Rory Gallagher
Es könnte der freundliche Junge aus der Nachbarschaft sein. Still, gelassen und immer etwas nachdenklich. Er wäre bereit, dir jeden Gefallen zu tun, wenn du ihn darum bitten würdest. RORY GALLAGHER ist der Prototyp dessen, was man unter Liebenswürdigkeit versteht. Man kann sich mit ihm stundenlang über alle möglichen Themen unterhalten und nicht nur über Musik. Er ist vielseitig und politisch interessiert, „“Weil das unser Leben ausmacht“. Wenn er auf der Bühne steht im karierten Baumwollhemd, verwaschenen Jeans und Turnschuhen, so ist das nicht sein wohl überlegtes Äusseres, sondern RORY wie er leibt und lebt. Er könnte es sich leisten im Rolls Royce von Konzert zu Konzert zu fahren, aber er zieht es vor, einen alten Bedford selbst zu steuern und mit Gerry Mc Avoy und Wilgar Campbell eine Gemeinschaft zu bilden.
Seine glanzvolle „Taste“-Zeit hat er endgültig abgeschlossen. „“Es ist wie mit der Liebe, mit der Zeit nutzt sie ab, wenn nicht immer neue Impulse aus dieser Gemeinschaft entstehen“. Er ist nicht jener einsame Wolf, den man so gerne in ihm sehen würde. Er bezieht seine Ideen nicht im abgeschlossenen Kämmerlein, fernab von einer brodelnden Umwelt. „“Meine spontansten Einfälle habe ich bei Konzerten. Auf diesen Ideen baue ich dann weiter auf. Ich wäre nie in der Lage, mich zu wiederholen, weil es bei mir kein festes Konzept gibt“. Eine Dreier-Formation ist nur dann gut, wenn Ideen und Einfälle direkt weitergeleitet werden, deshalb sind ihm Gerry und Wilgar eine grosse Hilfe. Sie sind ein gut eingespieltes Team, haben eine schnelle Auffassungsgabe und bilden einen perfekten rhythmischen Hintergrund. „“Es haben sich damals viele Leute für den Job beworben. Bei den beiden wusste ich, dass sie schon lange zusammen spielten. Ich kann mich auf sie verlassen. Sie spielen unheimlich dicht und lassen mir trotzdem viel Spielraum“. In Cork, Südirland, ist er geboren und nachdem die „Taste“ kaputt waren, gab er auch dort wieder sein erstes Konzert im „“Savoy Cinema“. Es wurde eine wunderbare Sache. „Eine Zeitlang hatte ich Angst, die Leute würden die Bühne stürmen und mich in Stücke reissen. Aber es ging noch einmal gut.Nach dem Konzert stand dem Veranstalter der Angstschweiss auf der Stirn. Er bangte die ganze Zeit um sein Kino, dass es die Fans zu einem Trümmerhaufen umfunktinieren würden“.
MUSIK, DIE HAPPY MACHT
RORY ist es gewohnt, impulsive Zuhörer zu haben und er putscht sie auch gerne auf. Doch vor einem Konzert macht er sich keine Gedanken darüber, wie er den Fans am besten einheizen könnte. „“Das ist alles eine Gefühlssache, etwas, das sich ergibt. Es wäre das allerletzte, wenn ich mir vorher Konzepte ausarbeiten würde, nach dem Motto: dieses und jenes musst du spielen, um die Leute zu schaffen. Es kommt von alleine, wenn es kommt“. Sein ganzes Leben besteht aus Improvisationen, genau wie seine Musik. In letzter Zeit hat er sich etwas mehr den akustischen Instrumenten zugewandt, z.B. Mandoline, 12-Saiten-Gitarre usw. „Unsere Musik soll
happy machen und ein gutes Feeling vermitteln. Es ist und war mein Job, die Leute zu unterhalten. Blues ist unterhaltsam und regt zum Nachdenken an. In dieser Beziehung bin ich nicht anders geworden. Ich bin der gleiche geblieben, nur die Zeit hat sich geändert“.
Sein erstes selbst produziertes Album wurde auch in diesem Sinn aufgenommen. „“Ich wusste, wie ich meine Ideen optimal ausdrücken konnte. Ein anderer Produzent hätte das nicht hingekriegt“. Er wird in Zukunft all seine Platten selbst produzieren, denn er hat festgestellt, dass er noch immer am besten weiss, wie seine Ideen aussehen. „“Du bist im Studio und hörst von anderen Leuten, was gut oder schlecht ist an deinem Spiel. Kritik, aber nur fundierte, ist eine gute Grundlage um z.B. Musikstücke zur Diskussion zu stellen. Man lernt so, andere Standpunkte zu begreifen und Verständnis dafür aufzubringen. Ich schreibe zwar nach wie vor alle Songs selber, doch nur wenn ich Wilgar und Gerry mit einbeziehe, kann etwas Gutes daraus werden. Ich bin wie gesagt, nicht der einsame Wolf, der allein entscheidet“.
KEIN SUPERSTAR
Wenn sie auf Tournee sind, wird RORY nicht bevorzugt behandelt. Doch ist es eine Tatsache, dass bei gross angelegten Pressekonferenzen sich alles um ihn dreht. Bei solchen Gelegenheiten kapselt er sich ab und wird ziemlich wortkarg. Er wird dann wieder zu dem jungen Mann von nebenan, der sich plötzlich im Scheinwerferlicht wiederfindet und nicht weiss, ob es nun gut oder schlecht ist. Das wird anders, wenn man ihn alleine trifft, in irgendeiner Garderobe, vor oder nach einem Konzert. Man kann mit ihm trinken und sich angenehm unterhalten. Er gibt dann Auskunft über sich, über sein Leben und seine Ideen. Er ist ehrgeizig und kann eine Meinung glaubhaft vertreten. „“Ich lebe nicht mit einer selbst gestrickten Zufriedenheit in den Tag hinein. Ich möchte etwas vollbringen, möchte Musik machen, bei der sich die Leute- wohl fühlen“. Er weiss, dass er nur eine ganz bestimmte Schicht mit seiner Musik anspricht, aber er ist bestrebt, auch anderen Leuten ein gutes Feeling zu verschaffen. RORY GALLAGHER ist viel unterwegs und er macht es gerne, es gibt ihm Gelegenheit, zu erfahren, was man in anderen Ländern über seine Musik denkt. „“In Deutschland ist man sehr kritisch. Ich glaube, man hat dort zu viele Jubelstars auf Tournee geschickt. Denn auf die Dauer muss es in die Hose gehen, wenn man jede Woche eine gross angelegte Tournee mit Superstars durchführt. In der Presse bin ich vielleicht auch ein Superstar, doch mit diesem Image kann man auf die Dauer nicht leben. Man legt zu viele Hoffnungen in diesen Begriff und die Zeit hat es bestätigt, dass diese Hoffnungen nicht berechtigt waren. Ich meine, dass ich keine mittelmässige Musik mache, denn die Möglichkeiten, die ich habe, versuche ich nach dem besten Gewissen auszuloten. Das ist es, glaube ich, was die Fans in Deutschland spüren“. Er ist ein angenehmer Gesprächspartner, der sich konzentrieren kann, wenn es die Zeit erlaubt. Es würde sicherlich viele freuen, wenn er nach seiner letzten LP „“Deuce“, auf der man in 10 Stücken viel Blues nören kann, mal wieder nach Deutschland kommen würde.