Stephen Stiils
Ob Buffalo Springfield. Crosby, Stills, Nash & Young oder Manassas der Motor dieser drei hochkarätigen Formationen hieß jedesmal Stephen Stills. Der junge Musiker, dereinst in New York scheiterte, wurde später in Kalifornien zum Superstar. Trotzdem ist seine Karriere geprägt von Depressionen, Zweifeln und allerlei Schiffbrüchen. Die Wiedervereinigung mit David Crosby und Graham Nash scheint ihm jedoch gut bekommen zu sein. Als er sich mit unserem Mitarbeiter Wolfgang Freund zum Interview Stills über Stills traf, verblüffte er nicht zuletzt durch seine korrekten Bügelfalten.
Es ist Sonntag, der 8. Januar 1978 und schon nach Einbruch der Dunkelheit, als Al Kooper nochmals schnell im Record Plant Studio in Los Angeles vorbeischaut. Er bemerkt, daß aus Studio C dicke Rauchschwaden kommen. „War Stephen Stills gestern nicht noch hier?“, ist sein erster Gedanke. Ohne zu überlegen rennt er in das brennende Studio und rettet die schon leicht angekohlten Bänder von Stephen Stills neuer LP „Thoroughfare Gap“. Für Gitarren und verschiedene Teile der Anlage kommt allerdings jede Hilfe zu spät. Der Verlust einer alten Fender Stratocaster, die ihm Jimi Hendrix einst geschenkt hat trifft Stephen besonders hart.
Es war ein Erinnerungsstück an eine große Zeit, die sie damals 1968 zusammenverbracht hatten. Stephen bewohnte ein Haus am Strand von Malibu, und wann auch immer sie sich trafen, wurde Musik gemacht. Stephen erinnert sich an eine Episode besonders gern: „Jimi, Buddy (Miles) und ich saßen versonnen in meinem Haus und hatten uns ganz schön einen eingeworfen. Plötzlich fanden wir uns alle drei auf der Terrasse mit unseren Instrumenten und machten eine Session für’s Meer. 24 Stunden lang spielten wir fast ohne Unterbrechung. Plötzlich standen sechs Polizeiautos vor meinem Haus. Wir bekamen es mit der Angst zu tun, als plötzlich einer von den Sheriffs an der Tür stand. Aber: Es hatte sich in Malibu herumgesprochen, daß wir auf der Terrasse spielten, da waren sie eben einfach gekommen, um uns zuzuhören…“
Heute gibt sich Stills nicht mehr wie ein ungezähmter Rock’n’Roller, im Gegenteil! Eher erweckt er den Eindruck eines Saubermannes: schwarze Sonntagsschuhe, gepflegte Bügelfalten, Samtjackett und sauber gezogener Scheitel, so erscheint er zum Interview mit dem MUSIK EXPRESS. Selbst die Zahnlücke hat er beseitigen lassen. Und das Tollste: Er redet stundenlang mit uns über die Geschichte seiner Karriere.
Stephen Arthur Stills wird am 3. Januar 1945 in Dallas, Texas, geboren, wächst in Florida auf und verbringt seine Schulzeit in Costa Rica. In Puerto Rico entwickelt der junge Stephen eine Vorliebe für südamerikanische Musik, die seiner späteren Arbeit entscheidende Impulse gibt. Nach seiner Schulzeit geht er wieder zurück in die amerikanischen Südstaaten und tingelt zwischen Florida und Louisiana als Blues-Sänger.
Anfang der sechziger Jahre zieht es ihn nach New York, wo sich seinerzeit in Manhattans Greenwich Village Amerikas Underground langsam entwickelt. Ginsberg, Dylan und Kerouac beherrschen die dortige Szene als neue Götter der Beat-GeneTation. An jeder Straßenecke singt ein Möchtegern-Nachkomme von Woody Guthrie zur Gitarre: auch Stephen ist einer von ihnen. „Ich fand ziemlich fxhnell Anschluß in New York und spielte bald in einer neunköfpigen Gruppe, die sich aus lauter Folkies verschiedenster Herkunft rekrutierte. Als ich einen kurzen Abstecher nach Kanada machte, lernte ich dort eine Band kennen, die Neil Young & His Squires hieß. Dieser Neil Young faszinierte mich ungemein. Für mich war es, als hätte ich meine zweite Hälfte gefunden. Musikalisch ergänzten wir uns so fantastisch, daß wir beschlossen, zusammen zu spielen. Neil hatte eine außergewöhnlich natürliche Begabung, wunderschöne Songs zu schreiben …“
Stephen überredet Neil, mit ihm nach New York zu gehen. Schwierigkeiten mit der Einwanderungsbehörde und Neil Youngs schon damals ausgeprägter Dickkopf, beenden diesen Traum frühzeitig. Neil verzieht sich wieder zurück nach Winnipeg, und Stephen ist wieder alleine.
