Spacevögel
Was bringt die Zukunft? Wie lebt es sich eigentlich als Kopf im Glas? Futurama, die neue Zeichentrick-Serie von Simpsons-Erfinder Matt Groening, gibt Auskunft.
usikbusiness im Jahr 3000: Die Beastie Boys sind immer noch angesagt, haben während der letzten 1000 Jahre gerade mal zwei neue Alben herausgebracht und geben im Rahmen ihrer „IntergalacticTour“ ein Konzert im „Madison Cube Garden“ zu New York City . Ihr langes Überleben verdanken die bösen lauten lungs der Tatsache, dass sie sich von ihren Körpern getrennt haben und nun als „Heads in a jar“ fortexistieren – als Köpfe im Glas. Im Publikum sitzt ein Altersgenosse, der mehr Glück hatte und seine Arme und Beine behalten konnte: Fry, ein äußerlich 25 Jahre alter Pizzabote, College-Abbrecher, Fernsehabhängiger, kurz: Verlierer. In der Silvesternacht zum Jahr 2000 fiel Fry um Punkt Mitternacht in eine Gefrierkammer, wurde schockgefrostet und erwachte pünktlich zum Jahreswechsel 3000. Willkommen in der Zukunft! „VVow! Eine Million fahre!“, staunt l 7 ry, als er realisiert, dass jetzt die „3“ der Jahreszahl vorsteht. Fry ist zu allem Unglück, das ihm widerfährt, auch noch dumm – die ideale Identifikaiionsflgur also für den pizzaverzehrenden Fernsehkonsumenlen. Und doch ist Frey ein Star, denn er hat die Hauptrolle in der US-Zeichentrickserie „l-uturama“, die seit dem 4. September auch in Deutschland läuft, und zwar auf Pro 7 (jeweils montags um 21.45 Uhr).
Ihr Erschaffer ist Matt Groening, der Erfinder der erfolgreichen und vielfach ausgezeichneten „Simpsons“. Nicht nur die Handlung von „Futurama“ ist futuristisch, ihre Charaktere und Schauplätze, sondern auch ihre Machart. Zwar kommt „Futurama wie die Simpsons als 2-D-Cartoon auf den Bildschirm, doch wesentlich detaillierter gezeichnet und mit dem Einsatz von Computergrafik um 3-D-Effekte bereichert. Und sollte die Zukunft des Flumors sich dadurch auszeichnen, dass uns bald noch mehr Zynik und absurde gesellschaftliche Entwicklungen zum Lachen bringen werden, dann ist Futurama auch hier einen Schritt voraus. Zum Beispiel mit der Figur des Bender. Bender ist ein Roboter und wie der Marvin aus Douglas Adams‘ „Per Anhalter durch die Galaxis“ ständig schlecht drauf. Er raucht, trinkt, hat eine Vorliebe für Pornographie und leichte Mädchen, stiehlt und lügt. Fry und Bender lernen sich an einem Ort kennen, den Fry zunächst für eine Telefonzelle hält. Eigentlich handelt es sich um eine Selbstmordkammer („Stop’n’drop – Americas favourite since 2008“), die Bender aufgesucht hatte, um seiner schäbigen Roboter-Existenz ein Ende zu bereiten – Bender, der „Bieger“, hatte herausgefunden, dass die Stahlträger, die er berufsmäßig gebogen hatte, zum Bau von Selbstmordkammern eingesetzt werden. Das sind technische Errungenschaften! Krasse Veränderungen, an die sich Fry erst mal gewöhnen muss.
Da ist er ein getreuer Nachfolger ^_ seiner Science Fiction-Vorgänger Arthur Dent (aus „Per Anhalter durch die Galaxis“) oder Marty McFly („Zurück in die Zukunft“). Wie sie stolpert er staunend durch eine Welt ohne U-Bahn, dafür mit Personen-Rohrpost. Eine Welt, die ihm nach perfekter Analyse seiner genetischen Möglichkeiten per implantiertem Chip dauerhaft einen Job aufdrücken will, auf den er schon in seinem vergangenen Leben keinen Bock hatte: Botenjunge. Eine Welt, in der man das virtuelle World Wide Web körperlich erleben kann – und sich erst mal vor einer Horde aufdringlicher Verkäufer zweifelhafter Ware retten muss. Die Zukunft, dargestellt in „Futurama“, wirkt bei allem skurril-großartigen technischen Fortschritt gerade deshalb so real, weil sich Wesentliches eben doch nicht ändert, auch nicht in tausend lahren. Klar kann man anno 3000 in die Träume der Menschen eindringen – aber wozu? Um dort einen Werbespot für sexy Unterhosen zu schalten. Klar ist die Polizei in ferner Zukunft mit Lichtschwertern ausgerüstet. Aber auch diese werden dafür eingesetzt, Unschuldige zu verprügeln. Klar gibt es dann menschliche Roboter. Aber die geraten wie Bender: „Bite my shiny metal ass!“ „Futurama“ als Zukunftsperspektive für Amerika? Das wird konservativen Würdenträgern nicht gefallen. Schon die Simpsons haben einmal den Zorn des damaligen US-Präsidenten George Bush heraufbeschworen: Amerika brauche mehr Familien wie die Waltons als solche wie die Simpsons. Dafür haben ihn Matt Groening und Co. mit ihrem Spott verfolgt und ihn sehr unvorteilhaft in mancher Episode auftauchen lassen. Ihrer tiefen Abneigung gegen republikanische Präsidenten lassen sie auch in „Futurama“ freien Lauf: diesmal ist es Richard Nixon, der, wie die Beastie Boys ein „Kopf im Glas“, die Verkörperung des Bösen darstellt, tatsächlich wieder gewählt wird, daraufhin seinen Schädel auf eine riesige Killermaschine montieren lässt und brandschatzend durch die Lande zieht.
Wie schon bei den Simpsons tummeln sich auch bei „Futurama“ Prominente im Zeichentrick. Leonard Nimoy („Mr. Spock“) verbringt seine Zeit im „Kopf-Museum“, Pamela Anderson ist hier und Claudia Schiffer. Der Talkmaster Conan O’Brian tritt auf seine alten Tage sogar noch auf- wie die Beastie Boys auf die Hilfe von Assistenten angewiesen, die seinen Kopf hemmtragen. Nach ihrem anstrengenden Auftritt im „Madison Cube Garden“ lassen sich die Beastie Boys erst mal ihre Kopfhaut massieren – viel ist ihnen an körperlichen Freuden nicht geblieben. Ihre Crew schlägt derweil über die Stränge. Backstage arbeitet ein alter Bekannter des Roboters Bender: der Verstärker Fender. Der lädt den Kumpel zu einer wilden Party ein. Bender sagt zu: „l’m gonna drink until I reboot!“ und wird im Verlauf der Folge, angefixt von Fender, prompt süchtig nach Strom. Aber das muss man selbst gesehen haben.