Rod Stewart – Hot Legs, bye bye!
Am 19. Oktober, so hatten wir es diesmal schwarz auf weiß, sollte Rod Stewart nun aber wirklich zur mehrfach verschobenen BRD-Tour starten. Dummerweise hatten wir eine Woche vorher Redaktionsschluß, wußten zu diesem Zeitpunkt also noch nicht, ob sich der gute Rod nicht doch noch in letzter Minute vielleicht von einem seiner Kinder die Masern geholt hat oder vielleicht auch Keuchhusten. Egal, eine Geschichte war sowieso mal wieder fällig. Sylvie Simmons traf einen gepflegten, Mineralwasser trinkenden Mr. Stewart in Los Angeles, wo er im Record Plant Studio seiner neuen LP, FOOLISH BEHAVIOUR, noch den letztenSchliff verpaßte.
Für jemanden, der die beste Zeit seines Lebens damit zugebracht hat zu beweisen, daß Blonde (auch künstliche) mehr Spaß haben, sieht Rod Stewart ziemlich gut aus. Gepflegt, braungebrannt und im Anzug – das ist kaum der Typ von Zombie, der für gewöhnlich samstags spät in der Nacht die Aufnahmestudios von Hollywood hinter sich läßt. Seitdem er als Ehemann und Vater von mittlerweile zwei Kindern seßhaft wurde, enthalten die Flaschen, mit denen er jetzt hantiert, meistens nur noch Milch oder Wasserstoffsuperoxyd.
„Ich trinke nicht mehr so viel wie früher. Wenn du älter wirst, mußt du ein paar Dinge einschränken.“ Stewart schüttelt seinen Kopf. „Ich will auf mich aufpassen, das ist mir wichtig. Ich will, daß mein Körper auch noch für mich da ist, wenn ich 60 bin. Ich gehöre nicht zu denen, die überall mit einer Flasche Jack Daniels in der Hand herumspazieren und posieren und den Rock‘ n‘ Roll ausleben. Ich hab‘ das hinter mir, überall mit nem Drink in der Hand aufzukreuzen. Keith -Richard macht das immer noch – er hat ewig eine Flasche Whiskey dabei. Er trinkt das Zeug nie. Wenn die Fotos im Kasten sind, stellt er‘ s auf den Fußboden. Alles Image“, seufzt Rod und gießt sich ein Glas Mineralwasser ein.
kommst überhaupt nichts fertig. Eine schreckliche Geldverschwendung. Dann, in den letzten paar Wochen, kommst du mittags um 12 und arbeitest die ganze Nacht durch. Ich warte immer bis zur letzten Minute, ich kann besser unter Druck arbeiten.“
Zum Zeitpunkt dieses Gespräches waren noch der eine oder andere Text zu schreiben, hier und da noch ein paar vocals hinzuzufügen, das Album zu mischen, zehn aus insgesamt 32 Songs auszuwählen und die LP zu produzieren. Denn Tom Dowd, der seit 1975 (ATLANTIC CROSSING) mit Rod zusammengearbeitet hatte und zunächst auch für FOOLISH BE-HAVIOUR eingeplant war, zog sich zurück. „Tom und ich beschlossen auf halbem Wege, uns zu trennen,“ erklärt Rod. „Ich glaube wir sind zur Zeit ein wenig aus ihm herausgewachsen. Wir sind durchaus in der Lage, die Tracks auf ziemlich jungenhafte Weise zusammenzubringen. Tom war manchmal wie ein Erwachsener – der Direktor, weißt du. Und wir wollten eben so lange rumblödeln, bis wir‘ s hatten. Nach zehn Jahren sollte ich eigentlich einigermaßen Gespür dafür haben, was gut ist und was schlecht, so dachten wir uns, daß wir diese LP lieber selbst produzieren wollen. Dazu kam, daß Tom sich immer nur bei mir beliebt machen wollte und Dinge sagte, von denen er meinte, daß sie mich bei Laune halten würden. Er war nicht objektiv „er hat mich seit Jahren zum Narren gehalten!“
