Shootingstar: Ryan Adams


Die Platte des Monats – immerhin ist es seine eigene – nimmt er nur mit einem gemurmelten „Wow, great!“ zur Kenntnis. Als nächstes fragt er aber, wesentlich lebhafter: „And The White Stripes? Did they make it as well in your magazine?“ Und blättert neugierig in den Plattenkritiken des MUSIKEXPRESS. Typisch für den 27-Jährigen aus North Carolina: Der Mann interessiert sich zunächst mal für Musik. Für Kollegen, die er bewundert, und für die junge amerikanische Songwriter-Szene, der er selbst angehört. Danach kommt lange nichts, und dann vielleicht Mädels (von denen er jede Menge zu Herzen gehende Lieder singt).

Nicht die Äußerlichkeiten sind es, die ihn um treiben. Trophäen sind ihm schnurz. Woran er gut tut, gilt das strubbelige Riesentalent doch als derzeit heißester Anwärter auf den Titel „neuer …….“

(Dylan/Springsteen/Young/Cobain – bitte den geschätzten oder unter Alteisen sortierten Artisten einsetzen). Womit wir gleich einen wichtigen Aspekt des auf allen Medienkanälen grassierenden Adams-Fiebers ausgemacht hätten: die überraschend breite Akzeptanz, hinweg über alle Altersschranken und erstaunlich viele musikalische Genres. Selbst der hippe „Spiegel“ singt inzwischen Ryans Loblied. Auch der „Rolling Stone“, die Flimmerkisten-Popper von MTV, ja selbst vereinzelte Radioredakteure haben den neuen Stern am Songwriterhimmel entdeckt. Sie alle zusammen jubilieren: die Zukunft des Rock’n’Roll, Gram Parsons‘ Wiedergänger und Kurt Cobains Bruder im Geiste – all das soll der schmächtige Sänger aus North Carolina sein. Nicht schlecht für einen Jungen vom Lande. Selbst wenn wir das alles nicht allzu ernst nehmen und auf ein vernünftiges Maß relativieren, bleibt festzuhalten: Ryan Adams ist ein verdammt begabter Songwriter, hat ein todsicheres Händchen für große Melodien und eine Gesangsstimme, die gleichermaßen das Herz wärmt wie sie unter Tausenden wieder erkennbar ist. Überdies schafft er instinktiv den Spagat zwischen Old School-Rockerattitüde und jugendlich-lakonischer Coolness. Obendrein ist er unverschämt produktiv. Kurzum: Die darbende Industrie hätte sich einen neuen Helden nicht besser selbst malen können. Entsprechend taten- (und dollar-)durstig stürzt sich jetzt alles auf den musikalischen Hoffnungsträger.

Macht einen derlei Medienlärm und erdrückende Plattenfirmenliebe nicht völlig verrückt? Der so Gelobte hängt völlig zusammengesunken im Sofa einer kaum beleuchteten, allenfalls vom fahlen Dezemberlicht dürftig erhellten Hamburger Hotelsuite.