ME-Helden

Soft Cell: In Sodom brennt noch Licht

Wir bringen euch unsere ME-Helden näher, die so viel mehr als „Tainted Love“ zu bieten haben.


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Soft Cell bedienten sich hemmungslos bei allem, was die 70er-Jahre hergaben, und erschufen damit die schillerndste Variante des 80er-Pop: Disco und Provokation, Elektronik und Erregung, Glitter und Glam, Cabaret und Northern Soul. Ganz nebenbei machten sie die Maxi-Single zum Massenprodukt, drehten sie einen Videoclip, der bis heute zensiert ist, erfand Dave Ball Acid-House und sang Marc Almond mit dem Mann, dessen Stimme er als Junge unter der Bettdecke hörte.

Man darf sich Marc Almond als einen der größten Popfans der Welt vorstellen. Was auch an seinen jungen Eltern liegt: Sandra Mary Diesen und Peter John Almond aus Southport sind selbst noch Teenager, als sie 1957 ihr erstes Kind bekommen. Die ersten Jahre verbringt Almond bei seinen Großeltern. Als er zehn Jahre alt ist, zieht er mit seinen Eltern und seiner jüngeren Schwester nach Yorkshire, in die Gegend von Leeds. Zu Hause läuft rund um die Uhr Pop. Die Beatles und die Stones. Vor allem aber Radio Caroline, die gerade erst gegründete Piratenstation, die nur deshalb nicht illegal ist, weil sie von einem Boot sendet, das sich außerhalb aller nationaler Gerichtsbarkeit befindet. Das Konzept: Das Zeug spielen, das beim Monopolisten BBC keine Chance hat. Schon bald erhält Almond von seiner Mutter ein erstes eigenes Transistorradio. Es ist seine Schatzkiste.

Es gründen sich weitere Piratensender, bei einem, Radio London, arbeitet ein DJ namens John Peel, der Lust hat, seine Hörerschaft in immer neue Klangabenteuer zu verstricken. Almond liebt dessen Shows, verehrt die Musiker, die er spielt. Denn wenn Peel sie spielt, dann müssen sie ja cool sein: Jethro Tull, Fleetwood Mac mit Peter Green, Deep Purple, Free, Van Der Graaf Generator. Bald darauf kommt bei dem jungen Marc die visuelle Ebene ins Spiel: Zusammen mit seiner Mutter schaut er sich die britischen Musiksendungen im Fernsehen an, betrachtet staunend Marc Bolan von T. Rex, David Bowie, Scott Walker. Was da alles geht! Was Pop alles kann!

„Ich habe Pop schon immer geliebt“, sagt er bei einer Begegnung in London vor gut zwei Jahren. „Nicht deshalb, weil Pop etwas für mich definiert hat. Sondern weil Pop alles möglich macht. Alles kann Pop sein. Sogar ich.“ Sogar dieser nervöse Typ aus dem Norden Englands, der sich schon früh vornimmt: Wenn ich schon Popsongs schreibe und singe, dann sollen diese von allem handeln, was das Leben hergibt. Und das ist halt oft deutlich schmutziger und hässlicher, als andere Pop-Acts das glauben machen wollen.

Almond studiert an der Leeds Polytechnic-Hochschule Performance-Kunst unter Jeff Nuttall, einer zentralen Figur der britischen Counterculture, der behauptet, Kunst dürfe keinerlei Rücksicht auf die ästhetischen Empfindungen der Masse nehmen. Almond spielt in Bühnenstücken mit, über die ein Kritiker einmal schreibt, dies sei „eines der nihilistischsten und deprimierendsten Stücke gewesen, die ich je zu sehen bekommen habe“. Ein Urteil, das Almond stolz macht. 1977 begegnet er an der Hochschule David Ball. Ein deutlich weniger nervöser Mensch mit einem unglaublich guten Gespür für elektronische Popmusik. Die beiden gründen das Duo Soft Cell, die Rollen sind schnell verteilt: Ball macht die Musik, Almond schreibt die Texte und performt sie.