Auf dem neuen Album verzichtet Rod zum erstenmal seit Jahren auf Cover-Versionen. „Zu viel Konkurrenz von Linda Ronstadt und ihresgleichen“, sagt er. „Jeder macht das jetzt. Als ich damit anfing, vor zehn Jahren ungefähr, war es so eine Art Markenzeichen für mich, Songs auszukramen, die lange nicht mehr im Radio zu hören waren, die, wie ich dachte, gut zu mir paßten oder die ich vielleicht sogar noch ein wenig besser bringen konnte als andere. So haben wir diesmal viel geschrieben. „Ein Prozess übrigens, der, wie Rod versichert, so einfach ist, wie das Naseputzen. „Da ist nichts Magisches dabei. Ich glaube, daß die meisten Leute glauben, Songs zu schreiben, sei ein erstaunlicher, magischer Vorgang. Es ist wirklich ganz einfach. Du mußt es nur immer wieder in Angriff nehmen; Songs aus einfachen, kleinen Riffs heraus zu bauen oderaus einem kleinen Melodieteil, der seit Jahren irgendwie da ist. Ich bin niemals als Songwriter auf diesen Planeten gekommen. Ich glaube auch noch immer nicht, daß ich einer bin. Nicht einer von der Art eines Burt Bacherach und seinesgleichen.“
Unter den zehn auserwählten Songs vermutet Rod übrigens wieder ein paar „überzeugendere Rock‘ n‘ Roll-Songs“. Er und die Musiker hatten sich die letzte LP nämlich Tag für Tag nochmal angehört, um aus den Fehlern zu lernen… Und es gibt ein paar Songs, von Rod, dem Beobachter. „Einer handelt vom Töten meiner Frau, du wirst es kaum glauben. Es geht um einen Typen, dessen gesamte Fantasie sich darum dreht, seine Frau umzubringen. Ich meine, ich liebe meine Frau und ich würde nicht davon träumen, sie umzubringen, aber ich glaube, daß es eine Menge Typen oft überkommt, weißt du, besonders, wenn sie so 15 Jahre verheiratet sind. In einem anderen Song geht es um Depressionen – das Fernsehen bringt eine Menge darüber, warum wir deprimiert sind. Es fiel mir ziemlich leicht, dieses Lied zu schreiben. Manchmal bin ich so absolut depressiv, daß ich mich irgendeine Klippe hinunterstürzen könnte.“
Dabei sollte man annehmen, daß die Ehe und Kinder, diese Art von häuslicher Seligkeit, Depressionen aufgrund von Bedeutungslosigkeit des eigenen Lebens doch eigentlich ein Ende setzen würde. So war es aber nicht. Für Stewart bedeutete das nämlich auch, daß es ihm schwerer fiel, wie bisher jene some-of-the-boys-songs zu schreiben. „Ich machte eine Zeit durch, in der ich dachte, nun, das war‘ s wohl, ich bin jetzt verheiratet, es ist vorbei. Ich hatte das Gefühl, daß jeder im Musikbusiness, der heiratet oder fest mit jemandem zusammenzieht, anfängt, die Dinge problematisch zu finden. Ich fuhr vier Wochen auf die Bahamas, machte da alle Texte fertig und kam zurück. Ich glaube nicht, daß es daran lag, daß ich von meiner Frau fortwollte. Ich brauchte nur eine andere Umgebung, mußte mal von den Kindern fort, weil sie (drei, zwei von ihm und seiner Frau Alana, eins aus ihrer früheren Ehe mit dem Schauspieler George Hamilton) mich eine Menge Zeit kosten. Ich stehe morgens auf, stürme zu ihnen und stehe dann stundenlang wie bescheuert da. Ich kann es immer noch nicht fassen.“
Stewart hat sich immerhin fast zwei Jahre lang Zeit gelassen mit der neuen Produktion, fand neben seinen Familienpflichten jedoch noch genügend Zeit, eine Menge neuer Musik zu hören und alles von New Wave bis zu den old greats auszuchecken. Letzte Woche bei einem Gig der Babys. Letzten Monat bei Chuck Berry. Aber in den Musikgazetten steht nie etwas davon, daß er mal mit anderen gejammt habe. Wird er faul?
