Review - Seite 266 von 2065 - Musikexpress

HipHop: Der Kanadier macht auf seinem dritten Album kaum etwas anders, dafür fast alles noch besser.

Mit seinem Debüt THANK ME LATER definierte Drake 2010 ein so neuartiges wie charakteristisches Klangbild und machte Gefühlsduseligkeit für eine ganze Generation Rapper gangbar. Mit TAKE CARE führte er die ihm eigene Kombination aus Emo und Ego ein Jahr später zur Vollendung. Wie soll’s also weitergehen? Eine 180-Grad-Wende? Mit dem Kopf durch die Wand? Drake ist locker geblieben und macht auf seinem dritten Album zwar kaum etwas anders, dafür fast alles noch besser. „Coming off the last record, I’m getting 20 millions of the record“, schließt er schon mit dem Opener „Tuscan Leather“ explizit an seine Vita an und umreißt mit zwei simplen Zeilen das thematische Spannungsfeld des Albums: der Ruhm und das Geld, ihre Verheißungen und finstere Nebenwirkungen. Drakeismen im Sekundentakt: zum Frühstück gibt’s Schampus, abends inbrünstige Abfuhren an falsche Freunde und geldgierige Schlampen. Vergleichsweise aggressiv fordert Drake Respekt für seine Leistung als Rapper ein. Auff.shortällig ist der Verzicht auf Superstar-Features: Einzig Jay-Z brilliert mit zwei magistralen Strophen auf dem De-Facto-Outro „Pound Cake/Paris Morton Music 2“. Stattdessen hat Drake mit Jhené Aiko und dem Briten Sampha zwei der interessantesten R’n’B-Künstler für Hooks verpflichtet und seinen Labelboss Birdman auf „The Language“ ein Intro murmeln lassen. Apropos „Outro“: Das von „Come Thru“ ist größer als jeder andere R’n’B-Song 2013. Alles bleibt anders und Drake bleibt Chef – zumindest bis zu Kanyes nächstem großen Pop-Moment.

Experimentelle Indie-Weltmusik aus Bayern: Aloa Input versammeln drei diffuse Genres in einem schlüssigen Album.

Würde flächendeckender Mindestlohn plus Überstundenvergütung für Musiker eingeführt, Christoph Beck, Marcus Grassl und Florian Kreier von Aloa Input wären vermutlich Großverdiener, denn ihr Debütalbum ANYSOME dürfte die Bayern unzählige Tage und schlaflose Nächte im Studio gekostet haben. Sie hatten sich offensichtlich in den Kopf gesetzt, ihre jeweiligen Einflüsse von Welt-, Indie- und Experimentalmusik unter einen wohltemperierten Album-Hut zu packen. Derart größenwahnsinnige Projekte scheitern meist, aber manchmal, wie hier, entsteht dabei auch Einzigartiges. Fast jedes der zahlreichen Genre-Charakteristika haben Aloa Input in ihre Musik integriert. Die Stücke in ANYSOME vereinen Synthie-Flächen mit afrikanischen Trommeln, entspannten Gesang mit Bläsersätzen und Vogelgezwitscher mit verzerrten E-Gitarren. Die Elemente sind dabei detailverliebt arrangiert, die Spuren sorgsam dosiert. Mühelos kann sich der Hörer deshalb in den ungeraden Takten von „Someday Morning“ und „Chasing Shades“ zurechtfinden und wieder verlieren. Oder er poltert bei kraftvolleren Songs wie „Another Green World“ über eine Tanzfläche seiner Wahl. Und weil die drei für ihr Album-Kleinod mehr verdient haben als eine wohlwollende Rezension und weil das mit dem Mindestlohn ja doch wieder nichts wird: Hiermit sind Mobilfunk-Anbieter und Großkonzerne aufgerufen, sich ANYSOME vor der Planung ihrer nächsten großen TV-Kampagne einmal ganz genau anzuhören.

Deine Datensicherheit bei der Nutzung der Teilen-Funktion
Um diesen Artikel oder andere Inhalte über Soziale-Netzwerke zu teilen, brauchen wir deine Zustimmung für