Pauls Jets
Jazzfest
Staatsakt/Bertus (VÖ: 18.2.)
Die Meister des Projektionsflächen-Pop düsen auf der Metarakete ihres neuen Doppelalbums aus dem Schattendasein anderer österreichischer Größen heraus.
Das „Jazzfest“ ist ein Witz, ein gewiefter. Der Titeltrack und Opener nimmt all jene benebelten Schnapsler aufs Korn, die hier ernsthaft Jazzmusik erwarten: „Sie spielen am Jazzfest, aber sie sind schon eine Rockband am Ende des Tages“ − „Aber das versteh ich nicht, wie soll das gehen“, faseln Sänger und Gitarrist Paul Buschnegg und Keyboarder Kilian Hanappi im vierminütigen Dialog über einen viel zu laut schnalzenden Beat, bis sich alles in bizarrem Geschepper und Genöle auflöst. „Trippy“, so kommentieren die beiden im Song, aber insgesamt natürlich vor allem sehr meta.
AmazonDas JAZZFEST ist gleichzeitig gar kein Witz, sondern eine Ansage. Obwohl das einstige Trio Pauls Jets (Buschnegg, Romy Jakovcic und Xavier Plus; Hanappi kam erst letztes Jahr dazu) schon seit 2018 als Hoffnungsträger des deutschsprachigen Indie-Pop gilt, wurde es bisher meist in den Schatten anderer Wiener Bands gestellt. Jetzt, mit dem dritten Album und dem ersten beim Berliner Label Staatsakt, dürfte damit Schluss sein.
Zwischen Kater, Therapie, ermüdeten Diskursen und kapitalistischen Verfügbarkeitszwängen
Aber erst mal weiter im Sound: Wer trotz des aufwühlenden Einstiegs noch bei gedimmtem Licht im Sessel sitzt, um Synkopen und Blue Notes zu zählen, dem hauen die Jets bald darauf mit „Büro“ einen lo-fi-punkigen Aufruf zur Arbeitsverweigerung um die Ohren. Immerhin: Ein jazziger Anteil des Albums äußert sich in Impro-Elementen, dank Einsatz eines Saxofons (Ferdinand Ehs), in langen Psych-Rock-Expeditionen, oder in Lyrics mit der gefühlsleeren Impulsivität von Cloud-Rap. Dazwischen ein Mix aus Postpunk und Schlager, mit der Catchiness von Britpop, und mit dem Pomp von Konzeptmusik, aber ohne die zugehörige Verkopftheit.
Das klingt alles erst mal überfordernd, aber tatsächlich ist JAZZFEST nicht nur das bisher längste, sondern auch das stringenteste Album der Jets, dieser Band, der es wie kaum einer anderen gelingt, in aller Vieldeutigkeit musikalisch und inhaltlich ihren Kurs zu halten. Typisch zum Beispiel die subtile Weltwut im chansonnesken „Magdeburg“: „Klar, dass unsere Kleider jetzt teurer sind / Und sich Gespräche meist nur um Filme drehen / Dass jeder sich halt von der großen Liebe trennt / Man mit getrockneter Zunge noch oft an sie denkt.“
Das Unkonkrete ist hier also Mittel zum Zweck, es verwischt nichts, sondern enthüllt einiges
Buschneggs und Jakovcics Protagonisten werden erwachsen zwischen Kater, Therapie, ermüdeten Diskursen und kapitalistischen Verfügbarkeitszwängen. Nur: Stolz darauf sind sie womöglich nicht. Das alles ist natürlich unglaublich vage, aber genau diese Vagheit braucht es, um gegenwärtige Wahrheiten aufzuzeigen. Wozu sich festlegen in einer Lebenswelt der Eventualitäten? „So richtig in love“, wie ein anderer Song schon im Titel verspricht, sind doch derzeit viele von uns nie.
Das Unkonkrete ist hier also Mittel zum Zweck, es verwischt nichts, sondern enthüllt einiges. Ganz anders als bei Ja, Panik muss man bei den Jets aber das Politische genau suchen. Allein mit dem Stilmittel-Snobismus von Bilderbuch oder dem Gassenhauer Hedonismus von Wanda kommt man hier auch nicht weit − und Paul Buschnegg hat zwar die gleiche Frisur wie Schorsch Kamerun, aber dann doch eine ziemlich andere Band. Eine nämlich, die meisterhaften und sehr eigensinnigen Projektionsflächen-Pop macht.