Solaris


Okay“, sagt der Lybier, „Ich kaufe das Flugzeug. Aber nur unter einer Bedingung: Ihr legt mir noch zwei Blonde aufs Zimmer.“

„Kein Problem“, findet der Herr im grauen Anzug gegenüber. „Gibst du die Vollmachten deiner Regierung, gebe ich dir die beiden Mädchen.“

Diese Szene stammt nicht aus dem neuen James-Bond-Film mit Woody Allen, sie ist grausame Wirklichkeit und eine alltägliche Begebenheit in einer Discothek. In der wohl schärfsten Discothek Europas, der Bar Solaris im Untergeschoß des Hotel Kosmos im Nordosten von Moskau. Es ist ein Uhr nachts. Immer neue Gäste drängen sich an den uniformierten Pförtnern vorbei. Der Eintritt beträgt vier Rubel. Bezahlt wird aber in Yen, Dollar oder DM. Oben, im Vestibül, geht es zu wie im Empire State Building nach einem Feueralarm. Acht Valuta (= FremdwährungJ-Bars und zwei schummerige Rubel-Bars verteilen sich über die erste Etage. Nach Sonnenuntergang, wenn die Gäste, frisch zubereitet, sich aus 21 Etagen ergießen, sich an den Tresen und in Ledersesseln mit Wodka und Löwenbräu aus Dosen zugießen, kommt Stimmung auf im Laden.

„I Can’t Stop Loving You“, quetscht sich Michael Jackson aus der Rippe. Der Discjockey in der Küche hinter dem Tresen ist gut ausgerüstet. Verdammt, hier laufen wirklich nur hübsche Mädchen herum. Aber was für einen seltsamen Geschmack haben sie! Sie schmiegen sich alle um dicke Leiber älterer Herren! „Das sind alles Valuta-Huren“, klärt mich ein Bayer auf. Er und seine Kumpels sind hier auf Montage, sie bauen die Kläranlagen für den Moskauer Zoo. „Die quetschen alles aus dir raus. Am liebsten aber Geheimnisse. Sie sind nämlich allesamt Angestellte des KCB.“ Prima, denke ich mir, ab sofort werde ich das Gerücht verbreiten, ich sei der Erfinder der Abhörwanzen in Augentropfenform. Eine Mongolin, eine Afrikanerin, eine Lettin…

Eine Gruppe ausgelassener Geschäftsleute stürmt zur Theke. Ich komme ins Gespräch, es sind Manager aus Hollywood. Sie managen Tina Turner, Joe Cocker, Liza Minelli und wer ihnen sonst noch unter die Finger kommt. Sie sind mit einem Wisch aus Washington unterwegs und mit einer gemieteten Staatskarosse aus dem Kultusministerium vorgefahren. Sie kaufen alles: das Bolschoi-Theater, Ala Pugaschova und — wenn’s klappt — die ganze Hard-Rock-Szene der östlichen Hemisphäre. Nächstes Jahr wollen sie in New York unter dem Motto „Die Russen kommen“ ein Festival starten. „Und ich schreibe den Pressetext dazu“, schlage ich vor.

Die Tanzfläche wird jetzt von einer Gruppe Afrikaner eingenommen, sie tanzen alle im Kreis. Das macht soviel Laune, ich möchte mitmachen. Doch so einfach ist das nicht. Erst muß ich dem Chef vorgestellt und akzeptiert werden. Als das Okay kommt, vergrößern die Frauen den Kreis und lassen mich in die Mitte…

(Glas Bier oder Wodka: 3,— DM, Flasche Krimsekt: 30,— DM. Täglich von 22 Uhr bis S Uhr)