Die große Wende kommt mit den Beatles. Als nämlich das Quartett aus Liverpool mit dem Streifen „A Hard Days Night“ in Amerika die Beatlemania auslöst, will plötzlich keiner mehr solo spielen. Jeder träumt von einer Band, die den Beatles ähnlich ist. John Sebastians Gruppe Lovin‘ Spoonful ist eine der ersten Gruppen dieses Genies auf der New Yorker Szene. Stephen: „ich wollte damals unbedingt bei den Lovin‘ Spoonful als Bassist einsteigen, aber mein Durchsetzungsvermögen reichte damals wohl noch nicht aus. Die fanden mich nicht besonders gut und nahmen stattdessen Steve Boone.“
Im Zuge jener Bewegung lernt man sich schnell und problemlos kennen, weil eben jeder eine Band gründen will. So trifft Stills auch auf den späteren Cream-Produzenten Felix Pappalardi, der an einer gemeinsamen Band interessiert ist. Doch als Pappalardi von Uncle Sam zu den Waffen gerufen wird, ist diese Idee auch wieder gestorben. „Dieses ewige Hin und Her, verbunden mit den täglichen Frustrationen und der Angst, daß ich es womöglich niemals schaffen werde, gingen mir damals schwer an die Substanz. Ich wollte weg aus New York, irgendwo neu anfangen, und Kalifornien schien die einzige Möglichkeit zu sein, die es noch gab …“ In Los Angeles trifft Stephen Stills Van Dyke Parks und Danny Hutton, mit denen er kurze Zeit sehr eng zusammenarbeitet. „Wir beobachteten die Musikszene von Los Angeles, hingen oft am Joint und waren ziemlich guter Dinge, da sich nach meinen Erlebnissen in New York nun doch mehrere Möglichkeiten auftaten, sich musikalisch zu betätigen. Wir machten sogar eine gemeinsame Platte! Unsere Version von Beethovens „Song Of Joy“ in einer lockeren Rockversion konnte sich sogar in den lokalen Hitparaden von Phoenix plazieren. Danach ging unsere Beziehung allerdings in die Brüche, veil Van Dyke Parks sich bei den Beach Boys immer mehr als Texter einklinkte und Danny HuttonThree Dog Night gründete. Ich stand wieder alleine da . . .“
Auf einer Party hat Stephen den Gitarristen und Sänger Richie uray kennengelernt. Richie zeigt sich an einer Band interessiert, besorgt noch den arbeitslosen Drummer Dewey Martin, und Steve sieht sich seinem Traum wieder ein Stück näher. Doch als Trio hat das Gespann keine Chance, aber der Zufall hilft nach: „Eines Tages fuhren wir am Sunset entlang, da entdeckte ich einen Leichenwagen mit kanadischer Autonummer. Ich traute meinen Augen nicht, als ich Neil Young am Steuer sah. Er war aus denselben Gründen wie ich nach Los Angeles gekommen. Auch er glaubte, hier mit einer eigenen Band das große Glück zu machen. Der kam mir gerade gelegen!“ In einer Imbißbude beschließen die vier nun endlich, „ihre“ Band zu starten. Gegenüber der Imbißbude stand eine Dampfwalze, Auf dem Firmenschild war zu lesen: Buffalo, Springfield. irgendeiner von uns klaute dieses Schild und auf dem Heimweg kam mir die Idee, unsere Band Buffalo Springfield zu nennen . . .“ Die erste Buffalo Springfield-Besetzung war somit komplett. Später kam noch Bruce Palmer als Bassist hinzu.
