Schäferstündchen


ME/Sounds: Die Piraten erwirtschaften gerade mal 2,5 Prozent des Gesamtumsatzes der Plattenindustrie, und nur fünf Prozent der Piratenware sind reine Fan-Bootlegs. Warum schlagen Sie sich mit solchen Peanuts herum? Schaefer: Mich stört die Verlogenheit: Man dreht einem Fan für viel Geld etwas an, was einen selbst fast nichts gekostet hat, und macht damit Hunderte von Prozent Gewinnspanne. Ich finde, wenn einer verdienen soll, dann der Künstler. Und nicht einer von diesen Typen, die sich CDs für 2,50 Mark anfertigen lassen und im Selbstvertrieb dann 40 Mark dafür einstreichen. ME/Sounds: Einige Künstler haben nichts gegen Bootlegs, sondern fordern ihre Fans vielmehr dazu auf, die Konzerte mitzuschneiden. Schaefer: Sammler-Bootlegs wird es auch in Zukunft sicher immer geben. Wenn es sich um echte Sammlerstücke handelt, ist es sicher auch oft so, daß diese Stücke neben allen anderen legalen Produkten des Künstlers im Schrank stehen. Es gibt aber zwei Argumente, gegen solche Bootlegs vorzugehen: Zum einen muß der Künstler auch wirklich bestimmen können, welche Aufnahmen von ihm erscheinen (und nicht erst im Nachhinein zustimmen) und zweitens frage ich mich: warum, verdammt noch mal, darf ausgerechnet ein Dritter damit Geld verdienen? ME/Sounds: Die Käufer jedenfalls scheint kein besonders ausgeprägtes Unrechtsbewußtsein zu plagen. Schaefer: Wir leben in einer Welt, in der das Nichtkörperliche, der reine Inhalt also, alles dominiert. Der reine Materialwert eines Walkman zum Beispiel ist verschwindend gering. Der Preis kommt erst durch das Know How, die Erfindung zustande. Gleiches muß auch für die Musik als geistiges Eigentum gelten. Ein Brötchen kann auch nur gebacken werden, weil man den Bäcker bezahlt. Das kapieren auch langsam die Behörden: Wenn jemand bei einem Wohnungseinbruch 5.000 Mark erbeutet, ist das genauso ungesetzlich, wie wenn geistiges Eigentum an Musik für 5.000 Mark gestohlen wird. ME/Sounds: Bei den aktuellen Dj-Mixen läßt sich oft gar nicht mehr ausrechnen, wessen Rechte in welchem Ausmaße verletzt wurden. Schaefer: Der Disco-Mix-Bereich rutscht leider immer weiter in die Piraterie ab. Leider, denn hier ist der kreative Eigenanteil des Piraten vergleichsweise am größten. Hier finden wir massiv echte Kreativität bei dem, der da sampelt und mixt. Man muß sich da schon die Frage stellen: Können die Leute nicht irgendwie die Rechte bekommen, die sie brauchen? Das ist aber praktisch nicht leicht in den Griff zu bekommen. ME/Sounds: Das Puzzlen ist elementarer Bestandteil der Jugendgegenwartskultur. Neue Kunstwerke entstehen und zerfallen sofort wieder. Ein aktueller Bootleg-DJ-Mix klingt innerhalb weniger Wochen schon völlig überholt. Lohnt es sich da noch, dagegen vorzugehen? Schaefer: Auch hier geht es wieder vor allem um die Geschäftemacher. Die unternehmen noch nicht einmal den Versuch, die Rechte anzufragen. Doch ohne Zustimmung der Berechtigten ist so etwas schlicht und einfach nicht zulässig. Damit muß man sich abfinden. ME/Sounds: Die Alternative ist, daß es solche Platten gar nicht mehr geben darf. Schaefer: Man kann ja zumindest probieren, die Lizenzen zu bekommen, selbst wenn man dann ein paar Kompromisse eingehen muß. Das Sprayen von Hauswänden ist sicher auch ein etablierter Bestandteil der Jugendbewegung. Aber es ist und bleibt illegal. ME/Sounds: Ein wesentlicher Teil unserer optischen Gegenwartskultur wäre sicher in ganz anderen Bahnen verlaufen, wenn man Anfang der Achtziger Jahre sämtliche Graffiti-Sprayer auf einen Schlag erschossen hätte… Schaefer: Das ist sehr polemisch! Trotzdem – Kreativität zu dem Preis, daß die Rechte anderer verletzt werden, kann ich nicht akzeptieren. ME/Sounds: Die Techno-Bewegung macht kaum noch einen Unterschied zwischen Produzenten und Konsumenten der Musik. Urheberrechte sind demnach immer komplizierter aufzudröseln. Eines schönen nahen Tages wird Musik als Internet-Shareware wettweit vertrieben. Hinken Sie dieser Entwicklung nicht meilenweit hinterher? Schaefer: Damit müssen wir leben. Recht kann nur ein so genau wie möglich erarbeiteter Wachsabdruck des Lebens sein. Das Leben entwickelt sich aber immer schneller als das Recht.