Rüdiger Hoffmann


Seit Kabarett hierzulande Comedy heißt, hat Komisches wieder Hochkonjunktur. Star der Szene ist ein studierter Musiker aus Paderborn.

Angeblich kann Rüdiger Hoffmann über seine eigenen Platten lachen.

Ehrlich gesagt,finde ich meine Sachen schon witzig. Ich lache natürlich nicht so wie ein Zuschauer, der das Programm noch nicht kennt. Zum Beispiel hab‘ ich mir vor ein paar Tagen meinen letzten Auftritt bei „RTL Samstag Nacht“ auf Video angesehen. Und da hab‘ ich gelacht, das gebe ich echt zu. Auch als wir die CD im Studio abgemischt haben. Da lachst du an Stellen, die du echt gut findest – schon mal.

„Der Hauptgewinner“ war angeblich die bestverkaufte Wort-CD der Welt. Woher willst du das eigentlich so genau wissen?

Das wurde mir so gesagt von der Plattenfirma. Ob das wirklich so ist, weiß ich nicht. Das bezieht sich wohl auf Wort-CDs ohne Single-Hit. Helge Schneider hat auch viele Platten verkauft, aber da war ein „Katzeklo“ drauf.

Warum kaufen die Leute Rüdiger Hoffmann-CDs? Wo doch fast keine Musik drauf ist.

Weil man sich die Geschichten öfter anhören kann. Das merkt man auch in den Shows. Da können die Leute die Nummern teilweise von vorne bis hinten mitsprechen. Die Pointen kennen sie längst, trotzdem reisen manche hinter mir her und sehen die Show bis zu zehn Mal.

Würdest du selbst einem Kabarettisten zehn Konterte lang hinterherfahren?

Kann ich mir ehrlich gesagt nicht vorstellen. Vielleicht sind es ja auch nur zwei oder drei Auftritte, die sie sehen. Anscheinend geht es ihnen vor allem um den Spaß an der Live-Atmosphäre-da ist immer eine tierische Stimmung. Da geht die Post ab, das kocht richtig im Saal. Die Leute gehen glücklich nach Hause, haben tierisch viel gelacht. Deshalb gehen sie vielleicht auch noch mal hin und nehmen ein paar Bekannte mit.

Folglich ist Rüdiger Hoffmann ein Kult-Star?

Das möchte ich von mir selber nicht unbedingt behaupten. Aber in einer gewissen Weise ist das wahrscheinlich so. Ich bin kein Witze-Erzähler. Bei mir geht es vor allem darum, wie ich meine Geschichten erzähle. Buddhistisch ausgedrückt: Der Weg ist das Ziel.

Ein schlimmer Schocker bist du Jedenfalls nicht.

Ich hab‘ so viel schon gesehen. Früher haben sie oft auf der Bühne ihren Schwanz rausgeholt. Ich weiß nicht, ob man das heute, noch macht, aber das schockt mich auch nicht. Was soll mich schocken, wenn einer auf der Bühne was erzählt. Der hat sich das ausgedacht und verfolgt irgendeinen Zweck damit. Das kann ich gut finden, mehr oder weniger witzig, aber schockieren kann mich nichts. Ich würde nur keine Witze machen, die knallhart auf Kosten anderer gehen.

Wirst du nie mißverstanden?

Im großen und ganzen nicht. Bei einer Ausländernummer applaudieren die Leute nicht an der falschen Stelle. Auch bei der polnischen Putzfrau reagiert das Publikum so, wie ich das möchte, wie ich das gemeint habe.

Dein neues, wieder außerordentlich erfolgreiches Album heißt „Allen Asien“. Wo wurden eigentlich die Live-Tracks für diese Platte aufgenommen? Am Ende gar in Asien?

Nein, in Emsdetten.

In Emsdetten? Würdest du uns bitte geographisch auf die Sprünge helfen. Wo liegt dieser Ort?

