Rod Steward – It Takes 2
Angeblich hat er als vielgeschmähter Erz-Chauvi nur zwei Hobbies - Frauen und Fußball. Doch beim Rendezvous mit ME/Sounds-Mitarbeiter Fritz W. Haver entpuppte sich Rod Stewart als hemmungsloser Romantiker.
Rod Stewart? Vor lauter Klatschgeschichten und Scheidungs-Turbulenzen hatte man fast schon vergessen, daß der Mann auch ein begnadeter Sänger und Songschreiber ist. Doch jetzt meldet er sich wieder zurück. „Ich bin nun mal ein sehr emotionaler Typ“, sagt er entschuldigend, und seine Stimme klingt dabei genauso sanft und heiser wie auf der Bühne. Frisch verliebt ist er auch schon wieder, und glücklich wie er sich dabei fühlt, hat er die neueste Stewartess. seine fix angetraute 22jährige Gattin Rachel Hunter, gleich mitgebracht.
Aber er hat auch sein neues Album VAGABOND HEART im Gepäck. Im Gespräch stellt sich dann schnell heraus, daß dieser altgediente britische Rockbarde tatsächlich genauso verträumt und romantisch ist, wie es seine hymnischen Balladen vermuten lassen.
„Das neue Album habe ich meinem Vater gewidmet“, sagt Rod Stewart leise. „Er ist im letzten Jahr gestorben und stand mir und meinen Brüdern sehr nahe. Wir vermissen ihn sehr. „Vom Vater hat der in London aufgewachsene Sänger offensichtlich sein Faible für Dudelsack-Klänge und Schottenkaros der Papa stammte aus den kargen Highlands. Die Widmung an den Verstorbenen will Rod auch als spätes Dankeschön verstanden wissen: „Zu meinem 14. Geburlstag schenkte er mir meine erste Gitarre das war das Größte. Ich wollte danach nur noch Musik machen. Selbst der Fußball wurde unwichtig. Ich hatte eine EP des Folkways-Labels, eine Platte mit sechs Liedern von Rambling Jack Elliott, einem New Yorker Folksänger. Und der war wohl mein erster musikalischer Einfluß noch vorSam Cooke, Otts Redding, Muddy Wateis oder Chuck Berry.“
So also kommt’s, daß man heute noch in Rod Stewarts Liedern das Rattern der Güterzüge und das Heulen des Nordwinds hört. „Im Grunde“, so gesteht er. trägt er „bis heute beim Schreiben manchmal einen Cowboy-Hut“.
Den Titel seines neuen Albums – VAGABOND HEART – will Rod The Mod durchaus als autobiographische Andeutung verstanden wissen. Denn er drücke die wesentlichen Aspekte seines Lebens aus: seine permanente Heimatlosigkeit und das ach so verletzliche Herz. „Diese beiden Begriffe beschreiben sehr gut das Leben, das ich in den letzten 20 Jahren geführt habe“, betont der vagabundierende Herzkranke nicht ohne zu beteuern, daß ab jetzt aber alles ganz anders wird.
Der Verdacht drängt sich auf, daß er derlei guten Vorsätzen nicht lange treu bleiben wird. Hat er denn nicht gleich im Überschwang verliebter Gefühle Van Morrisons schöne Ballade „Have I Told You Lately“ für seinen neuen Schwärm Rachel mit aufs Album gepackt? Da lächelt er verklärt: „Nicht direkt, denn das Stück hatte ich schon aufgenommen, als ich Rachel kennenlernte. Aber dieser Song beschreibt trotzdem ziemlich konkret meine Situation. Im Grunde hast du also recht.“
Trotzdem weist er noch treuherzig auf eine Tatsache hin: „Ich lasse mich natürlich durch meine eigenen Erfahrungen inspirieren – aber eigentlich habe ich noch nie einen Song über eine eigene Liebesaffäre oder über eine konkrete Person geschrieben. Die Songs kommen mir einfach so; ich bin nun mal sehr emotional.“
Womit wir beim unvermeidlichen Thema wären: Wie halten Sie’s mit den Frauen. Mister Stewart?
