Schweinchen Dick


Die Welt kennt ihn als Black Francis, Front- mann der Indie-Stars The Pixies. Doch der dicke Mann hat sich eine neue Iden tität verpaßt und seiner Band den Totenschein ausge- stellt. Frank Black will er heißen und sein musikalisches Gewicht in Zukunft alleine in die Waagschale werfen.

Ich hatte die Schnauze voll von der Band, ich hatte das schon vor vor zwei Jahren verkünden sollen.“ Frank Black stöhnt auf und läßt zur Bekräftigung seine Mundbewegung in ein gelangweiltes Gähnen entgleisen. Frank Black? Vor nicht allzu langer Zeit verkaufte sich Charles Michael Kitridge Thompson noch als Black Francis, und das nicht direkt schlecht. Mit einer Band, die The Pixies hieß.

Nirvanas Kurt Cobain hat die Pixies unlängst als wichtigen Einfluß für seinen Millionengrunge heranzitiert, doch das war für das Quartelt aus Boston ohnehin ein sehr spätes Lob.

1986 gegründet, sorgten die Pixies schon mit der ersten Mini-LP „Come On Pilgrim“ für heftiges Rascheln im Musikblätterwald, ihr Debüt-Album „Surfer Rosa“ plazierte sich frech auf Platz eins aller Indie-Charts und das Jahr 1988 beendeten sie als Absahner aller Leserumfragen im Sektor alternative Musik. In den Folgejahren veröffentlichten die Pixies drei weitere Alben, „Doolittle“, „Bossanova“ und „Trompe le Monde“, die letzte Pixies-Platte, die Ende ’91 erschien.

Das Geheimnis ihres Erfolges wurde in dieser Zeit zur festen Institution. Ihr sich konstant perfektionierendes Soundkombinat aus brachialem Gilarrenlärm und euphorischer Popmentalität konnte keinen Kritker dazu bewegen, trotzig das Ende des Aufstiegs der Lieblings-Indie-Band der ausgehenden Achtziger Jahre auszurufen. Qualität setzt sich durch, langsam, aber sicher stiegen die Verkaufszahlen zu beachtlichen Summen, die Auftrittsorte wuchsen zu Festivalbühnen, vergangenes Jahr durften die Pixies in den USA im Vorprogramm von U2 auf Bonos ausdrücklichen Wunsch auch die Massen überzeugen. Und seit eineinhalb Jahren wartete die treue Fanwelt auf eine hörbare Fortsetzung des in seiner Kontinuität fast unspektakulären Siegeszugs der vier Krachmacher aus Boston.

Vorübergehender Trost kündigte sich Anfang ’93 an. Black Francis, der schwergewichtige Schreihals im Vordergrund der Pixies, der über die Jahre nie vergaß zu betonen, uneingeschränkter Alleinherrscher seiner Bandkumpanen zu sein, versprach ein Solowerk. Der Pferdefuß stolperte hinterdrein: Die Pixies, wurde offiziell verlautbart. gehörten damit der Vergangenheit an. Daß damit kein Plattenkäufer mehr einen Schein für eine neue Pixies-Platte ausgeben konnte, war nicht nur für dieselben eine Enttäuschung. „Mein Manager wäre mir fast ausgerastet, und erzählt mir natürlich wieder und wieder, daß ich gerade jetzt mit dieser Band richtig Kohle hätte machen können. Was ich für Vorschlisse abziehen könnte, etc. blablabla. Aber dann hätte ich noch mindestens zwei Pixies-Platten machen müssen, und dazu hatte ich einfach keine Lust.“ Sein unverschämt gelassenes Grinsen hat die Nerven finanzieller Nutznießer der ehemaligen Pixies mit Sicherheit in letzter Zeit bis auf die letzte Faser zermartert.

Auf dem runden zufriedenen Gesicht vermag nur ein Wort ein paar Zornfalten zu provozieren: Black Francis. „Sag das niemals wieder zu mir. Black Francis ist tot, die Pixies sind tot. Ich heiße jetzt Frank Black und mache mein eigenes Ding — basta.“ Die Sterbeurkunde hat er seiner Erfolgsband schon vor der Produktion der vorletzten Platte „Bossanova“ ausgestellt: „Das Ganze war für mich damals schon hinüber. Ich hätte soviel verändern müssen, um diese Band weiter zu machen. Andere Leute, andere Situationen, andere Lieder mußten her. Warum also nicht gleich alleine neu anfangen?“

Die ehrliche Konsequenz hat nicht nur sein geschäftliches Umfeld die Nerven gekostet, sondern seine ehemaligen Mitstreiter Kim Deal, Joey Santiago und David Lovering eine beträchtliche Einnahmequelle. Verlief die Gütertrennung der Pixies denn gütlich im gegenseitigen Einvernehmen? „Keine Ahnung, wir haben darüber nie gesprochen. Ich habe ihnen nur ein Fax geschickt mit der Mitteilung, daß ich die Band auflöse. Möglicherweise sind sie jetzt sauer, aber sie werden bald verstehen, daß es auch für sie das Beste ist.“

Der behäbige Mann hat die Ruhe weg und allen Grund dazu.“.Selftitled“. die Wiedergeburt des Frank Black im Alleingang, ist die beste Pixies-Platte. die es je gegeben hat. Ein Universum aus Punk. Folk, Wave und Sixties-Pop läßt seine frühere Welt des wohlstrukturierten Lärms fast klein erscheinen. Dabei halten Chronisten der Pop- und Rockgeschichte die Pixies bereits heute für eine der einflußreichsten Bands der letzten Jahre. „Haha, das finde ich sehr nett. Vielleicht stimmt’s ja. Aber ich kann das nicht beurteilen, ich habe mich nämlich noch nie mit aktueller Musik beschäftigt.“