Space Oddities


Es brauchte schon ein teilchenbeschleunigtes Elektronenrastermikroskop (oder so), um in der heutigen Popmusik noch Spuren von Science-Fiction zu entdecken. In der Literatur längst anerkannt, gilt das Genre im Pop derzeit als extrem uncool. Statt über den Alltag in Sheffield, den bösen Bush oder den Spaß am Skateboarden sangen ab 1968 Gruppen wie Hawkwind von silbernen Raumschiffen, Pink Floyd über die dunkle Seite des Mondes oder Yes von esoterischen Tauchfahrten in imaginären Ozeanen – es war halt die Zeit der Mondlandung, des Aufbruchs und der psychedelischen Drogen. Spätestens mit „Starman“ und „Space Oddity“ von David Bowie hatten sich astrale Themen im Pop erledigt. Fortan wurde belächelt, wer über ferne Planeten sang, selbst sonst so technikbegeisterte Szenen wie Techno oder Drumn’Bass machten stets einen weiten Bogen um allzu astrale Ästhetik.

Erst 1999 tauchte dann wieder eine Band auf, die den verlorenen Faden bewußt wieder aufnahm, um ihn in ihr lyrisches Konzept einzuweben:“.She’U burn our horizons, make no mistake singt Matt Bellamy gleich im ersten Song der ersten Platte, sehr programmatisch: Was in „Sunburn“ als Metapher für eine scheiternde Beziehung hergenommen wird, fußt auf der deprimierenden wissenschaftlichen Tatsache, dass in etwa fünf Milliarden Jahren die Sonne verglühen und dabei unsere Erde verschlucken wird. Gewagt, gewiß. Trotzdem sollte Bellamy, seit jeher ein begeisterter Leser von Ray Bradbury („Die Mars-Chroniken“), Phillip K. Dick LBlade Runner“] oder Stanislaw Lern („Solaris „I, von diesem poetischen Ansatz nicht mehr abweichen: Auf origin of symmetry ließ Bellamy sich denn auch von einer Krankheit inspirieren, die nach Befürchtungen der NASA mögliche Mars-Astronauten befallen könnte: „Space Dementia in your eyes…“

„Ich singe nicht über den Kosmos, weil ich ins All reisen will, sondern weil das All, sobald man es nicht mehr wörtlich nimmt, voller Allegorien auf unser kleines Leben hier unten steckt“, erklärt er im Interview.

Auf Absolution wurde das Spektrum zwar um Philosophie „Thoughts Of A Dying Atheist“). Chaos- („Butterflies and Hurricanes“) oder Verschwörungstheorien „Rule By Secrecy“ ausgeweitet. Aber auch Black holes and revelations spielt wieder mit der Idee, die Unbegreiflichkeit des „outer space“ mit der Unergründlichkeit des „inner space“ abzugleichen. Neben eindeutigen Titeln wie „Supermassive Black Hole“ oder „Starlight“ gibt es da noch den letzten Song: „Knights Of Cydonia“. Befürchtungen, daß Muse demnächst über Elfen, Gnome und anderen Fantasy-Quatsch singen, kann Bellamy glaubhaft zerstreuen: „Cydonia ist die Gegend auf dem Mars, wo 1976 ein gigantisches Gesicht entdeckt wurde.

Aufgenommen wurde die rätselhafte Gebirgsformation von einer Viking-Sonde aus einer Höhe von 1873 Kilometern. Längst ist das Phänomen als optische Täuschung enttarnt, was Bellamy freilich wenig kümmert: „Denk nur mal an die Kanäle auf dem Mars! Wenn es dort eine Zivilisation gab „hat sie womöglich ähnliche Fehler gemacht wie wir?“