„In dieser Beziehung bin ich oft mißverstanden worden“, beteuert Rod, der oft als Erz-Chauvi geschmäht wurde. „Ich stehe auf der Seite der Softies. Und fiir Frauen habe ich immer die allergrößte Hochachtung empfunden. Aber ich habe sie natürlich auch nie in den Himmel gehoben, denn das wäre gefährlich. Ein Chauvi war ich trotzdem nie, da kannst du jede Frau fragen, mit der ich je zusammen war, und sie wird dir das bestätigen. „Und dann läßt er ohne Rücksicht auf Verluste den Sentimentale) raushängen: „Aber nun mal ehrlich ich glaube an die Macht der Tränen. Ich glaube daran, die eigenen Gefühle zu zeigen und auch mal hemmungslos zu weinen. Was sollte daran verkehrt sein?“
Jetzt hat er sich warmgeredet, jetzt kommt er in Fahrt. Mit lebhafter Gestik erklärt der geläuterte Schwerenöter seine aktuelle Liebesphilosophie: „Ich glaube an die Intimität. Ich glaube daran, daß es wichtig ist, alles gemeinsam zu besprechen. Ich weiß, daß es vielleicht ein bißchen merkwürdig klingt, wenn gerade ich das sage aber Vertrauen ist das Allerwichtigste. Wenn dieses Vertrauen einmal weg ist, dann ist alles zu spät. Aber gerade eine solche vertrauensvolle Nähe braucht man ganz besonders dringend, wenn man in einer Stadt wie Los Angeles lebt. „Wenn er so eindringlich und mit Herzblut spricht, wird deutlich, daß sich der Superstar im kalifornischen Exil wohl doch öfter mal nach der alten britischen Heimat sehnt, wo er vielleicht am liebsten mal wie in seinem Hit „Sailing“ ganz schnell wieder hinsegeln möchte. Vielleicht kultiviert er deshalb nach wie vor seinen Londoner Akzent, und bei aller Liebe zur schottischen Heimat seines Vaters scheint er sich in der britischen Hauptstadt immer noch am ehesten zuhause zu fühlen.
Auch einer anderen Leidenschaft ist er seit seiner Jugend treu geblieben. Zwar bedauerte er es wohl nie, daß er seine potentielle Karriere als aktiver Fußballer der Liebe zum Rock’n’Roll opferte – „aber heutzutage kann ich es immer kaum erwarten, bis ich wieder die Gelegenheit habe, Fußball zu spielen“, grinst er. Damals kickte er nur für sehr kurze Zeit professionell zwei Wochen oder zwei Monate, so genau kann oder will er sich nicht mehr erinnern.
„Wenn ich so zurückblicke, muß ich sagen, ich habe großes Glück gehabt. Denn ich konnte meine beiden großen Leidenschaften die Musik und den Fußball miteinander verbinden. Und in beiden Bereichen habe ich meine Erfüllung gefunden. „Vielleicht wird nun ja auch im dritten Bereich alles gut: bei den Frauen.
Aber da Rod schon angefangen hat, von den guten alten Zeiten zu schwärmen, fangen wir mal lieber nicht wieder mit dem leidigen Thema an. Seine Augen leuchten, als er erzählt, wie er damals sein Album EVERY PICTURE TELLS A STORY aufnahm: „Ich habe zwar kommerziell erfolgreichere Platten gemacht, aber dieses Album war wirklich ein Juwel. Ich habe mit Ron Wood zusammengearbeitet, und wir schrieben zusammen in meinem Haus ein paar Stücke. Damals hatte ich mir gerade ein winziges Häuschen gekauftaber für mich waresein Palast! Es hatte nur drei Zimmer, eine Küche, ein Bad aber genau davon hatte ich immer geträumt.“
Jedenfalls will er auf seiner nächsten Tournee wieder möglichst viele Songs aus jenen glücklichen Zeiten spielen, als Rockmusiker noch Weine Häuschen bewohnten und von der großen Liebe träumten. „Viele meiner Fans werden diese alten Songs gar nicht mehr kennen. Aber dann wird es eben Zeit, daß wir sie ihnen beibringen.“
Und sonst hat er keine Sorgen? Doch, doch: „Wenn ich bei einem Konzert auf die Bühne renne und die vielen Leute im Publikum sehe – dann freue ich mich oft so sehr, daß ich darüber meine Texte vergesse. Der Gedanke daran macht mich jetzt schon ganz nervös.“ Gut, daß die Fans ein besseres Gedächtnis haben und ganz bestimmt auch mitsingen.