In Studierendenkreisen sorgen Soft Cell erstmals für Aufmerksamkeit, als sich Almond zum Synthie-Noise von Ball auf der Bühne mit Katzenfutter beschmiert, Sex mit seinem eigenen Spiegelbild simuliert, in Drag auftritt und Lieder mit Titeln wie „The Girl With The Patent Leather Face“ singt. „Dass wir Popstars werden, war nie geplant“, sagt Almond dann auch. „Das ist zufällig passiert.“ Die sehr kühlen, dezent verdorbenen und minimalistischen Tracks der ersten EP „Mutant Moments“ entstehen in Eigenregie, die notwendigen 2000 Pfund leiht sich Ball bei seiner Mutter, zum Einsatz kommt ein Zweispurrekorder.

Zum 40. Geburtstag der EP sind die Songs zuletzt aus dem Archiv geholt worden. Mit Hitmusik haben die vier Stücke nichts zu tun. Soft Cell generieren mit diesem Frühwerk einiges an Aufmerksamkeit, und weil das Some Bizarre Label für eine Compilation Acts sucht, die dem Future-Pop-Ethos der Firma entsprechen, finden sich Soft Cell mit ihrem Song „The Girl With The Patent Leather Face“ auf dieser LP neben anderen jungen Bands wie Depeche Mode, The The oder B-Movie wieder. Daniel Miller, der gerade Mute Records gegründet hat, stimmt zu, den ersten Soft-Cell-Song zu produzieren, der Anwärter auf eine Hitsingle sein soll: „Memorabilia“. Das Stück legt die DNA des Duos fest: Almond jobbt zu dieser Zeit im Nachtclub „Warehouse“ in Leeds, in dem frische Dance-Tracks aus den USA gespielt werden, Post- und Mutant-Disco-Sachen, mit härteren Beats und unglamourösen Texten über die Kaputtheit von Welt und Körper.

In seinem exzellenten Buch „Life And Death On The New York Dancefloor, 1980-1983“ schreibt der US-Autor Tim Lawrence von diesem neuen Disco-Stil, der nicht mehr von Schampus, sondern vom Kalten Krieg, wirtschaftlichen Verfall und von der Bedrohung durch AIDS geprägt wird. „Memorabilia“ nimmt diesen Sound auf, lenkt ihn zugleich zurück in die 60er- und 70er-Jahre. Zum Funk von James Brown. Zur Hochglanzdisco von Donna Summer. Eine heißkalte Angelegenheit. Die Grundlage von „Memorabilia“ ist ein Loop, auf den Almond seine Lyrics improvisiert: einen Text über einen Massenmörder, der vom Tatort diverse Andenken mitnimmt. Inspiriert vom „Yorkshire Ripper“, der zwischen 1975 und 1980 die Region Leeds terrorisiert, 13 Frauen ermordet. „Memorabilia“ chartet nicht, sorgt aber in den Nightclubs für volle Dancefloors. Für Almond und Ball ist das vielleicht sogar die wertvollere Währung.

Die Plattenfirma denkt anders: Some Bizarre hat gerade einen Deal mit dem Major Phonogram abgeschlossen, dort stellt man Soft Cell nun ein Ultimatum: eine Single noch, die muss aber in die Hitparade, sonst war’s das. Für Almond ist das kein Problem. Er hat eine Idee. Eine Fanboy-Idee. Neben den harten Post-Disco-Sounds aus New York sind in Leeds Northern-Soul-Partys das zweite große Ding. Das Genre entsteht im Laufe der 70er-Jahre, ausgehend von den reiselustigen Fußballfans aus dem Norden Englands. Wenn diese am Wochenende mit ihren Clubs in London und Umgebung unterwegs sind, bevölkern sie nicht nur Pubs und Stadien, sondern auch die Plattenläden. Dort suchen sie nicht nach den neuen, smoothen, eleganten Soulplatten der frühen 70er-Jahre, sondern nach den schnellen, poppigen Sachen aus dem vorherigen Jahrzehnt, die bereits in den Grabbelkisten mit den Sonderangeboten verramscht werden. Northern Soul steht für: Soulplatten für die Leute aus dem Norden Englands. Für die Leute aus Leeds.

