„Star Trek: Discovery“ auf Netflix: Aus diesen Gründen ist die Serie so gut
Seit Januar läuft die zweite Staffel von „Star Trek: Discovery“ im wöchentlichen Turnus auf Netflix. Hier sind fünf Gründe, warum der neueste Serien-Spin-Off des Star „Trek“-Kosmos‘ eine schöne Abwechslung vom üblichen Binge-Watching darstellt.
Erstens: Unsere Gegenwart nähert sich der „Star Trek“-Utopie an
Was im Jahr 1966, als die erste Folge der Serie „Raumschiff Enterprise“ in den USA ausgestrahlt wurde, noch unvorstellbar schien, ist in der Wirklichkeit von 2019 längst zum Alltag geworden. Smartphone, Videotelefonie, Online-Datenbanken – das Internet und die Digitalisierung haben uns der Science-Fiction-Welt ein Stück nähergebracht. Trotzdem sieht die Touchscreen-Bedienoberfläche eines Tablets heute moderner aus, als die Konsolen im Transporter-Raum des Raumschiffs Discovery. Aber schließlich spielt diese Serie auch im Jahr 2256, also neun Jahre vor den Geschehnissen des legendären (und ersten) Raumschiff Enterprise, da ist ein bisschen Retro-Look vielleicht angesagt. So sei es auch verziehen, dass der Kommunikator mittlerweile an das legendäre wie vergessene Motorola RAZR-Klapphandy erinnert. Dass es in 237 Jahren allerdings immer noch Beatles-Coverbands gibt (erwähnt von Lieutentant Commander Paul Stamets, gespielt von Anthony Rapp) und Elon Musk ein Name ist, der technisch-anerkennende Assoziationen weckt, scheint eher dem Fanboy-Tum einiger Drehbuchautoren geschuldet.
Zweitens: Es wird wirklich Klingonisch gesprochen
Will man den Nerd-Status der „Trekkies“ unterstreichen, reicht es meist schon, zu erwähnen, dass ihre Serie mit Klingonisch eine eigene Sprach hervorgebracht hat, zu der es ein Wörterbuch, Sprachwissenschaftler, Übersetzer und sogar Sprachkurse gibt. Klingonisch hat es natürlich auch in „The Big Bang Theory“ geschafft, taucht bei den Simpsons auf und wird in einigen Folgen der „Star Trek“-Fernsehserien, sowie in den Kinofilmen gesprochen. „Star Trek: Discovery“ ist allerdings die erste Serie, die wirklich lange Dialoge auf Klingonisch (mit Untertiteln) beinhaltet. Um diese Tatsache (albern oder mit vollem ernst) auf die Spitze zu treiben, gibt es sogar einen Serien-Trailer auf Klingonisch und Klingonisch untertitel!
Bereits 1984 wurde die Fantasiesprache vom US-Sprachwissenschaftler Marc Okrand im Auftrag von Paramount entwickelt. Mittlerweile gibt es ein „Klingon Language Institute“ (KLI) und das Wörterbuch „The Klingon Dictionary“. Laut startrek.com haben die Klingonen-Darsteller Mary Chieffo (L’Rell) und Kenneth Mitchell (Kol) mit der Klingonisch-Expertin Robyn Stewart die Sprache rudimentär erlernt. Bei den dreistündigen Schmink-Marathons lernten sie alle Wörter ihrer Dialoge für „Star Trek: Discovery“ zu lesen und zu sprechen.
Drittens: Die Rückkehr zu alten Werten
In Zeiten von Binge-Watching, den beinahe unendlichen Weiten im Serien-Streaming-Universum und dem nahenden Ende der „Lindenstraße“ hat die Parallelwelt von „Star Trek“ beinahe etwas Beschauliches. Worte wie „Photonentorpedo“, „Warp-Antrieb“ oder „Replikator“ dürfen durchaus dem allgemeinen Sprachgebrauch zugerechnet werden, auch wenn sie wahrscheinlich erst in ferner Zukunft oder überhaupt niemals Realität werden. Ein bisschen was hat jeder wohl in den vergangenen fünfzig Jahren von „Star Trek“ aufgeschnappt. Und wer sich völlig jungfräulich an die zweite Staffel von „Star Trek: Discovery“heranwagt, kommt auch zurecht, ohne ironische Querverweise zu früheren Serien oder Figuren, oder die tatsächlich relativ gut fundierten technischen Ausführungen verstehen zu müssen. Es braucht also keinen Bachelor-Abschluss der Königshäuser- und Fabelwesenkunde wie bei „Game Of Thrones“, um dem Geschehen zu folgen. Und es ist auch nicht nötig, sich wie bei einer weiteren Blockbuster-Serie „The Walking Dead“ oder dem doch recht ähnlichen Spin-Off „Fear The Walking Dead“ durch handschriftliche Notizen zu wühlen, welcher Charakter sich jetzt gerade wo im Serienuniversum aufhält, schon tot ist, oder nur als „ derzeit verschollen“ in den Schauspieler-Trailer zurückgeschickt wurde. Hat da irgendjemand gerade panisch wie verzweifelt „Lost“ gerufen?