Buffalo Springfield wird in den Rock’n’Roll-Geschichtsbüchern als
die erste authentische Country-Rockband geführt. Die fünf Musiker vermischten, Country, Folk, Blues und Rockmusik zu einer homogenen neuen Form von Musik, die an der US-Westküste einen Boom auslöste. Country-Rock-Bands schössen wie Pilze aus dem Boden und immer mehr Einzelmusiker orientierten sich an den Stilformen von Buffalo Springfield.
Die Gruppe spielt insgesamt drei LPs in verschiedenen Besetzungen ein, die drei Singlehits („For What It’s Worth“, „Sit Down I Think‘ I Love You“ und „Bluebird“) abwerfen. Der Engländer Bruce Palmer muß, nachdem seine Aufenthaltserlaubnis für die USA abgelaufen ist, Jim Messina seinen Platz als Bassist überlassen. „Von heute auf morgen wurden wir eine der Top-Gruppen Kaliforniens. Jeder redete von uns. Wir waren live eine wirklich teuflische Band. Man konnte wirklich vergessen, was wir je auf Platte produziert hatten, wenn man uns live erlebt hatte. Unsere gesamten angestauten Aggressionen hatten plötzlich ein Ventil. Für 125 Dollar pro Gig gingen wir mit den Byrds auf Tournee. Wir hatten allerdings als Vorprogramm das Publikum meistens schon auf 180 gebracht, so daß die Byrds wirklich Mühe hatten, dieses Tempo zu halten.“
Die Gagen für Buffalo Springfield steigen zwar bis auf 10.000 Dollar pro Gig an, doch hat die Gruppe ein dermaßen schlechtes Management, daß sie sehr selten etwas davon sieht. Die Aggression darüber mündet nun meistens in Prügeleien auf offener Bühne. „Buffalo Springfield war bestimmt kein Aushängeschild für das saubere Kalifornien“, meint Stephen heute. „Als Johnny Carson uns in seine berühmte Talk-Show nach New York einlud, galten wir trotzdem als Superstars. Neil hatte sich irgendwo nördlich von Los Angeles im San Fernando Valley mit einem Mädchen versteckt, so daß die Carson-Show platzen mußte.“ Der endgültige Split von Buffalo Springfield folgt nach dem Newport-Festival, wo die Gruppe noch mit den Turtles, den Byrds und dem Kingston-Trio auftritt. In dem darüber gedrehten Film hatte man ihren Auftritt allerdings einfach herausgeschnitten. „Uns platzte endgültig der Kragen und als Folge davon die Band. . .“ Das war Ende 1967.
Probleme plagen damals auch den ex-Blood, Sweat & Tears-Keyboard-Mann und Sänger Al Kooper.
Als Produzent für den Medienkonzern Columbia hat er mit dem ex-Electric Flag-Gitarristen Mike Bloomfield eine spontane Session produziert. Nach den Aufnahmen zur ersten Seite packt Bloomfield wieder seine Gibson Les Paul ein und sucht das Weite. Kooper ruft, daraufhin bei Stephen in Los Angeles an, fragt ihn, ob er Interesse habe, und der läßt sich nach dem Springfield-Ende nicht zweimal bitten. Die Annahme, daß die drei auf dem legendären Album „Supersession“ jemals zusammengespielt haben, ist falsch. Auf der ersten Seite spielt das Gespann Kooper/Bloomfield, Seite zwei wird von Kooper/Stills bestritten.
Auch David Crosby hat zu jener Zeit viel Ärger mit den Byrds. Er ist McGuinns Egotrip nicht mehr gewachsen und befindet sich politisch auf einem völlig anderen Trip. Stills und Crosby hatten sich schon zur Zeit des Newport-Festivals angefreundet und David sollte bei Buffalo Springfield die Rolle Neil Youngs übernehmen. Aus Crosbys Job bei Buffalo wird nach dem Split zwar nichts, doch trotzdem hängen die zwei sehr oft zusammen, haben sich sehr viel zu sagen, nicht nur musikalisch.