Im Emsland, da oben bei Münster in der Ecke. Ein Take ist aus Stuttgart, einer aus München. Ich hab‘ bei der letzten Tournee immer wieder mal die eine oder andere neue Nummer ins Programm eingebaut und dabei ein digitales Bandgerät mitlaufen lassen. Hinterher hatten wir zwanzig Cassetten. Aber in Emsdetten war einfach alles Masse: das Timing, die Stimmung, eine unheimlich schöne Melodie in der Stimme. Deshalb haben wir Emsdetten auch genommen – das war die musikalischste Aufnahme.

h3>Du gehst generell sehr musikalisch an deine Wortnummern heran. Es gibt Intro, Vers, Refrain, Hooklines und Sprachmelodien. Vielleicht kann man ja deshalb Hoffmann-Scherze öfter hören – weil es fast schon Songs sind, die du sprichst.

Ganz genau. Die Leute sprechen etliche Stellen so mit, als würden sie einen Refrain mitsingen. Text ist für mich wie Musik. Ich variiere auf der Bühne sehr wenig, weil ich lange Zeit daran feile und mir sehr viele Gedanken über den richtigen Rhythmus mache: Wie setzt du die Worte, wo setzt du die Kommas, welches Wort drückt besser die Atmosphäre aus, obwohl ein anderes Wort vielleicht das treffendere wäre?

„Ja hallo erstmal“ oder „Ich weiß nicht, ob Sie’s wußten“ sind demnach deine immer wiederkehrenden Hooklines?

Das sage ich, seitdem ich auf der Bühne bin. Also seit 13 Jahren. Ich dachte mir am Anfang: Wie kann man mieser auf die Bühne kommen als mit „Ja hallo erstmal“. Das ist so was von schlaff, das fand ich total witzig. Damals hat dann natürlich kein Schwanz gelacht oder geklatscht, als ich mit diesem Spruch rauskam. Diese Totenstille im Saal hat mir unheimlich viel Freude gemacht, denn das macht mich so richtig wach. Irgendwann wurde das dann zum Markenzeichen. Das „Ich weiß nicht, ob Sie’s wußten“ setze ich oft, weil man am Anfang einer Nummer ein bißchen Zeit braucht, bevor man auf den Punkt kommt. Es ist, wie wenn der Drummer den Song auf der HiHat vorzählt – eins, zwei, drei, vier, und los geht’s.

Ein guter Kabarettist muß auch nach 200 Auftritten noch den Eindruck vermitteln, die Show sei völlig spontan.

Auch wenn ich an einer Stelle aus dramaturgischen Gründen weinen müßte, würde ich das noch hinkriegen. Das gehört zum Handwerkszeug. Wie die Fähigkeit, die Charaktere so darzustellen; daß der Zuschauer denkt, alles sei in dem Moment spontan entstanden. Du mußt voll da sein, und deine Figuren auch leben. Ich hab ja von den Figuren kein echtes Bild im Kopf. Es sind mehr Situationen, Themen oder einzelne Sätze, aus denen die Nummern entstanden sind. Und viele Leute erkennen sich selbst oder andere Menschen dann darin wieder.

Zunächst einmal werden sie glauben, sie erkennen dich darin wieder.

Das kann schon sein. Die Leute haben ein bestimmtes Bild von mir. Die sprechen mich auf der Straße an, weil sie glauben, mich zu kennen. Aber ich kenne sie nicht. Das hört sich vielleicht etwas naiv an, aber sie denken, das ist der Typ von nebenan – der nette.

Bist du nicht nett?

Ich kann auch ein Arschloch sein. Privat bin ich ein ganz normaler Mensch. Ich möchte einfach nur meine Privatsphäre behalten. Ich habe nichts zu verheimlichen, aber jeder Künstler braucht seine Privatsphäre – wie soll ich sonst kreativ sein? Du tankst ja auf in deinem Privatleben und willst natürlich kein Kamerateam in deinem Wohnzimmer haben. Sonst siehst du abends im Fernsehen dein Wohnzimmer und jeder guckt da mit rein. Dabei gibt es eigentlich nichts zu sehen. Da stehen Möbel rum, es ist aufgeräumt oder halt unaufgeräumt.

