Satin Whale


Die einen schaffen's auf Anhieb, die anderen kommen über 500 müde Mark pro Gig und vielleicht 1000 inclusive an die weitläufige Verwandtschaft verkaufte Scheiben nicht hinaus. Wär's das mit dem Deutschrock? Nein, denn ein paar wenige werden es noch packen - wenn's sein muß mit der Brechstange. Die Kölner Satin Whale, die der ME vor genau einem Jahr erstmals vorgestellt hatte, setzen jetzt zum Brechen an.

Thomas Brück, Sänger, Bassist, Produzent, Komponist, Arrangeur, unter Umständen auch noch Ingenieur, Chauffeur und Friseur der vier rheinischen Wale sieht die Situation seines Ensembles angesichts der eher wolkigen denn heiteren Plattenumsätze ganz besonders profilike: „Wir machen anscheinend die falsche Musik für den deutschen Markt.“ Messerscharfe Schlußfolgerung des Marktanalytikers: „Wir werden den Trend der letzten LP „As A Keepsake“ weiter fortsetzen und ausbauen.“ Das nimmt sich im Brück’schen Kalkül so aus, daß die Band fortan Durchgängigeres, also leichter Verdauliches zum Konsum anbieten will. Kolossalwerke, versehen mit 39 Taktwechseln, haben ausgedient, knappere Songs, frei von überflüssigem Ballast, sind angesagt.

Bei dieser durchaus positiven Entwicklung bleibt dennoch der Nachgeschmack, daß hier ein abgebrühter, streng nach Marketinggesichtspunkten agierender Bandleader am Werke ist. Aber wie dem auch sei, der hanseatische Plattenkonzern Teldec, heute leicht verstaubt und überwiegend aller Supergruppen ledig, setzt unvermindert große Stücke auf die Jungs um Brück. Für den Herbst langt der einstmals so mächtige Konzern gleich mit drei Scheiben hin, um das Kölner Quartett endlich in den Charts wiederzufinden. Zunächst wird in den Plattenläden unter der Rubrik „S“ die neue Studioproduktion der Wale wiederzufinden sein. Wenig später, falls alles planmäßig verläuft, schwillt das Plattensortiment weiter an: Die Filmmusik des Kinostreifens „Die Faust in der Tasche“ unter der Regie von Max Willutzki stammt von Satin Whale. Der Soundtrack wird parallel zur Premiere des Leinwandwerkes, das Jugendarbeitslosigkeit und andere Jugendprobleme zum Inhalt hat, veröffentlicht. Schließlich und endlich verbündete man sich schon vor geraumer Zeit mit Hans Clarin. Clarin, seines Zeichens ausgebildeter Sängerknabe, besingt und bespricht eine ganze Reihe von Kinderplatten, die den Kleinen, rechtzeitig zu Weihnachten, neue Märchen bescheren. Das Bonbon für die Boulevardpresse wird gleich frei Haus mitgereicht, denn den kompositorischen Part übernahmen zwei rüstige alte Damen, die in Köln bereits in der Lokalpresse großformatig gefeatured wurden. Indem obendrein noch eine Rockgruppe, eben Satin Whale. ihre Ideen arrangiert und produziert, ist der Werbe-Effekt perfekt!

Sollte allerdings auch dieses Aktionsbündel wirkungslos bleiben, wird erst einmal Ratlosigkeit im Büro der Satin Whale einkehren. Was dann? Erneuter, diesmal markanterer Stilwechsel als Ausweg? Satin Whale setzt sich, gemessen an der deutschen Szene, aus vier höchst qualifizierten Instrumentalisten zusammen, die jeder für sich Erstaunliches zuwege bringen, aber die langwierige Suche nach dem sinnvollsten oder erfolgversprechendsten Stil läßt erkennen, daß man mehr auf Marktanteile spekuliert denn mit Leib und Seele hinter dem steht, was man produziert. Das sicherste Erfolgsrezept ist eben nach wie vor, das zu spielen, womit man sich selbst am ehesten identifizieren kann.

Der seidene Wal besitzt, obwohl man sich über die Wegrichtung noch nicht völlig einig ist, soviel Substanz, daß die vier Herren schon momentan einen Großteil der sich nach wie vor in überfrachteten Sinfonien ergehenden deutschen Gruppen an die Wand spielen würde. Auf „Whalecome“ der diesjährigen Live-LP, fetzten sie zum Beispiel in unvergleichlicher Manier „Liltle Sixteen“ herunter. Auch der gute alte Berry hätte seine Freude daran gehabt. Sie hören es gerne, wenn man sie mit Supertramp vergleicht. Kann man ja auch, aber ist es unbedingt notwendig. Gruppen vor Augen zu haben, an denen man sich über ein bestimmtes Maß hinaus orientiert?