Als Treffpunkt für die Musikerschickeria in Los Angeles gilt Joni Mitchells Haus im Laurel Canyon. Eines Tages taucht auch Graham Nash während einer großen Amerikatournee mit den Hollies dort auf. Er hat schon lange die Nase voll, da die Band seine außergewöhnlichen Kompositionen nicht akzeptierte. „Wir jammten damals ein bißchen und Graham war in der Lage, unsere zweistimmigen Lieder spontan mitzusingen. Bei David und mir funkte es gleichzeitig. Trotzdem getrauten wir uns damals noch nicht, Graham zu fragen, ob er bei uns bleiben wollte. Doch Graham zeigte reges Interesse an einer gemeinsamen Gruppe. Wir beschlossen, uns in ein Haus in England zum Proben zurückzuziehen.“
Stephen und David packen ihre Koffer, um Graham nach England zu folgen. Doch ihr Geld reicht nicht weiter als bis nach New York. „In meiner Verzweiflung ging ich damals zu Ahmet Ertegun, dem Präsidenten von Atlantic Records, wo wir schon als Buffalo Springfield unter Vertrag gewesen waren. Der half uns dann mit 25 000 Dollar Vorschuß aus, weil er an dem neuen Projekt interessiert war.“
Das Unternehmen Crosby, Stills & Nash ist somit geboren. In England erarbeiten sie das Repertoire für ihre erste gemeinsame Schallplatte, die sie in Los Angeles bei Wally Heider aufnehmen. Diese erste LP von David Crosby, Stephen Stiils und Graham Nash, 1968 eingespielt, vereint in sich die Folk-Tradition der amerikanischen Westküste mit der damals in ihrer Blüte stehenden Acid-Rock-Generation. Die musikalische Bandbreite dieser LP reicht von der sinnlichen Ballade bis hin zum treibenden Rock der Westcoast-Musik. Die Lieder sind zum Teil autobiographisch. Dieses Album besitzt die starke Ausstrahlung von drei Individualisten, die sich auf einem musikalischen Nenner gefunden hatten.
Den ersten gemeinsamen Auftritt bestreiten C,S,N im Juli 1969 im Greek Theatre in Hollywood. Schon damals bahnen sich erste Machtkämpfe an, weil Stiils die ganze Sache allein in den Griff bekommen will. Im August schließlich spielen sie auf dem Woodstock-Festival. „Die Vorstellung, vor 500 000 Leuten zu spielen, trieb uns den Angstschweiß auf die Stirn“, erinnert sich Stiils. Extra für dieses Festival wird schließlich Neil Young angeheuert. Ferner spielen noch Dallas Taylor, Schlagzeug, und Bruce Palmer, Baß. Stephen: „Neil schien sich wieder gefangen zu haben und zeigte damals reges Interesse, bei uns wieder mitzuspielen.“
Nach Woodstock geht die Gruppe, diesmal mit Neil Young, ins Studio, um als Crosby, Stiils, Nash & Young „Deja Vu“ aufzunehmen. Musikalisch waren sie zu viert zwar ein paar Schritte weitergekommen, doch ging durch das Album kein roter Faden. Jeder lebte sein Ego aus, es war keine gemeinsame Sache, sondern eine Ansammlung von Songs aus der Feder vier unterschiedlicher Charaktere. „Als Gruppe waren wir damals schon zum Sterben verurteilt, weil jeder von uns von einer Solokarriere träumte. Wir waren gemeinsam zu Superstars geworden, warum sollten wir es nicht alleine schaffen?“, erklärt Stiils. Immerhin dauerte es etwa 1400 Studiostunden, bis „Deja Vu“ fertig war. Nach Veröffentlichung der Platte gehen CSNY auf Tournee, die schließlich in Denver in einem Desaster endete, so daß sie sich am Tag darauf in Chicago trennten. Das war Ende 1970.
