Schattenboxen, neue Runde
Ich habe die Faxen dicke und werde dem Wettbewerb damit endgültig das Maul stopfen“, sagte VIVA-Chef Dieter Corny (46) im Frühjahr und meinte die frischen Millionen aus dem Börsengang, mit denen er den Rivalen MTV in die Schranken weisen wolle. MTV-Chefin Christiane zu Salm (33) hielt prompt dagegen, sie werde VIVA als „reinen Musikvideosender“ hinter sich lassen, die „nächste Entwicklungsstufe zünden“ und „neue Maßstäbe für die Popkultur setzen“. VIVA und MTV beharkten sich im Kampf um die Vorherrschaft im Musikfernsehen 2000 härter als je zuvor. Den Anfang machte Sumner Redstone, Boss des Viacom-Konzerns und damit auch von MTV-Geschäftsführerin zu Salm. Im Februar wurde er beim nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Clement vorstellig, versprach Millionen und erwirkte dafür die Genehmigung, aus Köln Spartenprogramme zu senden – damit wilderten die Amerikaner ausgerechnet im Revier von VIVA, das bisher von Nordrhein-Westfalens lizenzgebenden Politikern kräftig gepäppelt worden war. Dieter Gorny konterte mit dem Börsengang und einer umstrittenen Werbekampagne, wobei zwischen den gespreizten Beinen eines Mädchens der Rat „Kauf mich!“ zu lesen stand. Mit dem neuen Kapital zielte VIVA auf nichts Geringeres als die „weltweite Expansion“. Nicht einmal einen Angriff auf die USA, wo MTV noch konkurrenzlos schalten und walten kann, mochte Gorny mehr ausschließen: „Aber nur mit kräftigen Partnern vor Ort.“
Der Stellvertreterkrieg fand dafür in Polen statt: VIVA Polska startete im Juni, einen Monat später sendete auch MTV Clips und Videos aus Warschau. Gorny konterte, 2001 werde es regionale VIVA-Programme auch aus Spanien, Italien, Ungarn und den Niederlanden geben, ätsch. Derweil holte sich das MTV-„Prinzesschen“ (Gorny über zu Salm) ihr nötiges Kapital vom amerikanischen Mutterhaus -verwenden will sie’s für verstärkte Spielfilm- und Cartoon-Produktionen.
Und weil es nicht nur ums Prinzip, sondern auch um das Geld der Werbekunden geht, ließen sich beide Sender in verschiedenen Studien als Marktführer feiern: MTV verwies auf Zahlen des Allensbach-Instituts, VIVA auf die Gesellschaft für Fernsehkonsum (GfK). Höhepunkt der Auseinandersetzungen war bisher die Zeitungsente, VIVA-Kamikaze-Talker Niels Ruf würde überraschend in den Dienst von MTV treten. Doch während Ruf bei seinem alten Arbeitgeber bleibt, fährt Christoph Schlingensief für den Konkurrenten MTV in Berlin U-Bahn. Der Kampf geht weiter – und von der ausgestrahlten Musik spricht schon lange niemand mehr.