Ronnie James Dio


So kann es kommen, wenn man die Hardrock-Götter reizt. Kaum hatte, begleitet von einer gewaltigen Detonation, der erste Song begonnen, da ging die Feuerwehr in Deckung. Erschrocken flüchtete einer von ihnen vor dem flammenden Inferno. Er sollte der einzige bleiben, der vorzeitig die Halle verließ.

Hardrock und Antike dominierten an diesem Abend. Pharaonen begrüßten den Zuschauer mit majestätischer Miene und sollten wohl an den Glanz altägyptischer Dynastien erinnern. Sie bildeten die Kulisse zu einem grandiosen Schauspiel mit Musik. Unheilschwangere Klänge aus dem Dunkel eröffneten die Show. Und dann kam er – Ronald Padavona alias Ronnie James Dio, der Mann mit den großen Lungen. Ihn live zu erleben, entschädigte Augen und Ohren für so vieles, was man in letzter Zeit ertragen mußte. Der „little big man“ des Hardrock, wie er oft genannt wird, hat einfach Charisma: das muß der Neid ihm lassen. Ronnie verkörpert den Typ des modernen Hardrock-Sängers – ähnlich wie Klaus Meine von den Scorpions („Wir sind die neuen Everly Brothers“, hatte er zuvor im Interview gemeint). Er ist der geborene Shouter mit Herz: Performer. Entertainer und Erzähler in einer Person – und schon durch diese Kombination den meisten seiner Kollegen haushoch überlegen. Die Gesten seiner Hände allem sprachen Bande: mal einladend ausgestreckt, dann wieder finster zur Faust geballt. Er sang sich durch Höhen und Tiefen, tobte wie ein Derwisch über die Bretter, vom Drive seiner ausgezeichneten Band gefordert – oder aber hielt sich in Gedanken versunken am Mikrofon fest.

Obwohl die Akustik bisweilen miserabel war und sein Gesang sich nur bei den Balladen gegen die Instrumente behaupten konnte, war Dios Auftritt eine Werbung für den Hardrock. Allen voran Bassist Jimmy Bain und Drummer Vinnie Appice, die eiserne Achse des Quartetts, die mit unerwarteten Breaks für Abwechslung sorgten. Nur Vivian Campbell, der wieselflinke Gitarrist, blieb etwas blaß: seinen atemberaubenden Sprints auf den sechs Saiten fehlte noch das Gefühl, die individuellen Emotionen, auf die es gerade in diesem Genre so ankommt.

Dennoch ein voller Erfolg – wie die begeisterten Reaktionen bewiesen: Die Fans ließen ihr Idol erst nach zwei Zugaben ungern von der Bühne.