Die Trennung trifft die Plattenfirma hart. Sie bringt ohne Zustimmung von CSNY das Live-Album „Four Way Street“ heraus. „Damit hatte sie sich einigen Ärger mit uns eingehandelt“, kommentiert Stephen. „Ich persönlich würde das Album am liebsten aus meinem Gedächtnis streichen, weil ich es hasse …“
Stephen Still packt daraufhin seine Koffer und fliegt nach England. Einer seiner ersten Freunde dort ist Ringo Starr, dessen Landsitz er auch später ersteht. Dort bastelt er mit verschiedenen Musikern an seinem Solo-Material. „Unter anderem halfen mir bei meinem ersten Album ein paar alte Freunde wie Fuzzy Samuels, David Crosby und Graham Nash, John Barbata und sogar Jimi Hendrix. Außerdem spielte Ringo bei einem Stück („To A Flame“) Schlagzeug. „As I Come Of Age“, ein Stück von dieser Session mit Ringo, David und Graham, wird erst 1975 auf meinem ersten CBS-Album veröffentlicht.“
Genau in dieselbe Phase fällt auch sein zweites Solo-Album mit dem Titel „Stiils 2“. Stephen Stiils bemüht auch hier sein breites Arsenal an musikalischer Erfahrung. Vom gospelähnlichen Choral bis hin zur funky-Nummer verarbeitet Stiils sämtliche Einflüsse, die ihn auf seinem langen Weg begleitet haben. „Love The One You’re With“ und „Change Partners“ sind seine größten Erfolge aus jener Zeit. Sülls hatte sich zwar musikalisch freigeschwommen, konnte jedoch den Mißmut über seine Vergangenheit und alle geplatzten Projekte nicht vertuschen. Titel wie „We Are Not Helpless“ oder „Bluebird Revisited“ wiesen immer wieder auf seine gemeinsamen Jahre mit CSNY und Buffalo Springfield hin. Als zweiten Gitarristen konnte er für diese beiden ersten Soloalben übrigens Eric Clapton gewinnen, der sich nach den Splits von Cream und Blind Faith in einer ähnlichen desolaten Situation befand.
Nach der Veröffentlichung von „Stills 2“ stellt Stephens Manager David Geffen eine Tourband zusammen. In dieser Formation spielen jedoch soviele Musiker (z.B. AI Perkins, Joe Lala, Fuzzy Samuels) plus ein Bläsersatz, daß Stilis restlos den Überblick verliert. „Ich kann mich kaum mehr an etwas erinnern. Ich fühlte mich total verloren, hing dauernd an der Bourbon-Flasche und stand nur noch im Rausch auf der Bühne. Diese Band hatte für mich keinerlei Zusammenhalt, darum mußten wir unsere Tournee, bei der wir auch Europa streiften, mittendrin abbrechen. Ich hatte wirklich wieder Lust auf eine feste eigene Band, die ich nach meinen Interessen formieren konnte . . .
Anfang 1972 geht Stephen Stills wieder zurück in die Staaten, um sein drittes Soloalbum mit dem Titel „Manassas“ aufzunehmen. Stills scheint es mit geklauten Schildern zu haben, denn Manassas ist eine Eisenbahnstation in Alabama, wo er einfach wieder das Schild abbaute – wie damals zu Buffalos Zeiten. Für „Manassas“ kann er Chris Hillman (Gitarre), Calvin „Fuzzy“ Samuels (Baß), AI Perkins (Steel-Gitarre), Dallas Taylor (Schlagzeug), Joe Lala (Percussions) und Paul Harris (Keyboards) gewinnen. Diese Besetzung entwickelt sich immer mehr zu einer ausgezeichneten Band, die auch auf der Bühne das hergibt, was sie auf Platten verspricht. Stilis ist von den anderen Musikern in seiner Führungsrolle anerkannt, und Chris Hillman (früher bei den Byrds) wird zu seinem neuen musikalischen Pendant. Schließlich gibt Stephen seiner neuen Gruppe den Namen Manassas und reist mit dieser Besetzung im September 1973 auch nach Deutschland.
Ebenfalls 1973 heiratet Stephen übrigens die französische Chansonette Veronique Sanson, die zwischendurch zwar einmal die Scheidung eingereicht hat, heute aber wieder glücklich mit ihm und Sohn Cliristopher in einem schmucken Haus am Strande von Malibu/Kalifornien wohnt.
