Starkstrom nach Vorschrift


Die Energiekrise kann warten. Die Pixies arbeiten nur unter Hochspannung. Und Stromquelle Black Francis hat wie immer die Pole in der Hand.

Länger als ein Jahr darf man mit einer neuen Platte nicht warten, sonst kommt man aus der Übung.“

Der Mann hat gut grinsen. Charles Michael Kitridge Thompson, besser bekannt als Pixies-Sänger Black Francis, hat sein Plansoll lässig im Griff. Vier Jahre Pixies, und auf den Monat genau steht die vierte LP im Regal: Trompe Le Monde. Black Francis orakelt: „Wahrscheinlich sind wir jetzt dran, die Kritiker werden uns zerreißen, sie warten doch nur drauf.“

Die Welt wird sich nicht täuschen lassen, die Gesetze des Hypes gelten für die Kreativ-Könige des Indie-Markts schon lange nicht mehr. Und Trompe Le Monde, in seiner Entstehung als das definitive Heavy Metal-Album der Pixies angekündigt, spielt nur einmal mehr und genialischer mit den Stereotypen der Gegenwart: Billige Gitarrenriffs aalen sich in anarchischen Popsongs, kreischender Lärm weicht sphärischem Engelsgesang, und mit tumbem Heavy Metal hat das Ganze ungefähr soviel zu tun wie Slayer mit der kleinen Nachtmusik. Nun ja, immerhin war Ozzy Osbourne eine Weile im Studio nebenan, als die Pixies in L.A. ihre neues Feuerwerk an Soundideen einübten, und statt des Ventures-Surf-Sound, der noch das letzte Werk Bossanova maßgeblich prägte, hört Black Francis heute lieber Washingtoner Hardcore à la Minor Threat.

Das Feuerwerk an Einfällen allerdings, das Trompe Le Monde auch für Pixies-Eingeweihte wieder einmal zum 45-minütigen Überraschungspaket werden läßt, entspringt tatsächlich in erster Linie diesem breit grinsenden Kopf auf flanell-karierten Schultern. „Ideen wird es immer geben. Leute, die seit Jahren dieselbe Platte machen, sind nur zu faul, sich was Neues auszudenken, und mögen ihren Job nicht mehr. Außerdem setzten sie sich viel zu wenig unter Druck.“

Pixies-Stammproduzent Gil Norton dürfte diese Hypothese seines Schützlings schon manches graue Haar gekostet haben: Black Francis‘ wild-assoziativen Texte, für deren Verständnis Musikkritiker der Welt seit Jahren verzweifelt ihre letzten imaginativen Gehirnzellen aktivieren, entstehen meist erst im Studio, während der Aufnahme des jeweiligen Songs. Und im Härtefall schreibt er schon mal die eine oder andere Textzeile (so geschehen für den Titelsong des Albums) vom T-Shirt seiner Freundin ab, wenn der Produzent bereits nervös mit gesammelter Band im Aufnahmeraum sitzt, und er währenddessen beim Chinesen um die Ecke ein Gedanken beflügelndes Diner zelebriert. „Ich glaube, meine Band haßt mich dafür, sie haben jedes Mal bis zum letzten Moment keine Ahnung, um was es in den Songs überhaupt geht.“

Seine Band kommt in Pixies-Interviews standardgemäß relativ wenig zur Sprache. Auskunft über Musik umd mehr gibt der Meister alleine, und einige flapsige Sprüche des letzten Jahres („Ich bin hier der Chef, die anderen haben nichts zu sagen.“) ließen Kim Deal (b), Joey Santiago (g) und David Lovering (dr) nur als fügsame Marionetten im Machtspiel des gewichtigen Anführers erscheinen. Seit kurzem erfreut Black Francis die Fangemeinde mit Solo-Auftritten. Ein Mann und eine Gitarre, und die Gerüchteküche brodelt heiß: Läßt er die Kollegen-Kobolde jetzt ganz im Regen stehen? „Was ein Blödsinn! Ehrlich, in Deutschland mache ich keine Witze mehr, ihr glaubt einem ja alles! Nein, die Solo-Konzerte mache ich nur, damit ich in Übung bleibe und meinen Mietwagen bezahlen kann, während ich durch Europa kutschiere.“

Perpetuum mobile Black Francis ist seit drei Monaten auf dem Kontinent unterwegs, und hält das für das beste Erholungsprogramm vor der anstehenden Amerika-Tour: „Ich langweile mich doch zu Tode, wenn ich zu Hause sitze und nichts tue.

Den tranigen Starstatus überläßt er anderen, und bittet schon mal selber Iggy Pop um eine Signatur auf seinem Mikrophon. Doch seinen Mietwagen gegen dessen Limousine tauschen will er nicht: „Dazu bin ich noch zu jung. „