So beeinflussen afroamerikanische Rhythmen von damals die Popmusik von heute


Aus Spirituals entstand der Gospel, dann entwickelte sich Jazz. Heute hören wir Neo-Soul, auch Techno – beeinflusst von der afroamerikanischen Kultur.

Afroamerikanische Musik findet ihren Ursprung in einem grausamen Teil der Menschheitsgeschichte und gilt als Grundstein für den Jazz, Soul und Blues, woraus wiederum Funk, Disco und Techno entstanden. Inwiefern Einflüsse der afroamerikanischen Kultur von vor einigen hundert Jahren den Weg in unsere heutige Musik gefunden hat, zeigt Euch dieser beispielhafte Querschnitt durch die vergangenen Jahrzehnte Musikgeschichte.

Achtung: Die Einflüsse sind so vielfältig und zahlreich, dass sich dieser Artikel auf einige wenige wichtige, wegweisende und außergewöhnliche Genres beschränkt.

African-American Spiritual

All die Musik, die wir heute über unsere Lautsprecher erklingen lassen, all der Techno, Grunge und Hip-Hop haben eines gemeinsam – so unterschiedlich genannte Genres auch sein mögen: Den Grundstein für die heutige Popmusik und dementsprechend auch die Musik, die bereits vor 50 Jahren im Radio auf- und ablief, legten deportierte Afroamerikaner, die unter entwürdigenden, grausamen Bedingungen als Sklaven auf südamerikanischen Feldern schuften mussten. Dort wurden Worksongs gesungen, die aufgrund des fließenden Übergangs zwischen Alltagsleben und Religion schnell ihren Weg in die Kirche fanden. Der Gospel entsteht, das Call-Response-Prinzip wird zum wesentlichen Bestandteil der afroamerikanischen Musik.

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Spiritual fand seinen Zweck auch als Kommunikationsmittel: Es gab viele Aufstände, die meisten blieben erfolglos und endeten oft blutig. Doch die Gegner der Sklaverei organisierten sich: Das Netzwerk „Underground Railroad“ entstand. Um Informationen zu übermitteln, wurden Codes für Fluchtwege, Helfer und Schutzhäuser festgelegt. Die wiederum wurden in Musik und Texten verflochten – und fanden so ihren Weg von Feld zu Feld, Kirche zu Kirche. Die lebensrettenden Informationen machten die Runde. So konnten zwischen 1810 und 1850 etwa 100.000 Sklaven befreit werden.

Bebop

Um 1900 wurde dann der Jazz geboren, der Swing wurde zum größten Subgenre – bis der Bebop kam. In den 40ern des vergangenen Jahrhunderts griffen Musiker zum Instrument und erschufen eine Musikrichtung, die nicht mehr dazu geeignet war, Melodien leise mitzusummen, sich gar Melodien zu merken. Die Komplexität grenzte an Unmenschlichkeit, gleichzeitig an Virtuosität. Bebop wirkt oft hektisch, es gibt zahlreiche Improvisationen und Soli, ein einziges Chaos, das gemeinsam eine fantastische Komposition ergibt. Wichtige Vertreter sind Art Blakey an den Drums, Dexter Gordon am Tenor-Saxofon und Charles Mingus am Bass und an den Tasten.

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Boogie-Woogie

Oft ist es schwer, die genaue Entstehungsgeschichte eines Musikgenres festzustellen. Dem Boogie-Woogie wird nachgesagt, dass er erstmals in texanischen Juke Joints – Kneipen, in denen an Afroamerikaner ausgeschenkt wurde – erklang. Dort gab es damals nämlich zahlreiche Arbeiter, die am Eisenbahnbau in den Südstaaten beteiligt waren. Dementsprechend gelten die stampfenden Sounds der verwendeten Maschinen und später Lokomotiven als einflussreich.

