Stöhnen und Grunzen in den besten Jahren
Grinderman
Grinderman 2
Mute/EMI
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Selten war Altherrenrock so bösartig. Das zweite Album von Nick Caves Zweitprojekt.
Angeblich, so will es die Legende, soll es bei Grinderman länger dauern, bis Nick Cave seine Gitarre gestimmt hat, als die Band ein ganzes Album einspielt. Ob das wahr ist oder doch eher nicht, die Geschichte charakterisiert die Grundidee dieser abgespeckten Ausgabe der Bad Seeds ganz gut: Alte Männer lassen noch mal die Sau raus, und das ohne Rücksicht auf Verluste, den guten Geschmack oder musikalische Bedenken. Hey, die Typen hier sind bald so alt, dass deine Mutter mal ihr Groupie gewesen sein könnte. Das mit den Groupies mag jetzt zwar vorbei sein, aber gerade deshalb ist mit ihnen nicht zu spaßen. So wird der Sound auch auf dieser zweiten Auflage noch einmal dominiert vom Gitarrenspiel des eigentlich nicht der Gitarre mächtigen Nick Cave, der vor Grinderman ein Musikerleben am Klavier verbracht hat. Und auch wenn Cave im Vergleich zum Grinderman-Erstling unüberhörbar allerhand dazu gelernt hat, das Grundprinzip bleibt unverändert: Cave quält das für ihn immer noch neue Instrument mit bösartiger Leidenschaft. Der Rest der Band versucht dem fiesen Gelärme halbwegs zu folgen. Die dabei entstehenden Verzögerungen machen aus Mitspielern eher Gegenspieler, die Misstöne sorgen für einen Blues-Effekt. Mal abgesehen vom überraschend romantischen „When My Baby Comes“ und dem so leise wie bösen „What I Know“, singt, spuckt und schimpft Cave über seinem dilettantischen Gitarrengetöse so ausdauernd von Sex, als würde er keinen mehr hochkriegen – und wäre darüber ganz schön sauer. Von Altersmilde keine Spur, mit jedem Millimeter, den seine Stirn höher wird, scheint Cave mehr vom eigenen Furor übermannt. Er mag mittlerweile mehrfacher Familienvater sein, im beschaulichen Seestädtchen Brighton residieren, fleißig und verlässlich noch eine Platte aufnehmen, noch ein Buch schreiben, noch einen Soundtrack komponieren, aber diese Scheiße, diese ganze Scheiße, die ist doch einfach … scheiße. Und das kann man hören auf diesem Album, aus jeder Note, aus jedem Stöhnen und Grunzen. Wenn also demnächst das letzte Haupthaar ausgefallen sein wird, werden Grinderman wahrscheinlich endgültig zu einer Reinkarnation von Birthday Party mutieren. Man hat es immer gewusst: Altern ist ein Massaker. Aber wenigstens spielen Grinderman den angemessenen Soundtrack dazu.
Artverwandtes: The Birthday Party Prayers On Fire (1981)
www.grinderman.com
Story S. 12