Sag bitte weiter „„Hallo!“ zu ihnen!


Die Zwischenbilanz von Deach Cab For Cutie ist eine Erfolgsbilanz: dank geradezu spektakulärer Chartspositionen (in USA auf Platz vier der Billboard-Charts eingestiegen), einer Nominierung für einen Grammy (für das beste „Alternative Music Album“, neben Arcade Fire, Beck, Franz Ferdinand und The White Stripes) und ausverkaufter Konzerte in so ziemlich aller Welt. Seit der Veröffentlichung von Plans und dem Telefoninterview, das wir im letzten August mit ihnen führen durften, haben sich einige Vorzeichen für Death Cab For Curie verändert.

Über das Album mag Ben G ibbard, Sänger, Songschreiber und Kopf der Band, dann auch noch kaum reden, als wir ihn am Nachmittag ihres Konzerts in München treffen. Alle diesbezüglichen Fragen beantwortet er zurückhaltend, höflich und knapp, kommt dann aber schnell in Fahrt, wenn es um den Status und die Sicht anderer auf seine Band geht. Reflektiert spricht er von Widersprüchen, denen des Erfolgs und der eigenen. Völlig auflösen kann er sie nicht. Doch beginnen wir von vorn …

PLANS ist das – je nachdem, ob man das 1997 von Gibbard mehr oder weniger im Alleingang auf Kassette aufgenommene und später wiederveröffentlichte YOU CAN PLAY THESE SONGS W1TH CHORDS mitzählt – fünfte oder sechste Album des Indie-Rock-Quartetts, das ursprünglich aus Bellingham, einer Kleinstadt etwa 100 Meilen nördlich von Seattle, stammt. Auf dem Kleinstlabel Barsuk Records beheimatet, galt die Band seit ihren Anfängen als Inbegriff der aufrechten, durch ausufernde Touren den Ruhm stets mehrenden, von Kritikern geliebten und eingeschworenen Fanzirkeln verehrten Indie-Band.

Wie konnte ausgerechnet diese Band einen Vertrag (u. a. nach Zwischenstarion hierzulande bei Grand Hotel van Cleef) bei einem Major-Label unterschreiben? Sollte die Entwicklung ähnlich verlaufen wie bei diesem anderen Quartett, das vor rund 20 Jahren ebenfalls von ihrer Kleinstadt auszog, um mit aufrichtigem College-Gitarrenrock die Welt zu erobern? Mal etwas provozierend gefragt: Sind DCFC die neuen R.E.M.? „Ich weifinicht, ob wir jemals so erfolgreich sein werden wie sie“, geht Gibbard auf den Vergleich ein: „Grundsätzlich hätten wir versuchen können, weiterhin einfach nur eine Indie-Band auf einem Indie-Lahel zu sein, aber vor circa zwei fahren haben wir gemerkt, daß wir zwar bestimmt niemals so einflußreich wie R.E.M. sein würden, aber daß unser Weg vielleicht ähnlich verlaufen könnte, wenn wir es denn wollten. Und seitdem wir das Label gewechselt haben, läuft alles sehr gutfiir uns. Ich bin sehr glücklich darüben daß ich nie mehr beschissene HilfsJobs annehmen muß. Ich möchte durch Musik meinen Lebensunterhalt verdienen, und ich finde, wir haben uns diesen Erfolg auch verdient.“

Soweit keine Einwände. Den Erfolg von PLANS will Gibbard allerdings nicht durch den Labelwechsel erklärt wissen – vielmehr sei die Band „organisch „gewachsen. „Gerade in den Staaten gibt es viele Fans, die in diese Band auf aufregende Weise viel Liebe investiert haben. Und anders hätte ich es auch gar nicht gewollt. Nicht so wie die Arctic Monkeys, die ein Album gemacht haben, bei dem jeder total verrückt spielt. Ich frage mich, ob die Leute auch infünffahren in diese Bands investieren werden.“

Die Band als Partner in einer langjährigen Beziehung, der sich diese Treue verdient hat durch Nähe und Kontakt zu den Fans. Bei allen „Ich hebe meinen Erfolg!“-Schwüren kommt Gibbard während des Gesprächs immer wieder auf die Wichtigkeit dieses Punktes zu sprechen, schwärmt von den Bands, die er in seiner Jugend bewunderte, Helden, die „regelmäßigenlobs nachgingen, ihr Equipment selbst abbauten undin Lieferwagen durchs Land tourten „. Im Herzen wünsche er sich, daß „die Leute uns als eine Band betrachten, zu der man ,Ha\o‘ sagen kann „. Das gestaltet sich jedoch nicht mehr so einfach wie früher, da „die Mehrheit der Konzertbesucher schon vollkommen ausflippt, wenn sie uns nur sehen.“

