina Kollmann, Texterin, Sängerin und Gitarristin aus Berlin, drauf auf ihrem zweiten Album als Nichtseattle, weswegen KOMMUNISTENLIBIDO vieles ist: großartiges Singer/Songwriter*innentum; Wiederaufleben der Hamburger Schule, aber unter feministischen Vorzeichen; gesellschaftliche Analyse mit politischem Bewusstsein jenseits von Parteiengrenzen, die auch mal ganz simpel daher kommt: „Die guten Leute sind satt.“

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So komplex die Inhalte, so scheinbar spartanisch die Umsetzung: Kollmann dehnt die Sätze über Reimgrenzen hinweg über einer einfachen, aber nicht simplifizierten Gitarre, deren chirurgischer Kühle das Flügelhorn von Frieda Gaweda gelegentlich eine atemberaubende Wärme entgegensetzt. Falls jemand auf der Suche war nach einer Liedermacherin für diese Zeit: Sie ist gefunden.

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