Spandau Ballet


wer hätte das gedacht: Ausgerechnet die musikalischen Vorreiter in Sachen Lifestyle entpuppten sich als scharfzüngige Kritiker der Pop-Kollegen. Bei der Hörprobe von ME/Sounds hatten es Tony Hadley und Gary Kemp weniger mit der Etikette denn mit Etiketten: Die jedenfalls pappten sie den Mitbewerbern ohne viel Federlesens auf die preßfrischen Platten.

Sinead O’Connor: „Nothing Compares 2 U“

GARY: „Klingt wie ein Demo. Das Arrangement brauchte entschieden mehr Dramatik.“

TONY: „Wer ist das‘? Sinead O’Connor.“ Ist das nicht dieser kleine Punk mit der Glatze? Bislang wußte ich gar nicht, daß die tatsächlich singen kann.“

Adeva: „Beautiful Love“

TONY: „‚Ne Massenproduktion ohne Identität.“ GARY: „Die musikalische Begleitung klingt so verdammt billig. Vor zehn Jahren lag ‚Sexual Healing‘ auf dieser Linie. Mit dem Unterschied, daß das wirklich ein guter Song war.“

Cher: „Just Like Jesse James“

TONY: „Oh yeah, Cher! Ich liebe diese Frau, sehr sexy. Bin ein absoluter Cher-Freak.“

GARY: „Und ich hasse sie. Was die von sich gibt, ist doch das Allerletzte – das gilt für ihren Gesang wie für ihr sexistisches Gehabe. Ein weiblicher Macho. Von dem Song hier wird mir richtig schlecht – ein Klischee nach dem anderen, so richtig was für die Amis.“

Nick Kamen: „I Promised Myself“

GARY: „Ich kenne Dutzende von Demos, die besser sind als dieser Song – schwache Stimme, schwache Komposition. Aber der Junge sieht halt gut aus. Jetzt noch ein clever gemachtes Video – und er hat gute Chancen, die Charts von hinten aufzurollen.“

TONY: „Was mich vielmehr interessieren würde: Kriegt der gute Nick eigentlich dieses Heft mit unseren Kommentaren in die Hände?“

Phil Collins: „I Wish It Would Rain Down“

GARY: „Ganz klar: Phil Collins. Und zwar mit Eric Clapton an der Gitarre und Pino Palladino am Baß.“

TONY: „Toller Song. Respektabel, wie der gute Phil das nach all den Jahren immer noch hinkriegt.“

GARY: „Der Mann ist wirklich nicht nur unglaublich produktiv, sondern gleichzeitig nach wie vor kreativ. Allerdings kommt mir dieser Song streckenweise arg bekannt vor. Steckt da nicht ein ganz ordentlicher Schuß ‚Wish You Were Here‘ von Pink Floyd drin?“

The Christians: „Words“

GARY: „Fantastisch. Wer ist das? Die Christians? Endlich mal jemand, der den Erfolg wirklich verdient hat.“

TONY‘: „Die Stimme, das Arrangement, der ganze Song – einfach umwerfend. Sollte ganz vorne ich den Charts landen.“

Playhaus: „White Light“

TONY: „Oh. Playhaus aus Deutschland, kenn ich, ’ne wirklich lustige Truppe.“

GARY: „Das soll lustig sein?“ TONY: „Diese Jungs mußt du nicht nur hören, sondern auch sehen. Bei denen macht“s in erster Linie die Optik.“

GARY: „Muß wohl, der Song bringt’s nämlich überhaupt nicht.“

Prince: „The Scandalous Sex Suite“

GARY: „Ich liebe Prince. Er war der Bowie der 8Uer Jahre. Ein genialer Musiker und ein ebenso fantastischer Performer – männlich und weiblich zugleich, das macht ihn so geil, das ist die ideale Voraussetzung fürs Pop-Business. Wenn er ein ‚ganzer Mann‘ wäre, hätte das alles sicher einen machohaften Beigeschmack. Aber so hat man doch irgendwie den Eindruck, als ob der Typ sich selbst vögelt.“

Udo Jürgens: „Wir sind schon auf dem Brenner“

GARY: „Hört sich an wie ein Abfallprodukt vom Grand Prix Eurovision. Ideal, um nach 20 Pils lauthals mitzugrölen. Allerdings würde es mich nicht wundern, wenn so’n Ding in England in die Charts gehen würde. So was passiert immer wieder mal, wenn Tante Anna und Onkel Fred einmal im Jahr „ne Platte kaufen.“

Midnight Oil: „Blue Sky Mine“

GARY: „Ich mag Midnight Oil. Die haben so was Ethnisches an sich, ehrlicher Schweiß.“

TONY: „Stimmt. Die Band hat wirklich eine ausgeprägte Identität – so was typisch Australisches.“

GARY: „Und gute Texte schreiben die auch. Diesen Song hier finde ich allerdings nicht übermäßig stark. Irgendwie ein bißchen lahm.“