„Nein, das ist nur meine Scheiß-Angst. Das ist etwas, was ich nicht kann. Eine andere Sache, die ich nicht bringe, ist, vor zwei Leuten zu singen. Wenn ich im Studio Gesang aufnehme, muß ich jeden rauswerfen und schon am anderen Tag kann ich im Forum vor 18.000 Leuten singen, kein Problem. Ich habe nur Angst vorm Jammen. Ich wüßte nicht, was ich tun soll, wenn ich da raufginge, anfinge zu singen und den Text nicht wüßte. Das ist die Wahrheit.“
„Vor einem Monat sah ich mir Chuck Berry an, und er versuchte alles, um mich auf die Bühne zu kriegen, unter anderem, indem er einen Spot auf mich richten ließ. Schließlich habe ich mich hinten rausgeschlichen und bin nach Hause gegangen.“
Nervosität allerdings auch jedesmal, wenn er mit eigener Band auf die Bühne geht. „Du bist verwundbar, wenn du dort oben stehst. Dein ganzes Leben spielt sich da draußen ab. Entweder du machst deine Sache gut und bleibst dabei, oder du scheiterst und mußt dir einen anderen Job suchen. Wir alle müssen unseren Job machen nur daß ich meinen vor 10.000 Leuten erledigen muß.“ Und weil er die Psyche so stark aufmöbeln muß, ehe er rausgeht, gerat der Adrenalinausstoß manchmal eben auch eine Nummer zu groß. Dann legt Rod Stewart eine Show vor, die in ihrer übersteigerten Gefallsucht nahezu schon manische Formen annimmt. Darum auch werfen ihm zahlreiche Kritiker vor, er würde Rock‘ n‘ Roll dem Showbiz opfern.
„Meistens ist es aber nur reiner Enthusiasmus, wenn ich, wie sie sagen, die Showbiz/ Entertainment-Seite übertreibe,“ beteuert Rod allerdings. „Ich bin dann oft so weggetreten, daß ich anfange, vornüberzufallen, den Affen zu machen und ausgesprochen albern werde. Aber das ist nichts Einstudiertes!“ Es sei ein gegenseitiger Vorgang, erklärt er. „Das Feedback aus dem Publikum machtdich geradezu zum Parasiten. Du holst alles aus ihnen heraus und setzt es in Songs um. Und deshalb will ich ihnen auch gefallen. Kann schon sein, daß ich dann hin und wieder das Maß verliere. Man kann uns sicher vorwerfen, daß wir manchmal zu viel des Guten tun, nur um gut anzukommen.“
Trotzdem: Rod hat zumindest den Versuch aufgegeben, der ewige Teenager zu bleiben. „Es gab eine Zeit, vor fünf Jahren ungefähr, da machte ich Songs über Groupies und ,Hot Legs‘ und solche Dinge, aber wenn ich mir gegenüber ehrlich bleiben will, kann ich solche Lieder nicht mehr singen. Ich werde alter und kann keinen Rock‘ n‘ -Roll mehr für 15jährige machen, und ich will es auch nicht. Ich bin reifer geworden, die Zeit der Faces ist vorbei, darum mache ich Rock‘ n‘ Roll, der meiner Altersgruppe gefällt, wenn jüngere Leute es ebenso mögen – schön!“
Und noch etwas: „Es stand so viel dummes Zeug in der Zeitung wie: ,Er hat Angst davor, daß seine Kinder ins Rampenlicht geraten, weil er fürchtet, daß ihn seine Fans dann nicht mehr mögen.‘ “ Darum erklärte Rod, daß er die zwei mit auf die Bühne nehmen will, wenn er im Londoner Wembley auftritt.
(Der Gig fand leider erst nach Redaktionsschluß statt, deshalb können wir das noch nicht bestätigen. Die Red.) Aber Rod wird es auf keinen Fall Paul McCartney gleichtun und die Ehefrau als Band-Mitglied aufbauen. .Sie wird niemals auf der Bühne sein. Aber ich stimme Paul McCartney zu, wenn er sagt: ,Rock‘ n‘ Roll wird hie die dominierende Rolle in meinem Leben übernehmen! Ich bin in meinem Leben an einem Punkt angekommen, an dem es mir im Gegensatz zu früher scheißegal ist, was die Leute von mir halten, was die Presse schreibt, ob ich Platten verkaufe. Ich war immer unglücklich, wenn ich im Konzert einen leeren Sitz sah. Aber darüber bin ich jetzt hinweg. Ich habe vor acht Jahren aufgehört, mich um die Musikpresse zu kümmern und das waren die besten acht Jahre meines Lebens. Mir ist aufgegangen, daß ich eigentlich gar kein Popsänger mehr bin. Ich bin lediglich ein Sänger. Du bekommst eine andere Perspektive. Früher war ich schon total erledigt, wenn Schottland ein Fußballspiel verloren hat – fucking hell, das Ende der Welt! Mein Leben ist beiweitem nicht perfekt, aber es , könnte um einiges schlechter sein, wenn ich‘ s darauf ankommen ließe.“