S-Klassig


Jahrelang war sie die kleine Schwester S. des großen Rödelheim Hartreim Projekts. Jetzt ist Sabrina Setlur alt genug, den eigenen Schlitten zu steuern. Ihre aktuelle Platte im Kofferraum, startet sie mit der neuen S-Klasse voll durch.

„Geiles Auto“, lacht Sabrina Setlur durch die elektrisch herunterfahrenden Sicherheitsscheiben, „irre viel Platz und ’ne Heizung auf allen vier Sitzen!“ Sabrina hieß früher nur „S.“, Vorname: „Schwester“, und sie hat nach ihrem 1995er Albumdebüt ‚S. ist soweit‘ (Hitsingle? ‚ja klar‘) soeben mit ihren Entdeckern und Förderern Moses Pelham und Thomas Hofmann (alias Rödelheim Hartreim Projekt) ihr erstes echtes Soloalbum fertiggestellt, ‚Die neue S-Klasse‘.

Sabrina klettert aus der neuen S-Klasse, die ME/Sounds ihr für diesen Tag besorgt hat, und versucht zu erklären, warum sie nicht mehr die Schwester sein will. Das ist durchaus erklärungsbedürftig, denn offiziell existiert bei ihrer alten Plattenfirma noch immer das Musikprojekt „Schwester S.“ – allerdings ohne Sabrina als Sängerin. Sie selbst firmiert (bei einer neuen Plattenfirma) nur noch als „Sabrina Setlur“ unter dem Projektnamen „Die neue S-Klasse“. Die Ex-Schwester ist „total froh, dieses alte Projekt abgeschlossen zu haben, weil ich keinen Bock mehr hatte, nur diese kleine, süße, niedliche Schwester der Jungs zu sein, letzt stehe ich mit meinem Namen im Mittelpunkt.“

Die „Jungs“ – das sind ihre Co-Rapper Thomas Hofmann und Moses Pelham mit seiner Produktionsfirma „3p“ (Pelham Power Productions) und der Produzent/Songschreiber Martin Haas, die als Trio auch die musikalischen und geschäftlichen Fäden der neuen S-Klasse ziehen.

Text: Peter von Stahl Fotos: Helmut Werb Moses begrüßt uns an der Pforte der Rödelheimer „3p“-Villa, sieht den S 500 vor der Tür und freut sich schon darauf, die Mercedes-Anlage später ein wenig kitzeln zu dürfen: „Wir hatten schon für unser ‚Zurück nach Rödelheim‘-Album die Listening-Sessions mit den Leuten von der Plattenfirma in einer Flotte von dicken Mercedessen veranstaltet. Der beste Weg, mit unserer Musik in Kontakt zu kommen, ist wenn man sie höllisch laut auf einer guten Autoanlage abhört – da kann keiner weglaufen, und man ist nicht von iooo anderen Sachen abgelenkt.“

Pelham streicht sich sein schwarzes Böhse Onkelz-Shirt über dem wohlgenährten Produzentenbauch glatt und führt uns hinter das Haus zum Parkplatz des Hartreim-Headquarters. Seine Brust wölbt sich voller Stolz noch ein paar Zentimeter weiter vor, als er liebevoll über den dunklen Metallic-Lack seiner Karre streichelt. Pech gehabt – erstens ist es keine S-Klasse, und außerdem könnten wir in seiner Schleuder ohnehin nur zu zweit fahren: „Ich bin ein Spielkind, und deshalb mußte ich mir dieses Spielzeug kaufen“, erklärt er seine sechszylindrige Obsession-den Porsche Carrera S4.

