Street-Fashion-Ikone Bill Cunningham ist tot


Seit Jahrzehnten spürte er auf den Straßen New Yorks die kommenden Modetrends auf.

Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass Bill Cunningham die Street-Style-Blogs, die im Internet aus den Datenautobahnen sprießen, erfunden hat, lange bevor es Internet überhaupt gab. Publiziert hat er seine Foto-Kolumnen „On the Street“ und „Evening Hours“ in der New York Times, und das seit 1978. Damit ist er gewissermaßen der wohl prominenteste Kultur-Anthropologe der Modewelt. Am 25. Juni 2016 starb der 87-jährige Fotograf in einem Krankenhaus an den Folgen eines Schlaganfalls.

Cunningham der Mode-Forscher

Jahrzehnte hat er eingefangen, und zwar zumeist ungekünstelte Straßenfotografie des Augenblicks. Immer auf der Suche nach dem besonderen Dress, den neuen Trends, vornehmlich in den Straßenschluchten Manhattans. Seine Models waren eigentlich gar keine. Normale Menschen in ihrem alltäglichen Gang zur Arbeit, ins Restaurant, ins Kino, oder beim Schlendern, das waren seine Lieblingsmotive. Er selbst blieb immer unauffällig und gleich gekleidet, in einer blauen, groben Arbeitsjacke und einer beigen Khaki-Hose, wobei diese Teile über die Jahre zu seinen Markenzeichen wurden. In dem Dokumentarfilm „Bill Cunningham New York“ sagte er zu seiner Auffassung über Mode:

The best fashion show is definitely on the street. Always has been. Always will be.

Cunningham der Stadtfotograf und Künstler

Immer wieder fotografierte Cunningham auch Architektur. Auch hier mussten die Motive besonders sein, auffällig oder eigen. Daraus entstand der Bildband  „Facades“, der 1978 erschien. Seine Nachbarin Editta Sherman machte der bescheidene Cunningham zu seiner Kollegin. Gemeinsam durchforsteten sie die Second-Hand-Läden der Metropole am Hudson-River. Cunningham inszenierte Sherman dann in den ausgewählten Kleidern vor den Gebäuden New Yorks der 70er Jahre – und damals war New York alles andere als herausgeputzt. Müll und Dreck an jeder Straßenecke, inmitten von Grafittis. Die Bilder zeigen ein frappierendes Nebeneinander von modischer Eleganz und Verfall. Hier hat sich Cunningham, der sich nie richtig für die Laufstege interessierte, auch als Künstler verdient gemacht. In der genannten Doku bezeichnete er Mode als etwas, „das es uns erlaubt, die Realität des Alltags zu überstehen.“ Die Bilder wie jene mit Sherman zeigen, wie er es gemeint hat.