Yeasayer – Odd Blood :: Art Pop, zu Wundertüten gedreht

Wer sich nicht ziert, geht mit einem ordentlichen Rausch hinten raus aus diesem exotischen Progpopspaßbad - besoffen vor Glück.

Bitte oszillieren Sie, zwischen den Polen! Kunsthappening und Kindergeburtstag- Konzeptverhaftung und Entfesselung – Expedition und Fiebertanz: Widersprüche müssen sein, soll Popmusik einem etwas länger im Fell hängen bleiben. Obwohl Yeasayer aus Brooklyn nie ganz den Eindruck verwischen können, dass ihr aus Frankie-Goes-To-Hollywood-verdächtigem Bombast, einiger Exotik, feinem Glam und dem Geist des progressiven Rock zu Wundertüten gedrehter Artpop doch ziemlich ausgedacht klingt, fühlt man sich durch ihr zweites Album nicht etwa hirngefickt, sondern erhält – wenn schon, denn schon – eine fürstliche Komplettbehandlung.

Was denn, wer wird sich da zieren? Was soll das heißen: zu wenig Musik, zu viel Spektakel?! Wer das glaubt (der Autor hält das ohnehin für eine Schutzbehauptung), möge sich der enormen Musikalität dieser sich aus fast überschwappend vielen Quellen nährenden Band vielleicht über den Beitrag nähern, den sie für die Red-Hot-Compilation DARK WAS THE NIGHT aufgenommen hatte: den Titel „Tightrope“, gerne auch als Youtube-Video. Dort hört und sieht man eine astreine Folkkapelle mit Banjo, Harmonika und Chorgesang, der nicht lange an der Tür zur Sakristei, sondern gleich an den Wolken kratzt, wie sie Seelen, die nach Labsal dürsten, ein Ständchen von dramatischer Schönheit bringt. Na, angekommen? Dann hopp, rein ins Vergnügen, das ODD BLOOD – klarer, weniger psychedelisch, dafür ein gutes Stück ausgelassener als das Debüt ALL HOUR CYMBALS – uns beschert.

Mit Hilfe von Computern und dank völlig angstfreiem Umgang mit künstlichen Klängen und exotischen Einflüssen (Talking Heads, Afropop, Kate Bush, Latin, Peter Gabriel, Trance, Tears For Fears etc.), selbst solchen, die nach über 50 Jahren Pop längst als hoffnungslos domestiziert gelten, drehen Yeasayer herrlich frei und im Ergebnis fast ausschließlich Hits. Und die lassen sogar gerne an der Grenze zum Zuviel von allem operierende Popschaffende wie (einst) Duran Duran, Scissor Sisters und die Killers blass aussehen.

VÖ: 5.2.

www.amblingalp.com

Artverwandtes: Tears For Fears – Tears Roll Down – Greatest Hits (1992), Of Montreal – Hissing Fauna… (2007)