Eine dieser Singles: „Tainted Love“, geschrieben von Ed Cobb, gesungen von Gloria Jones, im Original 1965 untergegangen. Rasant, beinahe hektisch. Wie gemacht für die Tänzer auf den All-Nightern. Almond mag den Song schon wegen des Bildes einer „verdorbenen Liebe“; was ihn zudem fasziniert: Jones war von 1973 bis 1976 Keyboarderin bei T. Rex, war mit Marc Bolan zusammen, nahm mit ihm zusammen 1976 ihr Album VIXEN auf, eine Mischung aus Psychedelic, Soul, Glamrock und Funk. Auf dieser LP auch zu finden: „Tainted Love“, mit Bolan an der Gitarre. Dies alles bewertet Almond nicht als Zufall, sondern als Fügung und Signal. Er überredet das Label, „Tainted Love“ im Soft-Cell-Modus aufzunehmen, als futuristischen Electro-Twist. Was die beiden obendrauf realisieren: die zugleich genialste und dümmste Idee ihrer Karriere.

Bis Anfang der 80er-Jahre ist die 12-Inch-Maxi im Großformat in erster Linie ein Werkzeug für DJs. Um einen besseren Sound zu kreieren. Um mit Hilfe der Maxi-Versionen mit langen Instrumentalparts die Tracks besser ineinander mischen zu können. Und um sich im Verlauf der acht bis zehn Minuten einiges reinknallen zu können. Mit Beginn der großen Pop-Dekade entwickelt sich die Maxi zum Mainstreamprodukt. Singles erscheinen jetzt nicht mehr nur auf der 7-, sondern auch auf 12-Inch, in der Regel zum doppeltem Preis. Dafür muss man den Leuten natürlich etwas bieten. Supersound und Extended- oder Dub-Mixes sind prima, aber Almond und Ball finden, da geht noch mehr. Für die Extended Dance Version von „Tainted Love“ koppeln Soft Cell und ihr Produzent Mike Thorne den Motown-Hit „Where Did Our Love Go“ von den Supremes an „Tainted Love“. Die knapp neun Minuten wirken wie aus einem Guss, ein Instrumental-Teil dient als Übergang, das Fingerschnipsen leitet den zweiten Part ein. Mit einem Schlag haben die Discos einen garantierten Tanzflächenfüller, erfüllt die Maxi-Single nun auch einen künstlerischen Sinn und ärgern sich Almond und Ball maßlos darüber, dass sie von den vielen Verkäufen nichts haben: Auf einer Hitsingle gleich zwei Songs covern – wie doof kann man aus finanzieller Perspektive sein?

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Immerhin ist der Erfolg nachhaltig. „Tainted Love“ erreicht Platz eins in Großbritannien mit mehr als einer Million verkaufter Singles. Platz eins auch in Deutschland, in den USA eine beachtliche Position acht. Angetrieben werden die Verkäufe durch den ersten Auftritt des Duos bei „Top of the Pops“: Almond legt eine perfekte Performance als androgyner Dandy hin, Ball steht hinter seinem Gerät und sieht aus wie ein Schaffner, der beim Kontrollieren der Fahrkarten zu einem Beat wippt, den nur er hören kann. Der von „Tainted Love“ ist es offensichtlich nicht. Der Erfolg kommt über Nacht. Almond haust noch in seiner Studi-Butze und isst jeden Tag Nudeln. Als Popstar sieht er sich nicht. Also bedienen Almond und Ball ihre Fans aus dem Underground mit der Single „Sex Dwarf“ – und einem legendären Video, das bis heute (!) nicht im britischen Fernsehen gezeigt werden darf. Es geht um Sexpraktiken mit Kettensägen und Ketten, zu sehen sind Prostituierte aus Soho sowie ein kleinwüchsiger Mensch, die zusammen mit dem fast nackten Almond eine Orgie zwischen David Lynch und Hermann Nitsch zelebrieren. Was ein Tribut an Almonds Provo-Performances aus der Uni-Zeit sein soll, bringt Soft Cell gehörigen Ärger ein. Von der BBC und anderen Hütern der Moral. Das Stück selbst übrigens klingt auch fast 44 Jahre später erstaunlich frisch, und den Sequencer-Bass haben sich New Order ein paar Jahre später für „Blue Monday“ abgeschaut.