Immerhin zeigt Moses auch im Protz noch Realitätssinn: Während unser Leih-Benz auf 235er-Reifen steht, hat Pelham seinem Carrera (zumindest vorne) nur 2O5er-Schlappen aufgezogen. Aus der S-Klasse-Anlage dröhnt der Song ‚Damals‘ von Sabrinas S-Klasse-Album: „Damals rollte T. im Alfa, P. und ich Suzuki/ heute fahr’n wir S-Klasse, und die lungs, die damals Chucki-posend in ihrem 3er waren, sind die, die heute noch 3er fahren.“ Sabrina steigt hinten in den Benz ein, kuschelt sich in die weichen Lederpolster, dreht die Sitzheizung auf und erzählt von damals: „Damals hatte der Thomas wirklich einen Alfa, Moses hatte einen Suzuki-Jeep, und ich bin das Auto meiner Mutter gefahren. Und diese Strophe in ‚Damals‘ handelt einfach davon, wie wir damals in diesem Sommer mit diesen Autos durch die Gegend gefahren sind.“ Wenn man mit 23 Jarhen von ‚Damals‘ spricht, kann das so lange nicht ¿¿ ~ zurück-……“

(auto, motor & spaß) liegen. „Dieser Sommer“ war 1990, als die 16jährige Sabrina Setlur noch nicht mit ihren heutigen Jungs durch die Gegend gefahren ist, sondern mit Jungs, die ihr zu verstehen gaben, daß sie schon „rappen könnte, wenn ich wollte/und eigentlich nur ein bißchen lieb zu ihnen sein sollte“ (aus ‚Damals‘).

„Das waren alle möglichen Vollidioten“, erinnert sich Sabrina mit Grausen, „die sich gedacht haben: Diese kleine Schlampe werden wir uns schon zurechtschnitzen.“ Kurz darauf traf sie die Jungs vom Rödelheim Hartreim Projekt. Zu denen mußte sie nicht lieb sein, fuhr ein paar Sommer lang im Suzuki mit und rappte dort so lange lauthals zu Dr.

Dre’s ‚G-Thang‘, bis Moses auf die Idee kam, Sabrina mal testweise einen Rap-Vers im Studio singen zu lassen: „Am Anfang habe ich Texte abgeliefert , gesteht sie, „die echt zum Kotzen waren. Aber ich habe immer mehr gelernt, ehrlich über das zu schreiben, was ich fühle und denke.“ Und dafür eignet sich Rap – auch in deutscher Sprache – mindestens genau so gut wie gesungene Rock-Verse. Vielleicht sogar noch besser, denn beim Sprechgesang muß keiner mit dem Duden unter dem Arm vor dem Mikro stehen. Im freien Umgang mit der Sprache fand Sabrina in Pelham den besten Lehrvater der bekannte schon im Songtext seines RHP-Hits ‚Höha, Schnella, Weita‘ lakonisch: „Moses P. ist der Chabo, der schmeißt/mit Verben, Adjektiven, mir egal, wie der Scheiß heißt.“ Aber was ist ein „Chabo“? Sabrina weist den Chauffeur (im Moment: Moses) an, ein Stückchen in den Taunus rauszufahren. Der Kickdown drückt uns in die Sitze, während die neue S-Klasse nach Worten ringt: „Mit der Sprache auf der Platte ist das so eine Sache – wir reden, wenn wir unter uns sind, jeden Tag so. Manchmal komme ich abends nach Hause und denke, ich bin völlig gaga. Schon, als wir mit ‚S. ist soweit‘ auf Promotour gegangen sind, haben wir ständig Sachen wie ‚Chabo Chai Bup Chi‘ rausgelassen, und alle haben sich gefragt, was das für eine Sprache ist.“

Zeit für einen Fahrerwechsel. Wir steuern den nächsten Parkplatz in der rheinhessischen Taunusprovinz an, Sabrina findet unter den fünf Knöpfen für die elektrische Fahrersitzsteuerung zielsicher sofort den richtigen – und läßt sich samt Sitz sanft in Richtung Lenkrad ziehen. Sofort gibt sie Gummi, daß die 320 Schwabenpferdchen vor Beschleunigungslust aufwiehern. Moses findet endlich Zeit, das versteckte Fach in der Armaturentafel aufzunesteln. Scheint eine Ablage für die Sonnenbrille zu sein. „Oder für das Koks“, albert Pelham. Sabrina dagegen findet die Rundumsicht „ziemlich geil. Ich komme mir vor, als würde ich im LKW sitzen. Man sitzt viel höher als in anderen Autos.“ (wie z.B. Porsches oder Ferraris…). Vor allem fühlt sich Sabrina in dem Zweitonner „völlig sicher. Auch mit der dicken Verglasung – da kannst du Leute andissen, aber die können dir die Scheiben nicht einschlagen!“

