Schorsch Kamerun
Der Mensch lässt nach
Buback/Indigo Vinyl only inkl.CD
Der Goldies-Sänger hat rabiate Kunstmusiken zu einem großen Gegenwartsthema versammelt: das Leiden in einer durchgentrifizierten Welt.
Herzlichen Glückwunsch, Schorsch Kamerun, bester Albumtitel 2013 so far: DER MENSCH LÄSST NACH. Der Zitronen-Sänger lässt nicht nach und nicht locker, und das ist Programm im Chor der Bestandsaufnehmer und Beschwerdeführer, der auf den Bühnen von Leipzig, Köln, Hamburg, München und Düsseldorf unter seiner Regie gastierte. Auf diesem Album sind Texte und Musiken aus Kameruns Theaterproduktionen der letzten zwei Jahre versammelt, aufgezeichnet mit Saxofonisten, Klarinettisten, Pianisten und Flötisten und einem Verein für elektronisch erweiterte Orchestermusik. Kamerun deklamiert mehr, als dass er singt, und er singt sich das kollektive Weinen aus dem Gesicht (geweint wird um Ägypten, Ai Weiwei, die Scheiß-Steuererklärung), dazu Schlagzeug, das Pling-Pling eines Klaviers, Glockengeläut. Von provisorischen Rohaufnahmen bis hin zum kompletten Popsong „Unabhängigkeit ist keine Lösung“ mit dem Goldies-verdächtigen Refrain „Babys wollen fun fun fun“ reicht das Spektrum; man kann auch Moritaten hören, Revue- und Kabarett-Sequenzen. Der Kollektivgedanke steht dieser rabiaten Kunstmusik voran, die Bühne als Ort des Brainstormings zu den großen Themen, die hinter der blöden „Übereigendarstellerei“ aufblitzen. Der Kapitalismus darf munter zerstören, das Leiden an und in einer durchgentrifizierten Welt geht weiter: Was macht Mensch in dieser Zeit, wenn er nicht zum Stoiker geboren ist, der seinen Sinneseindrücken kategorisch misstraut? „Ich werde versuchen eigene Zeichen zu entwickeln, die man sich nicht so leicht merken kann“, schreibt Kamerun im Prolog des Stückes „Sender Freies Düsseldorf“.