Wenn du in eine Kneipe gehst, denken doch sicher alle: Vorsicht, der Hoffmann ist wieder auf Ideensuche.

Ich geh nie in eine Kneipe mit dem Vorsatz, Ideen zu suchen. Aber es stimmt schon – wenn sie mich erkennen, verhalten sie sich nicht mehr natürlich.

Tarnst du dich mit einer dunklen Sonnenbrille?

Ich habe gemerkt, daß es völlig reicht, wenn ich eine Kappe aufsetze. Es wäre albern, mich zu verstecken. Ich gehe durch die Stadt, und wer mich anspricht, spricht mich eben an. Dann kann ich immer noch entscheiden, ob ich Bock hab‘, den kennenzulernen. Manchmal lernt man so ja auch interessante Leute kennen. Dazu muß man stehen, das ist der Preis dafür, bekannt zu sein.

Hast du Angst, in deiner Normalität entlarvt zu werden?

Ich war jahrelang auf Tournee. Da hab ich mich sehr nach diesem langweiligen, normalen Leben gesehnt. Endlich wieder von normalen Menschen umgeben zu sein und nicht von diesen Schwachköpfen, diesen Schleimern, die dir immer sagen, daß du der Größte bist.

Eine Familie könnte so eine Funktion haben. Oder deine Bekannten. Auf der neuen CD kommt nicht einmal das Wort „Freund“ vor – es gibt immer nur „Bekannte“.

Wenn man „Bekannter“ sagt, ist das unheimlich distanziert. So richtig mies, irgendwie. Ich finde das witzig, und es ist mir egal, ob die Leute denken: Hat der denn keine Freunde, nur Bekannte?

Kann ein Ostwestfale überhaupt Freunde haben?

Wir in Paderborn sagen: Um mit uns warm zu werden, muß man erst mal einen Sack Salz mit uns essen. Und das dauert lange. Wenn du da abends in einer Kneipe bist, wirst du sogar als Berühmtheit viel weniger angequatscht als zum Beispiel im Rheinland. Und wenn du mit Leuten redest, entstehen auch viel mehr Pausen. Dann steht man da so rum und sagt auch mal längere Zeit nichts.

Das trifft auch auf deine Figuren zu – allesamt sind sie emotional leicht angekrüppelt.

Das ist doch genau die Dramatik in der Figur, die mich reizt, darüber eine Geschichte zu machen. Dinge darzustellen, die völlig in Ordnung sind – das ist doch langweilig. Eine andere durchgehende Geschichte ist dieser Kontrast zwischen sensibel und brachial. Der Reiz dieses Gegensatzes. Auch ich habe diese Sensibiliät in mir, genau sowie die Stärke-sonst könnte ich nicht so nach außen gehen.

Rüdiger Hoffmann, der Rächer der Sensiblen?

Schau doch mal raus in die Welt. Da tun dir doch viele Leute wirklich leid. Der Ehrliche ist der Dumme. Es gibt so viele herzensgute Typen, die von allen immer nur verarscht werden. Für solche Typen habe ich ein Herz, die möchte ich irgendwie verteidigen. Aber man muß auch sehen, daß die Sachen auf der Bühne allesamt stilisiert sind. Das ist nicht wirklich die Offenbarung meiner Wunden. Und privat gilt: Ich öffne mich so weit, wie sich der andere öffnet. Wenn der zumacht, mache ich auch dicht.

So dicht wie nach sieben Schnäpsen In der neuen Nummer „Der Fisch“?

