Runter mit den Spendierhosen: Für diese Die-Ärzte-Raritäten müsst Ihr tief in die Tasche greifen


Ein Brettspiel zum Selbstbasteln, Alben in Plüsch und Pizzakartons, Promo-Verarschungen und Auswege aus der Indizierungshölle: Keine andere Band legt sich so sehr ins Zeug, mit verrückten Veröffentlichungen die Fans zu begeistern – und in den Wahnsinn zu treiben. Denn einiges von diesem Zeug ist extrem selten und erzielt im Netz Höchstpreise.

DIE ÄRZTE – ME/SOUNDS FLEXI DISC (1986)

Viele Jahre vor dem „Tagesthemen“-Intro hatten Die Ärzte bereits ein mindestens so legendäres „Intro“ gesprochen: als Startpunkt für die ME/ SOUNDS-Beilage in Form einer einseitig bespielten Flexi-Disc. Zu hören ist jeweils rund die Hälfte von „Geschwisterliebe“, „Alleine in der Nacht“ und „Jenseits von Eden“. Nach den vielen Jahren knistert das hauchdünne Vinyl gemütlicher als jedes Kaminfeuer: Nirgendwo klingen Die Ärzte kuscheliger.

Mit großem Die-Ärzte-Special, Trümmer, Chvrches und Weezer: Der neue MusikÄxpress ist da!

13 ANTWORTEN VON DEN ÄRZTEN (1987)

Wieso, weshalb, warum? 13 vorgefertigte Antworten auf die erwartbarsten Journalist*innen-Fragen, von „da musste ihn mal selber fragen“ über „man darf den Singular und Plural nicht durcheinanderbringen“ bis zu „kein Kommentar“. Verteilt in den Redaktionen auf einer einseitig bespielten Kassette. Wer so ein Ding besitzt oder findet: Auf Discogs werden 500 Euro dafür aufgerufen!

Von „Hell“ zu „Dunkel“: Wer braucht heute noch Die Ärzte?

„ZU SPÄT“ (HIT SUMMER MIX’88) (1988)

Die Ärzte als Hit-Jukebox: Bevor auf der 12’’-Maxi eine fulminante Live-Version von „Zu spät“ startet, spielen sie die Knaller der Sommersaison 1988 an: „When Will I Be Famous“, „Tell It To My Heart“, „I Should Be So Lucky“, „Kiss“ (88 Hit in der Version von Tom Jones). Höhepunkt im Finale: Der Übergang von „Zu spät“ zu „Blueprint“ der Rainbirds (Die Ärzte machen „Shoeprint“ daraus), bei denen damals ein gewisser Rodrigo González die Gitarre spielt.

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DER RITT AUF DEM SCHMETTERLING (1988)

Bonus-Single der ersten Auflage der Dreifach-Live-LP, dem ersten offiziellen Konzertmitschnitt der Band. Zu hören ist die Instrumentalversion des indizierten „Geschwisterliebe“. Die Ärzte schweigen, das Publikum singt. Obwohl sie es doch gar nicht sollten. Tssssss. Vorteil der Beilage: Droht auch der Mitsingversion der Index, lässt man die Single einfach weg. Tatsächlich fehlt sie ab der zweiten Auflage.

AMIGA QUARTETT (1989)

Kurz vor der Wende noch schnell eine DDR-Veröffentlichung? Check! Vier Hits auf sieben Zoll, Coverdruck: VEB „Ernst Thälmann“, Gotha.

Die Ärzte :: Dunkel

1, 2, 3, 4 – BULLENSTAAT! (1995)

Vinyl-EP, zu haben am Merch-Stand: Die Ärzte deutschen Wire ein (aus „12XU“ wird „Lest die Prawda“), spielen Lieder von den Früh-Deutschpunks Hass, Buttocks oder Rotzkotz, rotzen ihren „Paul“ ins Nichtschwimmerbecken. 2001 folgt die Fortsetzung „5, 6, 7, 8“ als eine Art „Punk-Domain“-Projekt, das auf zwei Spezial-Labels als LP veröffentlicht wird. Ein YouTube-Punk jedoch sieht die Sache kritisch und formuliert im schönsten Behördendeutsch: „Das Thema ‚Bullenstaat‘ ist wohl bei Slime besser berücksichtigt.“

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ROCKGIGANTEN VS. STRASSENKÖTER (1996)

Die Ärzte covern die Terrorgruppe und umgekehrt: Die Split-Single dokumentiert eine Begegnung auf Augenhöhe, wobei Die Ärzte dem Terrorgruppe-Stück „Namen vergessen“ genau das „Ballroom Blitz“-Intro verpassen, nach dem der Song schon im Original geschrien hat.

INVASION DER VERNUNFT (1999)

Eine Beilage des Live-Albums WIR WOLLEN NUR DEINE SEELE, zusätzlich veröffentlicht über die Homepage als File-Giveaway nach dem Adventskalenderprinzip. Geboten werden die gesammelten Sprüche zwischen den Songs. Farin verhaspelt sich, Bela spricht über die „finnische Penispumpe“ – und alles johlt.

RUNTER MIT DEN SPENDIERHOSEN, UNSICHTBARER! (2000)

CD und LP stecken in einer blauen Plüschtasche, aus der sich in Windeseile eine quadratische Krümelmonster-Edition machen ließe. Das Cover der Single „Wie es geht“ ist nach einem Medium gestaltet, das 2000 noch schwer angesagt ist: der CD-Rohling.

