Schrammel-Verräter


Schwefel macht jetzt alles anders. Für ihn ist HOT IN HONG KONG – die Platte, mit der er vor knapp zwei Jahren in die Indie-Hitparaden schoß — plötzlich ein „Ausrutscher“. Damals wurde er landauf/landab als Marc-Bolan-Reinkarnation gepriesen. Jetzt hat das Mannheimer Narbengesicht genug von der Leichenfledderei. Er hebt ab in Richtung LUNA MESSALINA. Wo die Monde leise kreisen, sind natürlich keine Hau-Rein-Dampfrock-Sachen mehr angesagt, dafür drückt Norbert Schwefel um so öfter aufs Computer-Knöpfchen. Die zweite LP von Schwefel klingt, als habe es den T-Rex-Clone nie gegeben: elegant tanzbare Beats, versponnene, gospelähnliche Instrumentierungen gemischt mit Rave-artigen Arrangements. Was sollen die alten Fans des Neo-Marc-Bolan alias Schwefel davon halten? „Tja, die haben mich eben mißverstanden“, reagiert der Eigenbrötler ziemlich kühl. Die elektronische Musik sei seit jeher viel mehr sein Ding gewesen und schließlich spiele er noch immer lieber die altbewährte Glam-Klampfe, denn den modernen Rave-Affen: „Das ist für mich eine ungeheuer kurzlebige Sache in der jetzigen Form. Nur Remixes, nicht besonders originell.“ Also keine prinzipielle Ablehnung, Schwefel will sich nur nicht dem Verdacht aussetzen, auf aktuelle Trends aufzuspringen. Trotzdem: Auf LUNA MESSALINA sind einige der gerade angesagten Elektro-Grooves zu finden, und Deutschlands Mega-Mixer Nr. 1, Westbam, hat die erste Single-Auskoppelung, „C-Control“, durch seine Maschinen gejagt. Schwefel will mit dem alten Düster-Image des Underground-Helden sowieso nichts mehr zu tun haben: Ja, das ist schon ein Abschied“, sagt er hörbar erleichtert, „ich konnte mit den alten Schrammel-Sachen noch nie viel anfangen.“