Who Is This Bitch, Anyway? :: Cherry Red/Rough Trade
Ein unterschätztes Juwel des Deep Soul der 70er-Jahre.
Wie bitte? Da nimmt eine Frau von sich aus das Wort Schlampe in den Mund? Eine Frau zudem, von der man das nicht unbedingt erwarten würde? Genau so ist es. Aber sie sagt es nicht mit Haaren auf der Zunge, sondern ein bisschen flapsig daher. In den Liner-Notes zu diesem Album ist zu lesen, dass es in New Orleans mal einen Typen gegeben habe, der vor Shaws Soundcheck ständig eines ihres Lieder in der Jukebox laufen ließ. Als ein Mitarbeiter des Ladens die Jukebox abstellte, war der Besucher nicht mehr zu halten. Auch nicht auf den Hinweis hin, dass die Sängerin, die er die ganze Zeit gehört hatte, gleich live auftreten würde. Erbost sagte er die Worte, die im Albumtitel stehen. Mitte der 70er war das. Marlena Shaw kam eigentlich vom Jazz, hatte sich als Sängerin für das Count Basie Orchestra und andere Genre-Größen einen Namen gemacht und damit den Weg für eine Solokarriere geebnet. Zwischen 1972 und 1976 veröffentlichte sie fünf Alben für das traditionsreiche Blue-Note-Label, darunter auch dieses. Es gehört zu den Pflichtanschaffungen für jeden Fan von geerdetem Soul mit Jazz-Einflüssen. Man hört das am Intro, in dem ein Mann in einer Bar Shaw anspricht, die sich in diesem Fall als Mitarbeiterin im „sozialen Dienst“ vorstellt. Als er versteht, was sie damit meint, bietet er ihr 25 Dollar für engeren Kontakt an. Die Art und Weise, wie unaufgeregt Shaw den aufdringlichen Kerl abschüttelt, ist ein Ereignis für sich. Diese Grundentspanntheit ist auch das große Plus in den Songs, die folgen. Man hört sie in der Version von Roberta Flacks „Feel Like Makin‘ Love“, in der mit Orchesterelementen versetzten Ballade „You Taught Me How To Speak In Love“ und auch in „Rose Marie (Mon Cherie)“, dem chansonhaften zweiteiligen Abschlussstück. Künstlerisch ist es eine wunderbare Leistung. Allerdings kommt sie hier nicht voll zur Geltung, trotz digitalem Remastering. Das Album hört sich etwas dumpf an.
Lee „Scratch“ Perry And The Sufferers
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