Die Ärzte trinken Toten-Hosen-Bier im Video zu „Tresenkraft“

MONSTERPARTY – DAS BRETTSPIEL (2002)

Wenn derjenige gewinnt, der als Erstes in den Sarg des Grafen kotzt, dann spielt man ein Brettspiel der Marke Die Ärzte. Jemand übernimmt Dracula, die anderen drei seine Gegenspieler Bela, Farin und Rod. Es beginnt eine Art „Vampir, ärgere dich“, auf Ereignisfeldern begegnet man der fetten Elke, Sweet Gwendoline und der Bestie in Menschengestalt. Erhältlich ist das Spiel im Bademeister-Bonus-Bereich, die vielleicht größte Herausforderung: mit Download-Bastelbogen sowie Schere und Kleber das Spiel selbst zu basteln.

SO SIEHT GERÄUSCH AUS (HÖRT SICH ABER ANDERS AN!) (2003)

Wieder mal ein Promo-Gag: Ein vermeintliches Vorab-Exemplar des neuen Albums, zu hören gibt’s aber keine Songs, sondern 13 Stücke lang Applaus pur.

BÄST OF: DIE ÄRZTE (2006)

Light Metal: Der Singles-und Raritäten-Überblick auf die zweite Karrierephase ab 1993 steckt in einer silbernen Blechbox. Das „ä“ ist ausgestanzt, die Papphüllen für die zwei CDs sowie das Booklet bieten den Buchstaben in verschiedenen Farben: Grün, Blau, Rot, Gelb, Weiß – alles funktioniert, die beste Option natürlich: schwarzes „ä“ auf schwarzem Grund.

RUHE BITTE, RUHE BITTE (2006)

Für die Tour 2003/2004 erstellten Die Ärzte für jede Station ein eigenes Intro. Für Köln, München und Berlin, aber auch für Alsfeld, Losheim und Emden. Zu finden sind die 54 Files im Bonus-Bereich der Bademeister-Page.

JAZZ IST ANDERS (2007)

Wieder einmal legt die Band in der Promo-Phase eine falsche Fährte: „Jazz isst anders“ lautet der Titel der Vorab-Exemplare, auch die Tracklist wird kulinarisch umgedeutet. Beim finalen Produkt wird aus „isst“ das „ist“, was bleibt, ist der Pizzakarton als Verpackung. Die Vinyl-Version spielt die Möglichkeiten voll aus: Die Picture-LP zeigt auf der Oberseite den saftigen Belag, auf der Unterseite den knusprigen Boden. Die Bonus-EP besitzt ein Tomaten-Design.

JAZZ IST ANDERS (ECONOMY) (2007)

Exklusiv auf der Tour zu haben: Die „Economy“-Version mit Billo-Anmutung. Der Druck zeigt eine Pizza ohne Tomate, leicht angebrannt. Auch die Musik ist anders: Zu hören gibt es Proberaumversionen und Selbstparodien. Die „Economy“-Idee leihen sich Die Ärzte vom Comiczeichner Fil, der für einen Band seiner Serie „Didi & Stulle“ eine Budget-Version veröffentlicht hatte: farblos auf billigem Papier, weniger detailgenau gezeichnet und mit den (vermeintlich) schlechteren Gags.

AUCH (2012)

Die Vinyl-Edition des Doppelalbums ist inspiriert vom Design alter Brettspiele vom Flohmarkt, in der Schachtel befindet sich neben den zwei LPs auch die CD, die in der Hauptsache als Glücksrad für das ebenfalls beigelegte Gesellschaftsspiel funktioniert. Endlich eine sinnvolle CD-Verwendung!

SEITENHIRSCH (2018)

Das diskografische (Zwischen)-Vermächtnis, erstellt von Richard Weize, einem der weltweit besten Vermächtnisverwaltern des Rock’n’Roll. Fünf Kilo wiegt das Kompendium der Gesamtkarriere bis 2018, zu Hause im Regal braucht der Schuber ähnlich viel Platz wie das Gesamtwerk von Umberto Eco – und der hat verdammt dicke Bücher geschrieben.

KLAUS, PETER, WILLI & PETRA (2020)

Bootleg-Hamster sind bei großen Acts zumeist so beliebt wie ein Magen-Darm-Infekt kurz vor einer langen Zugfahrt, Die Ärzte handhaben das anders: Schon wenige Wochen, nachdem die Bootleg-Sammelstelle „Kill Them All“ 2000 an den Start gegangen war, entdeckte die Band die Community und unterstützte sie. Die Idee: besser eine gute Seite als Wildwuchs. Zum 20. Geburtstag schenkten Die Ärzte den Machern einen exklusiven Download-Track, die Proberaum-Version des Fan-Favoriten „Klaus, Peter, Willi & Petra“, für ein paar Wochen die erste Aufnahme des Stücks (bis es in anderer Version auf der Single „Bielefeld“ erschien).

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Diese Übersicht erschien zuerst in der Musikexpress-Ausgabe 10/2021 – auf der Die Ärzte auf dem Titel zu sehen sind und die mit einer limitierten Flexi Disc daherkommt.