So war es bei Tomorrow x Together in Berlin: Klaus Schulze gefällt das

Am Donnerstag gab die K-Pop-Band TXT ihr Live-Debüt in Deutschland in der Berliner Uber Arena.


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TXT sind direkte Labelkollegen von BTS und nicht zu Unrecht eine der erfolgreichsten Boybands der K-Pop-Welt – das bewiesen sie mit einer Show, an der Publikum und Band gleichermaßen Spaß hatten. Daniel Koch war für uns vor Ort.

OK, mein Titel ist vielleicht ein wenig der Versuch, die ausgecheckten, älteren ME-Abonnent:innen in die bunte Welt des Gen-Z-K-Pops zu ziehen. Aber es ist halt auch irgendwie sweet, dass Bandmember Taehyun den kompletten zweiten Akt der Live-Show in einem Shirt bestritt, auf dem in großen Lettern stand: „LISTENING TO KLAUS SCHULZE LIFE BEGINS“. Ob der 23-jährige Koreaner den Komponisten, Vorreiter der elektronischen Musik und Produzenten von Ideal und DIN A Testbild wirklich kennt, sei mal dahingestellt. Aber der leider 2022 verstorbene Klaus Schulze hätte vermutlich Spaß daran gehabt, dass nun ein Haufen junger K-Pop-Fans seinen Namen googlet, vielleicht bei dem dunklen Instrumentalstück „Ruins“ landet und feststellt, dass das auch gar nicht so weit entfernt ist von so manchem TXT-Intro oder -Remix.

Tomorrow x Together in der Uber Arena in Berlin
BIGHIT MUSIC ( Courtesy of BIGHIT MUSIC ). BIGHIT MUSIC ( Courtesy of BIGHIT MUSIC ).

Die Basics zu Tomorrow x Together

Einige Tage vor dem ersten Deutschlandkonzert von TXT fragte mich mal wieder jemand, warum ich eigentlich immer wieder zu diesen K-Pop-Shows gehe. Der Musikjournalist in mir sagte darauf so etwas wie: „Es ist nun mal eines der spannendsten und erfolgreichsten Pop-Phänomene der letzten Jahre. Es ist meine Pflicht, darüber zu berichten und die Hintergründe zu verstehen.“ Klang fürchterlich seriös und abgeklärt. Als ich dann aber beim dritten Song des Konzerts breit grinsend auf die Bühne schaute, kam mir die ehrlichere Antwort in den Sinn: „Weil K-Pop-Konzerte einfach einen Riesenspaß machen!“ Zumindest, wenn sie so ablaufen wie der TXT-Gig in Berlin.

Tomorrow x Together (TXT) sind eine K-Pop-Band der vierten Generation und bestehen aus fünf jungen Männern Anfang zwanzig namens Soobin, Yeonjun, Beomgyu, Taehyun und Hueningkai. Sie debütierten 2019 und wurden vom vielleicht erfolgreichsten Player im millionenschweren K-Pop-Game gecastet: Bang Si-hyuk, Chef von Big Hit Entertainment (heute HYBE Labels) und Entdecker von BTS.

Die handlich betitelte Welttournee „TOMORROW X TOGETHER WORLD TOUR ‚<ACT : PROMISE> – EP. 2“ (die langen Tour- und Songtitel müsste man ihnen noch mal austreiben) ist bereits ihre dritte – aber die erste, die sie auch nach Europa führt. Ihr offizielles Fandom heißt „MOA“, eine Abkürzung für „Moments of Alwaysness“, was die Gesamtheit der Zeit beschreiben soll, die TXT mit ihren Fans verbringen können. Klingt kompliziert und ein wenig konstruiert, aber so macht man das im K-Pop eben. Und – das spürt man auf Konzerten wie diesem: Die Fanliebe ist real. Aber so was von!

TXT in der Uber Arena in Berlin

Der gutsitzende K-Swag

Kaum war das Intro-Video vorbei rauschte dieser ohrenbetäubende Ekstase-Lärm irgendwo zwischen Jubeln, Kreischen und Johlen durch die Uber Arena. TXT setzten auf einen recht simplen Bühnenaufbau: Eine Plattform im Publikum, auf dem sie den Großteil der Show verbrachten und drei riesige LED-Leinwände. Aber das passte gut zu ihrer Show: TXT, bzw. HYBE, konnten schon immer eindrucksvolle Visuals, und die knallen auf diese Weise besonders gut. Die Zwischenfilme nach den einzelnen Showblöcken waren fast allesamt Kinomaterial. Auch wenn sie zu 50 Prozent aus Gesicht-Shots auf Soobin, Yeonjun, Beomgyu, Taehyun und Hueningkai – die Thirst Traps der K-Pop-Stans …

