Scorpions
Der "Wind Of Change" brachte auch ihnen einen zweiten Wind. Gefragt wie selten zuvor, begannen die Scorpions in Kopenhagen den zweiten Teil ihrer Europa-Tournee. "Und live", versprach Matthias Jabs vor dem Konzert, "sind wir keine Balladen-Berger, sondern eine Rock-Band aus echtem Schrot und Korn."
Mit dem Versprechen wollte er wohl nicht zuletzt sich selbst Mut machen. Immerhin hatte er, wie auch die anderen vier Kollegen, vor gut zwei Monaten das letzte Mal Bühnenluft geschnuppert und seitdem sein Instrument nur kurzer Blicke gewürdigt. Als „Warm Up“-Show, als Aufwärmrunde für das diesjährige, nahezu ausverkaufte Herbstmanöver der Scorpions also, wurde das Konzert in der dänischen Hauptstadt denn auch von allen Akteuren deklariert.
Doch die vielbeschworene Wärme, das Feuer, das man von Deutschlands Parade-Rockern sonst stets gewohnt ist. glich gleich zu Beginn eher einem Zündfunken, der nach kurzem Aufflackern sofort wieder zu verpuffen drohte. „Tease Me Please Me“. der fulminant vorgetragene Opener, zugleich aber schwächste Baustein ihres aktuellen Albums, ließ zwar noch hoffen, doch spätestens bei „Hit Between The Eyes“ verdarb der Soundbrei, der wie ein Dum Dum-Geschoß durch die unwirtliche Arena irrte, dem einen oder anderen Scorpion ganz gehörig die Laune.
Anmerken ließ es sich jedenfalls keiner von ihnen, es sei denn, man machte sich die Mühe und studierte das Mienenspiel von Gitarrist Rudolf Schenker etwas genauer: Ihm fiel’s wie Schuppen von den Augen, auf welches Wagnis sie sich da eingelassen hatten. Der Sound unter aller Kanone und dazu eine spärliche Illumination an drei Lichttraversen, die den Eindruck erweckten, als spiele hier eine Band zur Abschlußfeier einer Schulklasse auf. Nicht einmal seine gewohnt akrobatischen Einlagen konnten darüber hinwegtäuschen, daß gerade er vor Wut innerlich bebte und immer wieder wütende Blicke in die Runde warf.
Ob unter anderen auch Sanger Klaus Meine damit gemeint war, sei dahingestellt. Jedenfalls präsentierte der sich den Publikum in derart blendender Form, daß der Rest nur neidisch sein konnte. Beschränkte sich seine Kommunikation mit den Zuschauern bis dato vornehmlich auf ein herzliches „Hallo“, und die Ansage des
nächsten Songs, so ließ er an diesem Abend endlich einmal aJle Hemmungen fallen und erzählte zwischen den einzelnen Stücken munter drauf los. Auch in punkto Stimme gab’s nichts zu mäkeln, ganz im Gegenteil, bewahrte sein geschmeidiger Gesang gerade in den Balladen „Always Somewhere“ und „Still Loving You“ alle vor dem akustischen Chaos.
Das Glück ist bekanntlich mit den Tüchtigen und war wohl deshalb bei „Concierto In V“ (einem instrumentalen Intermezzo mit Schenker auf der Gitarre und Drummer Herman Rarebell an den Keyboards) sowie dem Instrumental-Klassiker „Coast To Coast“ auch einmal auf Rudolfs Seite. Ebenso wie der Stille im Bunde, Bassist Francis Buchholz, kostete er den berechtigten Beifall vor der Bühne sichtlich aus.
Die — wohl auch für die gesamte Band — größte Überraschung aber war die euphorische Resonanz der 4000 Zuschauer, die vom ersten Ton an wie ein Mann hinter der Band standen. Vor allem die meist weiblichen Teens in den ersten Reihen schmachteten Gitarist Matthias Jabs bis zur Zugabe mit dem unvermeidlichen „Wind Of Change“ unverdrossen an.
Von „Balladen-Berger“ sprach anschließend keiner mehr, dafür die Band aber um so heftiger über den Sound, den sie an diesem Abend wie eine Stecknadel im Heuhaufen hatte suchen müssen, aber nur selten fand.