Roxy Music : Roxy Music


Kein Mensch kann sich mehr daran erinnern, daß 1973 die „Nostalgiewelle“ das große Ding in der Popmusik war. War ja auch ein Mißverständnis: Weil Londons aufregendste neue Band nach einem alten Kino benannt war (fast hätten sie „Rialto‘ geheißen, oder „Odeon“), witterten die Teddyboys Morgenluft und erklärten mal wieder Elvis zum King. Dabei war das Konzept von Roxy (das „Music“ diente nur dazu, Ignoranten zu erklären, daß hier keine Filme gezeigt wurden) ein schrilles Durcheinander von gestern (wie es nie war), morgen [wie es hoffentlich mal werden würde, in 300 Jahren), feinst ziselierten Kunstkonzepten und schreiendem Dilettantismus: ein ohrenbetäubender, dann wieder ätherisch zarter Buntkessel aus Bisex, Lurex, Romantik und Brachialfuturismus, aus hämmernden Lärmgitarren, derangierten Sax-Exzessen, Fiepsen, Trällern, Jodeln, Stampfen … der tönte wie nichts vorher und wenig nachher. Spielen konnte keiner, am wenigsten (Brian) Eno mit seinem Synth-Piepsgezirpe; singen konnte auch Bryan Ferry nicht wirklich – aber timbrieren, elektrisieren und erotisieren. „Re-Make/Re-Model“ gab die ideologische Slurmrichtung vor, das Cover verzeichnete „Clothes, Make-up & Hair – Anthony Price“, „Would You Believe?“ war eine rhetorische Frage (nicht mal fassen konnte man das!), und als rechtzeitig für die Zweitauflage das Single-Monster „Virginia Plain“ geboren war, gab es kein Halten mehr. Für „progressive“ Freaks war der Circus so supergrell lachhaft, daß ihnen das Kichern gleich wieder im Hals steckenblieb. Wir Infizierten fielen (und fallen) in Ohnmacht vor Entzücken; alle anderen (Eltern, Lehrer u.s.w. waren fassungslos: Was ist denn das für ein Geschwuchtel! Roxy war und ist ein absolut absurder Luxus. Wie Glam-Rock insgesamt ein absolut absurder Luxus war, den niemand brauchte und ohne den wir gerade deshalb immer noch nicht und nie leben können, wir Infizierten.

Aufgenommen: März 1972, Command Studios, London

Produzent: Peter Sinfield

Beste Songs: „If There Is Something“, „Re-Make/Re-Model“, „Chance Meeting“

Höchste Chartsposition GB: 10