Seattles Musikszene zum Sehen, Lesen und Hören


Bruce Pavitt und Jonathan Poneman, ihres Zeichens Gründer des längst legendär gewordenen ‚Sub Pop‘-Labels, waren die rechte und die linke Gehirnhälfte eines Kopfes, ohne den es die Grunge-Szene von Seattle so nie gegeben hätte. Die Ohren jenes Kopfes personifizierte der Produzent Jack Endino, die Augen stellte ein Fotograf namens Charles Peterson. Dieses nette Bild zeichnet der Nirvana-Bestseller-Biograph Michael Azerrad in seiner überaus lesenswerten Einleitung zu Petersons Bildband ‚Screaming Life. Eine Chronik der Musikszene von Seattle‘. Der fotografierende Veteran Peterson wird dem ambitionierten Untertitel seines Buches mehr als gerecht, denn er kann die Geschichte des Seattle-Rock buchstäblich aus der ersten Reihe erzählen – und das immerhin seit 1983.

„Was ich versucht habe, ist, die Musiker als Menschen auf der Bühne zu zeigen, so wie sich ihre Seele durch den Rock’n’Roll offenbart“, charakterisiert Charles Peterson selbst seine Arbeit. In strahlendem, kontrastreichem Schwarzweiß und mit einer ganz persönlichen Ästhetik, die das Bild von Seattle visuell weltweit geprägt hat, liefert ‚Screaming Life‘ über 110 ungeschminkte, kraftstrotzende Momentaufnahmen und das nicht nur von den mittlerweile etablierten Ikonen Nirvana, Soundgarden und Pearl Jam oder den bekannteren Acts wie Mudhoney, Mother Love Bone, Green River oder TAD. Auch halb und völlig vergessene Helden wie Feast, Fastbacks oder Monkeywrench werden ausgiebig gewürdigt.

Der Clou: Petersons Werk liegt auch noch eine hörenswerte CD-Compilation bei, die mit neun Stücken die Szene-Geschichte der Stadt im Nordwesten der USA umso lebendiger erzählt: Frühwerke von Nirvana, Mudhoney, den Screaming Trees und Soundgarden ergeben zusammen mit Stücken von Green River, TAD, Beat Happening, Seaweed und den Fastbacks einen homogenen, mehr oder minder repräsentativen Sampler. ‚Screaming Life. Eine Chronik der Musikszene von Seattle‘ erscheint im Hannibal-Verlag und kostet 50 Mark.