Poliça

Shulamith

Memphis Industries/Indigo

Elektropop: Poliça geben auf ihrem zweiten Album die beschleunigte Version von Portishead.

Frauenbewegung und sexuelle Revolution. Mutterschaft, Lesbianismus und das Verhältnis von Geschlecht und Klasse. Über all das und noch viel mehr hat Shulamith Firestone diskutiert, gestritten und geschrieben. Shulamith, die 2012 verstorben ist, war eine der einflussreichsten Theoretikerinnen der internationalen Frauenbewegung in den 60ern und 70ern. Warum wir das erwähnen? Weil Poliça ihr zweites Album nach der Autorin benannt haben und Sängerin Channy Leaneagh ihr posthum einen Kranz windet. „Sie ist auch aus dem Grab heraus noch meine Muse und Mentorin“, lobhudelt Channy Leaneagh.

Inwieweit Firestone auf SHULAMITH durchklingt, können wir nicht beurteilen; auf die Schnelle haben wir uns nicht in ihr Gesamtwerk reinfuchsen können. Unüberhörbar ist allerdings, dass die Band aus Minneapolis auf dem Nachfolgealbum zu ihrem viel gepriesenen Debüt GIVE YOU THE GHOST die Songs eindeutig in Richtung Elektropop dreht. In „So Leave“ kommt der als gelungene Melange aus schwülstiger Romantik und gefrierbrandiger Laptop-Attitüde daher; in „Tiff “ (hier taumelt Edel-Fan Justin Vernon von Bon Iver mit durchs Arrangement) und in „Matty“ klingen Poliça wie eine beschleunigte Version von Portishead, die aber keineswegs poppiger Fröhlichkeit anheimfällt, sondern beim Trübsal blasen immer noch in der ersten Reihe steht. Für den Rest des Zweitwerks gilt: SHULAMITH ist ideal für musikinteressierte Menschen, denen Little Boots zu schlicht, The Knife zu anstrengend und Austra zu theatralisch sind. Nach Diktat Notiz an mich selbst: unbedingt mal einen Aufsatz von Shulamith Firestone im Original lesen.