Musikalisch gilt Manassas als einer der Höhepunkte in der Karriere des Stephen Sülls. Mit dieser Gruppe kann er alle musikalischen Pläne realisieren, ohne den roten Faden zu verlieren. Manassas spielt harten Rock wieCountry-Rock.Hier lebt Stills seine puertoricanischen Ureinflüsse aus, und der Blues hat in dieser Band genauso einen festen Platz wie gefällig lockere Popkost. Das Album „On The Road“ erhält hervorragende Kritiken. Doch auch diese Gruppe soll nicht lange halten. Stills: „Wir waren fast dauernd auf Tournee, immer zusammen, hockten uns dauernd auf der Pelle. Daran mußte die Band irgendwann einmal zerbrechen. Bands sollten nie länger als vier Wochen auf Tournee sehen, da sich Musiker gegenseitig auffressen, wenn sie sich zu lange auf den Füßen herumtanzen . . .“
Der Manassas-Abgang kommt den Managern von Crosby, Nash, Young und Stills mehr als gelegen. Jeder der vier Musiker macht wieder mal einen persönlich Tiefpunkt durch. Was also liegt näher, als sie als Quartett wieder auf Tournee zu schicken? Aber: „Die Tournee platzte nach kurzer Zeit, weil Neil wieder mal spontan seine Koffer packte . . .“
Danach unterschreibt Stephen Stills einen neuen Solovertrag bei CBS. Er geht wieder nach England und trifft dort seinen texanischen Landsmann Donnie Dacus, der heute bei Chicago den tödlich verunglückten Terry Kath ersetzt. Mit Dacus zusammen nimmt er sein CBS-Debüt-Album auf, das er schlicht „Stills“ nennt. Diese LP signalisiert wieder einen Schritt nach vorne. Stills spricht sich plötzlich jegliche Spontaneität ab und produziert eines seiner perfektesten und glattesten Alben, das gleichzeitig eines seiner musikalisch ambitioniertesten ist. Auf „Illegal Stills“ wiederholt sich dieser perfekte Produktionsablauf. Auffallend bei diesen beiden Langspielplatten ist, daß er auf beiden jeweils ein Stück von Neil Young interpretiert. Auf „Stills“ ist es „New Mama“, auf „Illegal Stills“ eine Komposition, die Neil vor einem guten Jahrzehnt speziell für Steve geschrieben hatte: „The Loner“. Damit schien sich schon das nächste Kapitel des rastlosen Tramps abzuzeichnen: Die Stills-Young-Band.
Die LP der Stills/Young-Band, „Long May You Run“, war als Wiedervereinigungsprojekt der vier geplant. Crosby und Nash hatten schon einige Tracks mitbespielt. Eigene Songs durften sie nicht beisteuern. Es gab wieder mal Krach, die zwei reisten ab. Stephen und Neil löschten daraufhin alles, was von Crosby und Nash schon aufgenommen war. Stephen:
„Ich kann es bis heute nicht genau nachvollziehen, was mit mir los war, als ich 1976 mit Neil die Stills-Young-Band formierte. Es hatte sich zwischen uns eine Art Haßliebe entwickelt, deren Ursprünge bis in die Greenwich Village-Tage von New York zurückreichte. Ich haßte ihn auf der einen Seite, weil er mir durch seine Eskapaden schon viele Knüppel zwischen die Beine geworfen hatte; ich hebte ihn, weil er in meinen Augen ein großartiger Musiker ist, der nicht konsequent an sich arbeitete, sondern alle seine situationsbedingten Einflüsse über sich ergehen ließ und sie dann immer wieder in seinen Songs zum Ausdruck brachte. Er war mir irgendwie ähnlicher als Graham und David. Die beiden haben sich gesucht und gefunden. Sie sind Perfektionisten, die einen Ton so lange proben, bis er fast totgespielt ist. Man hat zwar mir immer diesen Hang zur Perfektion nachgesagt, doch traf dies in Wirklichkeit immer auf David und Graham zu. Zwischen Neil und mir gab es auch sehr oft gesunde Streitereien, die meistens sogar in Handgreiflichkeiten ausarteten. Ich war für ihn immer ein Vorbild – speziell auf der Gitarre – gewesen, dadurch waren wir uns sehr nah und gleichzeitig weit voneinander entfernt.“