Der erste Teil der Show war dann auch gleich einer der stärksten. TXT besannen sich dabei auf das, was nur Idols haben: den gutsitzenden K-Pop-Swag. Den erkannte man schon beim ersten Betreten der Bühne. Wie ein perfektes Bandfoto standen sie erst im Bühnennebel, schritten dann Seite an Seite voran, mit dem diesem auf Jahre trainierten Swag, der zwar nicht angeboren sein mag, aber vielleicht gerade deshalb wirkt. Man kann und muss natürlich immer wieder über die Härten der Idol-Ausbildung in Korea sprechen, aber das Totschlag-Argument, diese Performances seien irgendwie kalt, weil in dieser Kultur offen über das Training gesprochen wird, das in ihnen steckt, ist einfach Bullshit. Hier ruft jede geschmeidige Körperbewegung, jede hochgezogene Augenbraue, jeder Schritt, jeder Griff an das gutsitzende Sakko: „Ich bin ein Performer!“

Text in der Uber Arena Berlin
BIGHIT MUSIC ( Courtesy of BIGHIT MUSIC ). BIGHIT MUSIC ( Courtesy of BIGHIT MUSIC ).

Mehr Highlights als Hänger

Songs wie „Over The Moon“, „0X1=LOVESONG (I Know I Love You)“ und „Sugar Rush Ride“ (TXTs akustische Thirst Trap) zelebrierten TXT im Stile klassischer Boybands. Sie alle trugen gutsitzende schwarz Anzüge, sangen live und tanzten dabei besonders ausgecheckte und abgestimmte Choreografien, die immer wieder fast augenzwinkernde Elemente hatten – zum Beispiel, wenn sie ein Bandmember hochleben lassen oder wie Dominosteine umfallen. Dabei waren sie fast perfekt „in sync“ und hattn trotzdem sichtbaren Spaß: Sie grinsten, warfen sich dramatisch in ihre Vocalparts und schäkerten bei all dem trotzdem noch mit den Kameras und dem Publikum.

In den gut zweieinhalb Stunden, die folgten gab es dann mehr Highlights als Hänger. Als eigentliche Indie-Nase kann ich an dieser Stelle unter Eid versichern, dass TXT viele Songs haben, die auch dem Musikexpress-Publikum gefallen dürften. Das cheeky „Good Boy Gone Bad“ zum Beispiel, das pop-punkige „LO$ER=LO♡ER“, oder der alternative Pop der Ballade „Anti-Romantic“, die zurecht vor einigen Jahren ein TikTok-Hype war. „Quarter Life“, eine Hymne auf die „Quarterlife Crisis“, fühlte ich ein wenig zu sehr, obwohl meine Life Crisis schon eher „Mid“ wäre. Aber die Gen Z, die um mich rum mitsang, fühlte auch schon, was TXT da meinen.

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Wie sich das gehört, bekam auch jedes Member einzeln seine „time to shine“. Hier überraschte vor allem Hueningkai mit einem ziemlich eindrucksvollen Drumsolo. Überhaupt wirkte er manchmal, als hätte er gerne eine Emo-Punk-Band als Side Hustle. Musikalisch war es Yeonjun, der bei den Solos am meisten punktete. Er spielte seinen Rap-Banger „GGUM“ und gab kurz die Rampensau: Sprang von der Bühne, klatschte das Publikum ab, ließ die Fans aus der ersten Reihe mitrappen.

Das einzige, was man der Show vorwerfen kann, ist, dass die Dramaturgie manchmal etwas off wirkte. Die ersten Sektionen waren sehr tight und eher länger, danach wirkte es manchmal etwas zerstückelt, wenn nur zwei Songs gespielt wurden und dann schon wieder ein Videozwischenspiel kam. Auch die Ansprachen hätten etwas, nun ja, kompakter sein können. Bei K-Pop-Shows gehört es sich natürlich so, dass jedes Idol immer wieder mal Worte an das Publikum richtet, aber TXT überrissen es manchmal ein wenig. Andererseits: verschmitzt sympathisch waren sie auch da.

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So schickten TXT also nach gut zweieinhalb Stunden ihr sehr sweetes, sehr leidenschaftliches Publikum glücklich nach Hause – was eigentlich bei fast jeder K-Pop-Show in dieser Größenordnung passiert. Vielleicht ein weiterer Grund, warum ich immer wieder da hingehe …