Son Lux
Tomorrows II
City Slang (VÖ: 4.12.)
Anxiety, aber als Lebensgefühl: Son Lux’ Experimental-Pop-Epos geht in die zweite Runde.
2020 hat uns allen den Boden unter den Füßen weggezogen, Unsicherheit und Ängste laufen eigentlich immer mit. Die Sonne scheint? Ja, aber der Klimawandel. Donald Trump wurde abgewählt? Ja, aber Nazis randalieren in Leipzig. Die Lieblingsband kommt in deine Stadt? Ja, aber Covid-19. Und so ähnlich scheint es auch Son Lux zu gehen, einst verschwurbeltes Soloprojekt von Ryan Lott, seit gut sechs Jahren ergänzt durch Rafiq Bhatia und Ian Chang.
AmazonZumindest klingt der mittlerweile zweite Teil der epischen Trilogie TOMORROWS nach Irrsinn und Anxiety, Wahnsinn und zwischendrin, ja, zwischendrin sogar ein wenig nach Hoffnung. Auch wenn die auf diesem Album so rar gesät ist wie vielleicht im ganzen Jahr. Wahrscheinlich findet mit TOMORROWS II das Projekt Son Lux zu seinem ureigensten Selbst, nach immerhin rund zwölf Jahren Bandgeschichte: Ein elektronisches Grundgerüst trifft auf kaum bearbeitete, wenig glatt polierte Akustikinstrumente – zum Beispiel das wunderbare Holzxylophon im Intro zu „Molecules“ – und Lotts elektronisch modulierte, affektbeladene Stimme, die aus der Ferne wabert und dann wieder ganz nahe rückt. Als wären wir in einem instabilen Zoom-Call.
Irgendwie auch ein gutes Symbol für dieses Jahr. Natürlich ist das hier vor allem verkopfte Soundspielerei, da bleiben sich Son Lux treu, aber nicht ohne die ganz große Pathos-Geste und eine emotionale Zugänglichkeit, die TOMORROWS II dann trotzdem nie belanglos wirken lässt. Großes Indie-Kino.