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Funk

Tanzwütige gaben irgendwann Soul, Jazz und R’n’B in einen Pott und erschufen den Funk. Plötzlich tollten Jugendliche zu einem schnellen Beat über die Tanzflächen des Untergrunds. Aus dem Bebop wurden komplexe Rhythmen übernommen und ein furioser Bass erteilt dem musikalischen Gebilde die Grundlage, fast schon Daseinsberechtigung. James Brown gilt als der Urvater des Funk, später kamen unter anderem Parliament, Funkadelic sowie Earth, Wind & Fire hinzu. Außerdem: Sly & The Family Stone traten nicht nur auf dem legendären Woodstock-Festival auf, sondern belegten mit „Family Affair“ auch das Siegertreppchen der Charts.

https://www.youtube.com/watch?v=3fZBaPS_XvQ

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Disco

Der Rhythmus, der die meisten Disco-Songs prägt – genannt 4-on-the-floor – beschreibt nicht nur den einfachen 4/4-Takt, sondern auch die mitreißende Wirkung, die die Musik auf das diverse Publikum hatte. Seit Mitte der 60er-Jahre gab es Diskotheken, doch zunächst war es gleichgeschlechtlichen Paaren in New York verboten, miteinander zu tanzen. Nach den einschneidenden Stonewall-Riots, denen noch immer jährlich mit dem Christopher Street Day gedacht wird, wurde das Tanzverbot endlich aufgehoben. In Folge dessen eröffneten zahlreiche Schwulenclubs. Dort und auf David Mancusos legendären Loft-Partys, die schnell als Geburtsort und Keimzelle des New Yorker Disco galten, legten DJs tanzbaren Rock der damaligen Zeit auf, Funk und Phillysoul – und eben auch Disco.

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Hip-Hop

Nicht nur finden sich im Hip-Hop Elemente, die es schon eine ganze Weile vorher in weiteren Genres, die aus der afroamerikanischen Kultur entstanden sind, gab, auch verlieh Hip-Hop jungen Rappern endlich eine Stimme. In den 70er-Jahren entstand in afro-, latein- und hispanoamerikanischen Ghettos ein ganz neuer Sound – geprägt von Scratching, Beatmatching und Toasting. Aber besonders das Sampling bringt den Respekt und die unübersehbare Verbindung zu den musikalischen Vorfahren des Hip-Hop zum Ausdruck.

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Neo-Soul

Wenn Soul seine Wurzeln in der vielfältigen afroamerikanischen Kultur findet, dann trifft das – logischerweise – auch auf den Neo-Soul zu. Hierbei handelt es sich um ein Subgenre, das sich abseits aller Normen des R’n’B neu formierte und Grooves andersartig kombinierte, mit ihnen experimentierte. Jazziger R’n’B wurde mit Elementen des Hip-Hop und Politik verflochten. Wichtige Vertreter sind D’Angelo, Maxwell und die großartige Erykah Badu, deren 1997 erschienenes Album BADUIZM einschlug und – neben anderen Alben – dem Neo-Soul zum kommerziellen Erfolg verhalf.

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Techno

Techno – jene elektronische Tanzmusik, die (nicht nur) Deutschlands Hauptstadt zum Erbeben bringt. Die Frage nach der Verbindung von Techno zur afroamerikanischen Kultur und der zahlreichen, daraus entsprungenen musikalischen Genres lässt sich ganz leicht beantworten: Nicht nur beeinflussten Kraftwerk den ursprünglichen Techno ungemein, auch flossen Elemente ein, die im Funk zu erkennen sind. The Belleville Three, bestehend aus Juan Atkins, Derrick May und Kevin Saunderson, gelten als die Pioniere des Techno, genauso wie Detroit als die Geburtsstätte angesehen wird und Kraftwerk zu den wichtigsten Einflüssen zählt.

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Natürlich unterscheidet sich die ursprünglich als Klagelieder auf Feldern gesungenen und mit Sklaven-Ketten geschlagenen Rhythmen musikalisch stark vom Techno, von der elektronischen Tanzmusik, zu der wir heute im Nachtleben ausrasten. Und trotzdem trägt der Techno – wie alle Musikgenres, die im vergangenen Jahrhundert erschaffen wurden – das Erbe der Spirituals, des Soul und Jazz weiter.