Self Aid
Welch spendenfrohes und musikalisches Volk sie sind, konnten sich die Iren auf einen Streich beweisen. Die Tore des RDS-Reiter-Stadions standen am 17. Mai für eine Wohltätigkeitsveranstaltung offen, die das größte musikalische Ereignis der grünen Insel markierte. Unter „holy“ Bob Geldofs Schirmherrschaft stand ein Spektakel zur Bekämpfung der bedrückenden Arbeitslosen-Rate in Irland, an dem die ganze Nation via TV, Radio oder Spendentelefon beteiligt war. Die bewährten „Live Aid“-Macher Mathews/ Boland sorgten gemeinsam mit der U 2-Road-Crew für eine beneidenswerte Organisation. Vor rund 40.000 Zuschauern holten sie alle irischen Größen auf die Bühne. Solche, die nach Amerika und das verfeindete England exportiert werden mußten — – und solche, die im Lande geblieben sind. Knapp 30 Formationen gaben 15minütige Kurz-Auftritte, darunter auch die adoptierten Iren Chris Rea und The Pogues.
Letztere, die ja angeblich „more Irish than the Irish themselves“ klingen, vereinten Alt und Jung der verschiedensten Fronten zum flotten Kelten-Pogo, während Frontsänger und Zahnpasta-Gegner Shane McGowan innerhalb der viertelstündlichen Live-Präsens drei Flaschen Bier, ein Glas Hochprozentiges und sieben Zigaretten konsumierte.
Rockpoet Chris De Burgh und Folklyriker Christy Moore stellten sich lediglich mit akustischer Gitarre auf die Bühne, wahrend Van Morrison (der nur neues Material spielte) und Elvis Costello alias Declan McManus mit kompletter Band und Backline die drehbare Bühne vollstellten. „Bottleneck“ Rory Gallagher demonstrierte Gesundheit und Frische, während Bob Geldof mit den Boomtown Rats sein denkwürdiges letztes Konzert gab.
Die beiden Bono Vox-Entdeckungen Clannad und Cactus World News waren sicherlich die Überraschungen des Festivals. Während Clannads Sängerin und Harfinistin Maire Ni Bhraonain das zerbrechliche „In A Lifetime“ zelebrierte, geschah allerdings etwas Unerwartetes: Bobby Geldof erschien auf der Pressetribüne, wurde entdeckt und von hunderten segnungssüchtigen Jünger(inne)n bedrängt.
Cactus World News konnten mit ihrem unverbrauchten Rock-Elan trotzdem alle Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Ihre Debüt-LP WORLDS APART hat bei den britischen Nachbarn für hohe Wellen gesorgt und wird sicherlich auch an unserer Republik nicht spurlos vorbeigehen.
Was aber wäre ein solches Rockathon ohne Klimax? Die übergroßen Helden des Abends waren natürlich U 2. In dem ohnehin schon potenziert-patriotischen Irland werden Bono & Co. nicht nur als „wundervollste Rockband der Welt“ gehandelt: sie sind Allgemeingut, ein Stück des nationalen Selbstwertgefühls und Stolzes, the Lords of Eire. Es ist unbeschreiblich, was los war, als sie „In The Name Of Love“ auf die Bühne marschierten. Es gab kein Halten mehr. Bonodoom in Dublin. Ein Volksheld hatte seine Gefolgschaft von der ersten Sekunde an fest im Griff. Mit Indianer-Mähne und brauner Wildlederfransen-Jacke strotzte er vor Energie und bewies mit seiner Band wirkliche Größe, als sie „Come On Everybody“ coverten und ein Potpourri aus „Maggies Farm“, „Old‘ McDonald Had A Farm“ und „Cold Turkey“ zusammenstellten. Natürlich durften sie überziehen und lieferten „Bad“ als Zugabe, um dann zum endgültigen Finale überzuleiten.
Hier wurde schließlich der bislang wohl bedeutendsten irischen Rocklegende gedacht, dem verstorbenen Phil Lynott. Seine ehemalige Begleitband intonierte — – unterstützt von Gitarrero Gary Moore -— die Thin Lizzy-Klassiker „Rokky“, „Don’t Believe A Word“ und natürlich „Whiskey In The Jar“, wozu alle Musiker des Tages auf die Bühne zurückkehrten und dem großen Songwriter, Drogensüchtigen und Nationalhelden Lynott die letzte Ehrung erwiesen. Mr. Geldof, Mr. Vox, Paul Brady und Chris de Burgh unterstützten gesanglich und stimmten im Anschluß zur Hymne des denkwürdigen Ereignisses an, zu „Make it Work“, dem Motto-Song des Tages. Denn die Spendenergebnisse bewiesen, daß Künstler bei sozialen Problemen durchaus als Öffentlichkeitsarbeiter eingesetzt werden können. Umgerechnet 1.6 Millionen Mark und 13(1(1 neue Jobs konnten durch Seif Aid verbucht werden. Die Iren dürfen weiterhin Stolz zeigen.