Immerhin zeigt Star Trek Discovery eine dezente Modernisierung bei der Interaktion der Charaktere – die blasse wie hölzerne Perfektion von Picard, Data oder Captain Kathryn Janeway ist deutlich mehr Menschlichkeit und Individualität gewichen.
Viertens: Die Effekte sind geil! Aber darum geht es gar nicht
Klar, die Visual Effects sind auch bei „Star Trek: Discovery“ auf der Höhe der Zeit. Das Make-Up ist besser, die Latex-Applikationen, die zum Beispiel aus Schauspieler Doug Jones Commander Saru machen (der zur Spezies der Kelpianer gehört) sehen längst nicht mehr aus wie aus dem Bastelfundus der lokalen Theatergruppe. Wichtiger ist bei „Star Trek“ jedoch immer die zwischenmenschliche, oder zwischenlebewesentliche Komponente. Der Austausch mit fremden Kulturen, Figuren, ihren Eigenarten und überragenden Eigenschaften. Was im Laufe der Produktionszeit von Star Trek (vor allem zu „Star Trek – Das nächste Jahrhundert“-Zeiten) öfter mal an recht eindimensionalen Charakteren krankte.
Aber ohne Vorurteile und Aufgeschlossenheit gegenüber dem Unbekannten kann man schlecht den Weltraum erkunden. Dieser Grundgedanke ist auch bei „Discovery“ noch relevant, hat aber ebenfalls einige Updates erfahren. Der hellhäutiger Klingone Voq (Shazad Latif, unter dem Pseudonym Javid Iqbal) gilt im Universum des Jahres 2256 als Außenseiter und thematisiert einen anscheinend immer noch präsenten Rassismus, während sich auch Commander/Specialist Michale Burnham (gespielt von Sonequa Martin-Green) als bei den Vulkaniern aufgewachsener Mensch mit stetigen Herabwürdigungen konfrontiert sieht.
Die Unterschiede verschiedener Spezies wurden zwar auch schon zu Zeiten von Spock und Captain Kirk politisch-korrekt thematisiert, aber die damit oft verbundene Intoleranz und Angst werden bei Discovery deutlich stärker gewichtet. Und mit dem Astromykologen Paul Stamets taucht laut memory-alpha.fandom.com zum ersten Mal ein offen homosexueller, menschlicher Charakter bei Star Trek auf – das hat zugegebenermaßen selbst für amerikanische Verhältnisse ziemlich lange gedauert.
Abgesehen davon kann das Produktionsteam auf beinahe 60 Jahre Material zurückgreifen, die das „Star Trek“-Universum beschreiben: unzählige Spezies, Figuren und Sonnensysteme, die in „Discovery“ tatsächlich sehr direkt und kreativ gemischt werden. Kaum eine Fernsehserie (inklusive der zugehörigen Kinofilme) hat einen derart opulenten Informationskosmos um sich herum geschaffen, von Fans und Filmemachern gleichermaßen gefüttert.
So kann sich jeder Fan bei den zugehörigen „Star Trek“-Conventions dank Youtube-Tutorials mit Detailverliebtheit in einen Romulaner oder einen Cardassianer zu verwandeln. Inklusive eines zugehörigen Kompendiums mit der Geschichte, den ethischen Grundsätzen, technischen Errungenschaften und kulturellen Eigenheiten der jeweiligen Völker von fremden Planeten. Ein Klingone würde sagen: jLwuQ!
Fünftens: Endlich richtige Schauspieler!
Es ist ja nicht so, dass in den älteren Spin-Offs wie „Voyager“, „Deep Space Nine“ oder den diversen Enterprise-Episoden nicht anständig geschauspielert wurde. Aber meist waren die Darsteller bis weit in die 2000er-Jahre hinein vor allem für ihre Rollen im Star-Trek-Universum bekannt, vielleicht einmal von Colm Meaney (Miles O’Brien in Deep Space Nine) abgesehen. Sofern sie anderweitig (und nicht auf der Theaterbühne) schauspielerisch aktiv waren, basierten Erfolg und Bekanntheit meist auf der Rolle bei „Star Trek“.
Erst mit Schauspielerin wie Zachary Quinto (seit 2009 als Spock-Darsteller dabei), Chris Pine (James Kirk, z.B. im Star Trek-Film „Beyond“ von 2016) oder Whoopi Goldberg (Guinan in „Raumschiff Enterprise – Das nächste Jahrhundert“) kamen bereits bekannte Darsteller zur Serie. Was wohl auch durch die veränderten Sehgewohnheiten in Zeiten des Internet und der Streaming-Dienste beeinflusst wurde. Eine größere Anzahl von Schauspielern, die eine sehr viel größere Anzahl von Serien und Filmen bedienen muss.
Bei „Star Trek: Discovery“ geht es vom Start weg eine Nummer größer: Sonequa Martin-Green (als Michael Burnham) war vorher immerhin schon bei „The Walking Dead“ dabei, Jason Isaacs (Captain Lorca) ist als Lucious Malfoy in der Harry Potter-Filmreihe zu sehen, Anson Mount (Captain Christopher Pike) ist mit der Serie „Hell on Wheels“ bekannt geworden.