Ich trinke eigentlich gar keinen Alkohol mehr. Das gewöhnt man sich so leicht an -jeden Abend nach dem Konzert ein paar Bierchen. Irgendwann merkst du aber, daß es an die Kondition geht. Irgendwann habe ich mit dem Alkohol und den Zigaretten aufgehört und mache fünfmal die Woche Sport. Laufen und Schwimmen. Sonst würde ich das rein physisch nicht packen.

Und deshalb gibst du dieses Jahr auch keine 200 Konzerte mehr, sondern nur noch so um die 80 bis 100?

Ich hatte keine Lust mehr, jeden Abend zu spielen. Ich bin nicht so geldgeil, ich brauche nicht immer noch mehr und mehr. Früher gab es Tourneen, bei denen ich nur zwei spielfreie Tage pro Monat hatte. Ich bin nachts im Hotel aufgewacht, wußte nicht mehr, in welcher Stadt ich bin und mußte auf die Streichholzschachtel gucken – aha: Maritim Stuttgart.

Loriot bekommt seine Geschichten wie du: direkt aus dem Volk, dem er möglichst genau aufs Maul schaut.

Stimmt – das ist meine Tradition. Ich hab‘ auch Kabarettpreise bekommen. Damals gab es ja dieses Wort „Comedy“ noch gar nicht. Ich bin eigentlich Kabarettist.

Und der bedient sein Publikum mit politisch Korrektem. Der Feind ist immer der kleine Faschist, der kleine Rassist. Die klaren Feindbilder für alle, die brav Ihren Müll trennen und Jeden Tag einen Apfel essen.

Kann sein. Politisch unkorrekt zu sein, ist ja richtig zur Mode geworden. Aber ich hab‘ keine Lust, diese Mode mitzumachen, weil sie für mich eigentlich schon wieder vorbei ist. Ich will mich auch gar nicht danach richten, was zur Zeit korrekt ist. Ich habe meine eigene Meinung. Und wenn zum Beispiel irgendein Ausländer ein Arschloch ist, dann ist er eben ein Arschloch. Das hat nichts damit zu tun, daß er ein Ausländer ist. Dann zu sagen: „der arme Mann“, das ist verlogene Correctness. Aber das Gegenteil, dieses bewußt unkorrekt sein, finde ich völlig langweilig. Da bin ich schon lieber politisch korrekt und mach’eine Nummer über Umweltkorruption.

Bestimmt hast du irgendeinen Traum für die Zukunft. Ais studierter Musiker…

So einen Single-Hit zu haben, das war‘ schon mein Traum, das gebe ich gerne zu. Allein mit Musik was zu reißen. Ich hab ja auch so ein kleines Digitalstudio zu Hause mit allen Instrumenten – Bass, Gitarre, Schlagzeug, Keyboards und so. Keyboards kann ich natürlich, aber den Rest bekomm‘ ich auch noch hin.

Du arbeitest doch heimlich bestimmt schon an deinem ersten Kinofilm?

In Gedanken schon. Angebote waren da, aber zum Glück hab ich alles abgelehnt. Die Sachen, die mit anderen gemacht worden sind – ich will lieber keine Namen nennen – sind alle Flops geworden. Das wußte ich vorher, weil ich die Drehbücher gelesen hatte. Eine eigene Fernsehshow könnte ich sofort machen. Aber diesen Streß hab ich mir erspart. Da finde ich es viel besser, immer nur als Gast aufzutreten. Dann freuen sich die Leute, und du bist wieder weg. Du kannst dein Niveau meiner Meinung nach nicht halten, wenn du gezwungen bist, dir jede Woche eine neue Show einfallen zu lassen. Ich kenne keinen, der das wirklich geschafft hat. Loriot mal ausgenommen.

Selbst ein mittelmäßiger Rüdiger Hoffmann wäre noch lustiger als schlechte, volksverblödende TV-Comedy.

Danke. Aber ich glaube nicht, daß Comedy die Leute verblödet. Die Leute, die auf so was stehen, sind einfach schon verblödet.