Ein sehr pragmatischer Ansatz, denn Sabrina disst auf dem S-Klasse-Album wieder frech und frohgemut ihre deutschen SprechgesangKollegen an – was im Falle der Fantastischen 4 allerdings eher nach dem kleinen Neid auf die vier Schwaben klingt, die sich auch eine XL-Klasse leisten könnten, wenn es sie denn gäbe. Sabrina winkt ab: „Ich kenn‘ mich bei deutschsprachigen Bands wirklich zu wenig aus. Mit den Fantas sind das einfach so dahingerappte Wortspiele, die entstehen, wenn ich mit Moses herumblödele.“ Wesentlich schärfer geht es da schon zur Sache, wenn sie in dem Songtext des Album-Openers ‚Teil III* S-klassig über DJ Donald Ducks kleine Rap-Nichten herzieht:

Spielt da der nackte Neid die erste Geige? „Zunächst ist das natürlich ein Spaß. Aber wenn du siehst, wie sich so eine Scheiße verkauft, dann kommt logischerweise Neid auf. Ich bin mir sicher, daß die ihre Texte nicht selber schreiben.“ Sabrina drückt das Gaspedal wutentbrannt bis zum Anschlag durch. Persönlich kennt sie Tic Tac Toe zwar nicht, immerhin habe sie aber „die Dicke von den dreien schon mal kennengelernt.“ Und die quillt jetzt weiter? „Weiß ich nicht. Vielleicht hat sie inzwischen ja abgenommen.“

Bei all dem branchenüblichen Hickhack sollte man nicht aus den Augen verlieren, daß dieses Klappern natürlich zum Geschäft gehört. Schließlich geht es hier nicht um rivalisierende Jugendbanden, sondern um Wort-Bälle, die sich die Rap-Protagonisten sehr zur Freude ihrer jeweiligen Fans gerne gegenseitig zuwerfen. „Wir haben natürlich persönlich gar nichts gegen die Fantastischen 4“, mischt sich erstmals unser dritter Mitfahrer, Rapper und Produzent Thomas Hofmann, ins Gespräch. „Die gibt’s halt einfach, und es gehört zur Pop-Art, daß sie auch in unseren Texten erwähnt werden. Bei Tic Tac Toe kommt neben dem Neid noch dazu, daß es etwas anderes ist, über sich selbst zu rappen, als nur die Dr. Sommer-Seite aus der BRAVO in Kinderversen zu vertonen.“ Jetzt kommt der bekennende Jeep-Fahrer Thomas richtig in Fahrt: „Der Unterschied ist nur: Wir sehen uns nicht als Entertainer. Natürlich realisieren wir, daß wir zum Entertainment dazugehören. Aber deshalb müssen wir noch lange nicht unsere Fresse in jede laufende Kamera halten.“ Vielleicht haben sie auch nur nicht so viele Anfragen aus dem Pickelcreme-TV? „Wir lehnen das meiste ab“, braust Thomas auf. „Sabrina macht ja auch keine Homestories für BRAVO, beim Kochen in ihrer Küche und solchen Scheiß.“

Zurück im Rödelheim läßt Sabrina noch einmal die 235er-Schlappen über die Kieseinfahrt der Hartreim-Villa kratzen. Den S 500 müssen wir nachher wieder zurückgeben und Sabrina wird in ihrem „weiß nicht, es ist ein blaues Auto“ nach Hause fahren. Irgendwann vielleicht wird die neue S-Klasse ihren eigenen Stern auf der Haube haben, sie wird mit „ihren Jungs“ durch Frankfurt fahren und dazu wird der Vers des Songs ‚Rödelheim‘ aus der Autoanlage dröhnen: „Das is‘ die S-Klasse, und ihr seid die Pandas.“