Scissor Sisters – München, Zenith


Bist du boogiebar genug? Dann folgst du diesen unterhaltsam-schrillen Typen bis hinauf zum Mond.

Die, die zu Hause geblieben waren, weil sie a) diese Band nicht mögen, obwohl sie selbst zwarordentlich rock-, aber ziemlich unboogiebarsind, oder b) den soundfeindlichen Industrieklotz Zenith niemals als Konzertstatte akzeptieren werden, fragten danach vor allem eins: „Was waren denn für Leute da?“ Sekretärinnen, die nonstop Antenne Sonstwas im Büro laufen haben? Die fleißigsten Diskothekenbetänzer aus dem Umland? Männliche, offenkundig, weil offenherzig gleichgeschlechtlich Liebende? Vollständige Familienvan-Besatzungen, eingeschworene Fitnessclub-Crüppchen auf großer Fahrt, golden behangene Hühner mit kaum Fleisch dran auf soo hohen Hacken? ja, die waren alle da (und füllten dennoch das Zenith nur zu knapp zwei Dritteln). Aber auch einjungerSchlacks mit Sid-Vicious-T-Shirt, zwei dunkle Abgeordnete irgendeines geheimnisvollen Wavestamms (nach dem Nine-lnch-Nails-Gig vor 14 Tagen nicht mehr aus der Halle gefunden?) und ein paar versprengte Indiekids. die die Sisters bei ihrem Münchendebüt im Atomic Cafevoreinergefühlten halben Ewigkeitziemlich geil gefunden hatten … und jetzt trotzdem kommen und schauen wollten. Obwohl die Scissor Sisters in ihren Clubs und MP3-Player-Playlisten doch nurauf der Durchreise gewesen waren—schnurstracks hindurch und hinauf zum sog. Popolymp. Mit heavy Radio air play petting, großer ZDF-Tourpräsentation (die waren sogar schon bei „Wetten, dass…?“.‘), allem Drum und Dran. Und seien wir mal ehrlich: Auch wenn diese gut inszenierte Discokapelle aus New York City in dieser unwirtlichen Halle zeitweise klingt, als musizierte sie durch eine besonders blickdichte Strumpfhose hindurch, wird einem endgültig klar: Diese Band muss auf solch große Bühnen. Dort, wo geschätzte 69 Mouing Heaö Spots mit aberwitzig vielen Watt die in Varietefummel.Neopren-engen Maßanzügen und sonst einem so eigenwilligen wie eleganten Fummel beschießen, der offenbar naturveranlagt hyperaktive Kautschukmann JakeShears (laut Bühnenansage nur dieses einen deutschen Satzes mächtig: „Flirt deine Oma!“] raumgreifend zappeln und die künstlicher, abgeklärt agierende Ana Matronic (ihr deutscher Satz: „Spritz mir auf die Titten!“) wirbeln kann. Dort, wo der erklärte Pomp und Bombast, der unterhaltsame Wahnwitz dieser Überflieger in Lauflichttempo ausreichend Platz finden. Heute Zenith, morgen Olympiastadion, danach dann live auf dem Mond. Dass das (um einen Livekeyboarder erweiterte) Quintett nicht zuletzt ein beeindruckendes handwerkliches Können aufweist, Herr BabydaddyCitarrenlicks mit der Ceste allmächtiger Beiläufigkeit aus der H üfte schießt, Beine machende Bassläufe aus flinken Fingern in all unsere Becken fahren, dass es Backingbandanfragen von all den Timberlakes und George Michaels da draußen nur so hageln müsste. kriegt hier und jetzt kaum noch einer mit. Wegen der Euphorie, die jeden und alles ansteckt. Nach einer guten Stunde und allen Hits, die sie auf zwei Alben bereits versammelt haben, die aber zumeist erst live richtig zünden, hauen die Scherenschwestern schon Elton johns Pianoakkorde von „1 Don’t Feel Like Dancin“ in die Tasten. Und das ganze Zenith denkt sich gerade und -macht dann auch: das glatte Gegenteil. >»www.scissorsisters.com