Eine weitere Schattenseite des Erfolgs sind in Gibbards Sicht allerdings auch die Reaktionen von Langzeit-Fans und Indie-Puristen, die ihre Band nicht an den „Mainstream“ verloren sehen wollen. „Menschen benutzen Musik, um ihr Anderssein zu definieren „, sinniert er: „Aber sich nur darüber zu definieren … Wir haben vor kurzem der New York Times ein Interview vor Fans gegeben, und da war dieser Junge – ungefähr ig der meinte: ,Bei eurer Show sind mir viele Leute aufgefallen, von denen ich l^^BNW FOTO MAX VON TREU glaube, daß sie eure Band vor Plans bzw. O. C. California nicht kannten. Wie denkt ihr darüber?’Was er von mir hören wollte, war etwas in der Richtung: ,Yeah! Scheiß auf diese Leute! Du bist ein richtiger Fan! Die anderen kennen uns nicht wirklich.‘ Ich habe das nicht gesagt, aber bei mir gedacht:.Und wann hast du unsere Band entdeckt? Vor zwei, drei Jahren? Macht dich das zu etwas Besserem?‘ Es gibt keinen .richtigen’Weg, Musik für sich zu entdecken. Die Tage sind vorbei, in denen man auf Musik aufmerksam wurde wie ich Anfang der goer: Irgendjemand stiehlt ein Tape seines Bruders, bringt es in die Schule mit und sagt: ,Hör dir das unbedingt mal an! Das ist cooll’Undes ist schlichtweg egal, ob es auf diese Weisepassiert oder ob du Musik durch Radio, Magazine oder eine TV-Serie entdeckst. Es ist lächerlich, uns wegen O. C. California nicht zu mögen.“

Womit wir bei einem weiteren Thema wären, das zu kontroversen Diskussionen, nicht nur unter Fans, geführt hat. Kein noch so kleiner Artikel über die Band kommt ohne eine – meist verächtliche – Erwähnung der Teenager-Soap aus. Nicht von ungefähr berichtet auch eine Konzertbesucher-Stimmen sammelnde Radio-Kollegin von einer kleinen Gruppe schätzungsweise löjähriger, die erzählten, daß sie alle „nur wegen O. C. California“ hier gewesen sind, Tatsächlich wußten Death Cab For Cutie zuerst gar nicht davon, daß sie durch Bandposter in den Kulissen und regelmäßige Erwähnung durch Seth Cohen ein fester Bestandteil der Serie sind. Die Obsession der schüchtern-intelligenten Death Cab For Sale haben gute Gründe, mit großen Bandnamen um sich zu werfen: Ihr eigenen ist kein kleiner mehr. Jetzt geht es vor allem darum, wie man es nicht macht.

Hauptfigur ist auf die Begeisterung für DCFC von Josh Schwanz, dem Schöpfer von O. C. California, zurückzuführen. Inzwischen-nach einem Gastauftritt seiner Band in der Serie – sieht Gibbard auch dieses Phänomen gespalten: „Einerseits glaube ich ja, daß die Serie hier in Europa eine größere kulturelle Signifikanz hat als in den Staaten. Zumindest für uns. Sicher hat uns das geholfen, aber wir hatten ja schon vorher einen Namen. Auf der anderen Seite bekommen dort viele unbekannte Bands, die nicht im Radio oder auf MTV gespielt werden, ein gewisses Forum. Zur gleichen Zeit kann das ganze auch ziemlich nervend sein, vor allem, weileinige Leute behaupten, nur aufgrund der Serie würde es bei uns so gut laufen. Wenn wir Interviewsgeben und sich die erste Frage gleich um O.C. California dreht, weiß ich, daß es einfürchterliches Interview wird.“

Dann lieber noch eine unverfänglichere Frage: Wie ist es, den eigenen Produzenten (Gitarrist Christopher Walla, der u. a. auch für Nada Surf arbeitete) in der Band zu haben? Grundsätzlich „angenehm“, beteuert Gibbard, ein Nachteil sei allerdings, daß Chris weniger Zeit zum Spielen habe und deshalb die nächste Platte sicher mit einem externen Produzenten aufgenommen werde. Und schiebt einen Widerspruch nach bzw. liefert den Beweis dafür, daß der Erfolg die Band offensichtlich doch nachdenklich gemacht hat: Bei unserem letzten Gespräch hatte Gibbard noch betont, daß DCFC nicht die Band sei, „die verrückte, experimentelle Musik macht, wir versuchen nicht, irgendwelche Grenzen zu überschreiten „. Jetzt soll das nächste Album aber doch „ambitioniert“ sein und – man höre und staune „weniger erfolgreich … vielleicht“, wie Gibbard lachend erwägt. Man wolle sich lieber „in Richtung Pink Floydund TalkTalk“ entwickeln, statt etwa Songs im Stil von „Shiny Happy People“ zu schreiben. Oder es so machen wie U2, mit denen gibt es laut Gibbard nämlich ein Problem: „Warum machen die nicht mal etwas total Abgefahrenes?! Sie könnten das tun. Trotzdem machen sie immer nur die gleichen Platten wie früher. Nun gut, deren Status haben wir noch lange nicht erreicht, aber ich finde, die kreative Herausforderung zu suchen, ist wichtiger als alles andere!“ >»www.deathcabforcutie.com -*