Die beiden spielen also das Album mit dem Titel „Long May You Run“ ein, gehen danach gemeinsam auf Tournee, die wieder das übliche Ende findet. Neil hat irgendwann die Nase voll und packt seine Koffer. Für ihn ist es diesmal DISCOGRAFIE Supersession (mit Mike Bloomfield und AI Kooper), 1967 CBS EMB 31029 Stephen Stills, 1970 CBS 40341 (Imp.) Stephen Stills 2, 1971 CBS 40249 (Imp.) Manassas, 1973 DoLP Atlantic ATL 60 021 Stills, 1975 CBS 960146 (Imp.) Stephen Stills live, 1975 Atlantic ATL 50 214 Illegal Stills, 1976 CBS 81330 (Imp.) The Best Of Stephen Stills, 1 977 Atlantic ATL 50 327 Thoroughfare Gap, ’78 CBS 82859 2 Originals of Stephen Stills:
(,.Stephen Stills 1 “ und „Stephen Stills 2“) DoLP ATL 60 063 mit MANASSAS: Down The Road, 1973 Atlantic ATL 40 440 THE STILLS/YOUNG BAND Long May You Run, 1 976 Reprise REP 54 081 CROSBY, STILLS & NASH Crosby, Stills, Nash, 1969 Atlantic ATL 40 033 C,S,N,1977 Atlantic ATL 50 369 CROSBY, STILLS, NASH & YOUNG Deja Vu,1970 Atlantic ATL 50 001 Four Way Street, 1971 Atlantic ATL 60 003 So Far (Sampler), 1974 Atlantic ATL 50 023 mit BUFFALO SPRINGFIELD Bufalo Springfield „Star Collection“, 1 971 MidiMID 20020 Buffalo Springfield (rec. 1967, in Deutschland veröffentlicht 1973) DoLP Atlantic ATL 70 001 endgültig! Auf seinem „Decade“Dreieralbum ist das Titelstück der
StiUs-Young-Platte zwar dabei, aber Stephen Stills‘ Summe ist einfach herausgemischt worden.
We ve been through some things together With trunks of memories still to come We found things to do in stormy weather Long may you run, long may you run, long may you run, Although these change have come With you chrome heart shining in the sun Long may you run („Long May You Run , Neil Young) Die ersten ernstgemeinten Crosby, Stills & Nash-Reunion-Gedanken sind eigentlich schon 1976 aufgetaucht. Doch zu jenem Zeitpunkt sind David Crosby und Graham Nash noch zu sehr mit ihren gemeinsamen Projekten beschäftigt. Stephen tingelt eine Zeitlang alleine und geht dann zurück nach Los Angeles. Der Rest erledigt sich dann fast wie von selbst: „Graham und ich betranken uns zu Hause bei Graham, und zwar so lange mit aller Gewalt, bis wir uns darüber klar waren, daß der Zeitpunkt jetzt wohl gekommen wäre, wieder gemeinsam ins Studio zu gehen. Grahams Frau Susan meinte daraufhin höhnisch, daß wir uns in all‘ den Jahren viele Probleme hätten sparen können, wenn wir uns öfters die Hucke vollgesoffen hätten. Wir riefen sofort David an, buchten das Studio in Miami, und ein paar Tage später waren wir mitten in der Arbeit an unserem CSN-Reunion-Album. Wir hatten seit unserer letzten gemeinsamen Platte aus dem Jahr 1969 zwar eine Menge dazugelernt, doch kann man sagen, daß diese Platte unserem Debüt vor neun Jahren ziemlich ähnlich ist…“
In der Tat gibt es viele Parallelen zwischen den beiden Platten. Das reicht vom Harmoniegesang bis zum Aufbau der Kompositionen. Jeder hat sein kompositorisches Scherflein dazu beigetragen, und alle drei haben sich erstaunlicherweise auf einem Level wiedergefunden. „Nach den Aufnahmen zu diesem Album verwerteten wir alle unsere schlechten Erfahrungen und setzten für Juni 1977 eine ganz kurze, nur 19 Tage dauernde Tour an. Die zweite Tournee im Oktober vergangenen Jahres dauerte auch nur 26 Tage. So liefen wir nie Gefahr, uns gegenseitig auf den Füßen zu stehen.“
Die heutige Situation sieht bei C,S&N so aus: Pro Jahr werden sie ein gemeinsames Album abliefern. Parallel dazu machen alle drei nach wie vor ihre Solalben. In welcher Kombination, überlassen sie dem Zufall. „Inzwischen halte ich einen Krach für völlig ausgeschlossen“, meint Stephen, „da wir mittlerweile alt genug sein sollten, um endlich unsere Egotrips vergessen zu können…“ Stephen Stills ist 33, David Crosby 37 und Graham Nash ist 36 Jahre alt. Wir kommen darauf zurück!