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Das kurz darauf veröffentlichte Debüt NON-STOP EROTIC CABARET wird zu einem Triumph. Eine Meta-Platte, die Pop als das entlarvt, was er ist: als das Kabarett der Moderne. Mit Almond und Ball als Türsteher, Performer und besten Kunden. Es steckt viel David Bowie in diesem Pop-Entwurf: seine Androgynität, aber auch seine Rolle als Multiplikator. „Immer dann, wenn Bowie andere Sänger, Songwriter oder Künstler erwähnte, musste ich mir diese anhören. Sie wurden unmittelbar zu einem großen Teil meines kulturellen Umfelds“, sagt Almond. Für die allermeisten ist Bowies Album PINUPS von 1973 eine schwache Coverplatte. Für Almond öffnet sie eine neue Welt: „Alle Künstler, die er coverte, wurden dadurch cool. Sein Einfluss auf die Popkultur meiner Generation war enorm.“ Die für Almond bedeutsamste Entdeckung ist auf der B-Seite der Single „Sorrow“ versteckt „Amsterdam“, ein Chanson von Jacques Brel. Der Belgier hat Almond danach nicht wieder losgelassen. Nicht auf seinen Soloplatten. Aber auch nicht bei Soft-Cell-Songs wie „Say Hello, Wave Goodbye“, die Brels Dramen ins Popformat überführen. Mit ähnlich vielen Tränen.

„Say Hello, Wave Goodbye“ gibt den New Romantics eine Hymne für die Zeit nach der Party. Der Warehouse-Club in Leeds entwickelt sich bereits Ende der 70er-Jahre zu einer Keimzelle dieser Bewegung, die mit Acts wie Sade, Visage, Duran Duran, The Human League, Adam Ant oder Spandau Ballet den Sound und die Ästhetik der 80er-Jahre prägt. Und mit Boy George, Marilyn oder Almond die Queerness. „Das Tolle an dieser Zeit Anfang der 80er- Jahre war, dass wir uns aus dem Überhang der 70er-Jahre bedienen und daraus etwas Neues gestalten konnten“, sagt Almond. „Es gab Glam, Punk und Electro. Es gab Bowie, die Sex Pistols und Giorgio Moroder. T. Rex, die Buzzcocks und Kraftwerk. Das war alles da, wir mussten es uns nur nehmen. Ich habe nur die besten Erinnerungen an die ersten Jahre dieser Dekade. An die starke Popmusik, die aus dieser Zeit kam. An die Buntheit und Offenheit der Szene. Das alles änderte sich dann, als die AIDS-Pandemie einschlug. Sie veränderte unsere kreativen Leben. Aus Hoffnung wurde Entsetzen.“

Als 1983 mit THE ART OF FALLING APART das zweite Soft-Cell-Album erscheint, ist die Grundausrichtung bereits eine andere: Die große Hitsingle fehlt, die Platte funktioniert als Ganzes, als eine Art DISINTEGRATION der New-Romantics-Phase: Wurde die Musik von Soft Cell bis dahin vor allem von Lust und Scham angetrieben, tritt nun Selbsthass an diese Stelle, mit dem Zerfall des Selbst als Konsequenz. Im Stück „Baby Doll“ rechnet Almond gnadenlos mit seinem Dasein als Popstar ab: „Thinking of a dollar“ … „Mouth open, eyes wide, fake your peak.“ Den bunten, offenen Teil der 80er-Jahre beschließen Soft Cell 1984 mit ihrem dritten Album THIS LAST NIGHT IN SODOM. Vielleicht das extremste und dunkelste Album eines Acts, der wenige Jahre zuvor noch einen globalen Party-Hit gelandet hat. Dass das Kapitel Soft Cell danach fürs Erste geschlossen wird, ist nur logisch.

Ball nimmt 1983 sein einziges Soloalbum (IN STRICT TEMPO) auf, gründet nach dem Split ein paar Projekte, bevor er in den 90ern als Teil des Techno-Duos The Grid für Euro-Dance-Hits wie „Texas Cowboys“ (mit Mundharmonika) und „Swamp Thing“ (mit Banjo) mitverantwortlich ist. Er und das zweite The-Grid-Mitglied Richard Norris haben sich bereits 1988 kennengelernt, als sie zusammen mit Genesis P-Orridge von Psychic T.V. das hochgradig richtungsweisende wie durchgeknallte Album ACID TABLETS, VOL.1 aufnehmen – bis zum Beweis des Gegenteils die erste Acid-House-Platte der Geschichte und definitiv ein Impulsgeber für Primal Screams SCREAMADELICA.

