Ringswandl


Der Herr Doktor aus Bayern ist nicht nur ein schräger Vogel, sondern auch ein gelehrter Mann. Mit scharfsinni- gem Blick kühlte er seine analytischen Ohren an hanebüchenen Platitüden, gestand dabei aber dem deutschen Schlager durchaus Humor zu.

Genesis: „Hold On My Heart“ „Phil Cüllins bekommt für diese Leistung die Note 6, wegtreten! Wenn man überhaupt soviel Geduld aufbringt, das lntro des Songs zu überstehen, fällt einem sofort auf: Da hat sich Herr Collins wohl zuhause an einen kleinen Heimcomputer mit Notator-Programm gesetzt, herumgetüftelt und dann aus seinem Textbaustein-Computer automatisch kompilierte Verse dazu gesungen. Er hat eine schöne Stimme, der Phil, hunderprozentig aussagefrei und absolut mit jedem politischen Regime kompatibel. Das ist der Phil — hat zwar keine Haare aufm Kopf, aber dafür um so mehr Geld aufm Konto.“ ZZ Top: „Viva Las Vegas“ „Da spielt jemand ein bißchen Elvis Presley. Wahrscheinlich einer so zwischen Mitte 30 bis Mitte 40 Jahre alt, der Elvis mit harten Rock-Gitarren und Drum-Computer zu Leibe rückt. Das geht immer, das funktioniert schon seit 120.000 Jahren so. Pure Verarschung.“ Rainhard Fendrich: „Tutti Frutti Mutti“ „Wieder ein neues Spitzenprodukt von Fendrich, gut gemacht, gutes österreichisches Pop-Handwerk, durchweg solide. Er ist ein ordentlicher Textschreiber, seine Texte haben so einen milden Hauch von kompatibler Kritik, sind nicht zu böse, aber auch nicht zu flach.“

Die Prinzen: „Mann im Mond“ „Ich vermute, daß hier die Frau Humpe am Werk war. Das klingt wie das Remake eines .Neue Deutsche Welle‘-Galaxis-Songs ä la Ideal, so betont schlicht, schlichte Texte. Nun gut, eine Zeile wie .Der Mann im Mond holt die Laterne raus“ hat schon einen gewissen Witz. Doch die hüpfende Leichtigkeit, die die Leute so mögen, geht dem Song ah. Aber zumindest die gedämpften Humor-Erwartungen des deutschen Volkes kann man damit bestimmt ganz gut abbügeln.“ Monty Python: „I Like Chinese“ „Ein wesentlich gelungenerer Griff als die anderen. Da traut sich jemand mit minimaler Studiotechnik an ein großes Thema heran. Das hat wirklich verrotzten Humor und Identität und ist zudem leichtfüßig und spritzig. Einfach nett, auch wenn sie an die Größe der. sagen wir mal, Comedian Harmonists nicht heranreichen.“ Marianne & Michael: „Als war’s das allererste Mal“ „Hallo, liebe Hörer, hier ist euer Lehrer Berti (bürgerlicher Name: Günther Behrle), der auch fürs Naabtal Duo schreibt, am Werk. Patrik Lindner im Duo mit der Hellwig-Tochter, oder? Es fällt mir nicht leicht, mich darüber lustig zu machen. Wobei ich sagen muß, daß die Musik professionell, vom Handwerk her sauber gemacht ist, wir’s hier mit schlichter deutscher Country-Musik zu tun haben, die um keinen Deut bescheuerter ist als das, was aus der Country-Hochburg Nashville kommt. Und auch die Texte, die einem zu Ohren gebracht werden, unterscheiden sich in nichts von dem, was wir tagtäglich im Bayern 3-Rundfunk zu hören bekommen. Ein Klischeeschmarren eben, der genauso wenig von den wirklichen Dingen des Lebens gestriffen wurde wie die englische Popmusik, die ständig im Funk gedudelt wird.“ Udo Jürgens: „Im Kühlschrank brennt noch Licht“ „Unverkennbar die Stimme, aber immer noch das alte Pathos, mit dem Kehlkopf gewackelt, Leidenschaft vorgaukelnd — meiner Meinung nach ist, 17 Jahr blondes Haar immer noch besser gewesen. Offensichtlich hat er das so interpretiert wie seine zwei Schreibjuristen, der Doktor jur. Kunze und Doktor jur. Meinunger, die alten Drechsler. Entweder hat er es bei den beiden gelernt oder die beiden haben bei Johannes Mario Simmel die höhere Literatur abgekupfert. Aber es ist schon lausig. Er sollte bei dem bleiben, was er gemacht hat. für die geschmackvollen, bedeutenden Songs ist es zu spät, da fehlt’s ihm einfach im Kopf. Er ist nicht der Charles Aznavour oder der Paole Conte. Er ist eben ein lieber Schlagersänger und damit hat sich’s, ansonsten ist und bleibt er eine leere Hose.“ Hape Kerkeling: „Hurz“ „Das ist das erste Mal, das ich den Song höre. (Amüsiert sich fortan köstlich) Sehr gut, sehr gut, das hat internationales Humorformat. Hat einen hintergründigen Witz, ist auf allen Ebenen vermittelbar, ist locker, ist nicht so schwergängige, keine bleischuhartige ,Schlag-mich-damit-ich-lachen-rnuß‘-Arie. Da braucht sich der Herr Professor oder der Intellektuelle nicht zu schämen, wenn er lacht, und auch die sogenannten einfachen Leute‘ haben was davon.“