Almond setzt ein halbes Jahr nach dem vorerst letzten Soft-Cell-Album seine Solokarriere fort, die er bereits 1982 mit den Alben von Marc & The Mambas begonnen hat, nun unter eigenem. Die ersten bieten Dark-Cabaret-Pop, ab THE STARS WE ARE von 1988 wird es poppiger, mit seiner Version von „Something’s Gotten Hold Of My Heart“ an der Seite des Originalinterpreten Gene Pitney erreicht er noch einmal europaweit einen Nummer-eins-Hit. Pitney ist einer der Sänger, die Almond als kleiner Junge mit der Decke über dem Kopf beim Piratensender Radio Caroline gehört hat. Für einen Popfan kann es nichts Besseres geben.

2002 kehren Soft Cell mit CRUELTY WITHOUT BEAUTY zurück, doch das Interesse ist mau. Das ändert sich ab 2005 mit der Wiederentdeckung von Postpunk und seinen vielen Spielarten. Die junge Generation entdeckt Soft Cell neu, sortiert das Duo in den Electroclash-Kanon ein. Es erscheint die Remix-Platte HEAT mit Edits von Playgroup, Ladytron oder Richard X, zudem tauchen Soft Cell nun nicht mehr nur zuverlässig auf 80s-Compilations auf, sondern auch auf DJ-Mix-CDs von Lemon Jelly oder Armand von Helden; die Compilation, die Kate Moss 2010 für das Ledertaschenlabel Longchamps zusammenstellt, beginnt mit „Tainted Love“. Die Taktung der Anfragen einer erneuten Reunion wird höher.

2018 schließlich ist es so weit: Die beiden haben sich zu einer letzten Show überreden lassen, in der gigantischen O2-Arena in London. „Dabei waren wir nie eine Arena-Band“, sagt Almond, „wir haben viel lieber in Theatern, Clubs und dunklen Orten gespielt.“ Soft Cell spielen drei Stunden, es gibt große Ovationen. Dem Management ist sofort klar: Ein neues Album muss her. Almond sieht die Sache anders: „Ich sagte Nein. Es lag nicht an der fehlenden Lust, sondern an den Erwartungen, an die alten Geister, die ich sofort wieder auf der Schulter spürte.“ Womit Almond nicht gerechnet hat: Ball hat längst wieder ein paar Soft-Cell-Sounds auf Lager. Eine Pandemie später erscheint 2022 HAPPINESS IS NOT INCLUDED. Mit dabei: „Purple Zone“, ein Duett mit den Pet Shop Boys.

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Neil Tennant und Marc Almond kennen sich bereits seit 1982. Da ist Tennant noch kein Pet Shop Boy sondern Reporter für „Smash Hits“ und trifft den Soft-Cell-Sänger zum Interview. „Man bekommt den Eindruck, dass die Leute in der Musikbranche Soft Cell weder verstehen noch mögen“, leitet Tennant seine Story ein. Er beschreibt Ball als einen „Bankdirektor, der hinter schweren Gardinen ein geheimes Leben führt“. Malt sich aus, wie Väter und Mütter reagiert haben, als ihre Kinder Soft Cell bei „Top of the Pops“ gesehen haben. Zitiert Marc Almond mit: „Wer will schon dazugehören? Ich jedenfalls nicht. Ich mag es nicht, auf Nummer sicher zu gehen.“ Oder, bezugnehmen auf die „Sex Dwarf“-Affäre: „Ich finde Hasspost genauso interessant wie freundliche Briefe,.“ Eine Sache will Neil Tennant am Ende noch von Marc Almond wissen: „Wirst du in Würde alt werden?“ Eine ungewöhnliche Frage für einen 28 Jahre alten Popjournalisten, der einen 25 Jahre alten Popstar interviewt. Almonds Antwort: „Nein, ich werde ein totales Ärgernis sein, eine echte Plage.“ 40 Jahre später singt Tennant mit Almond im Duett: „Let’s get out of this life/ I’m afraid and alone.“ Der Song selbst ist so mittel. Aber, oh boy, geht er zu Herzen.