Stuart A. Staples


Ob alleine oder mit den Tindersticks - Stuart A. Staples steht für schwelgerische Musik, die keine Angst vor der großen Geste hat und im besten Sinne handgemacht ist. Dass seine Einflüsse vor allem in der Vergangenheit liegen, verwundert da kaum.

Diese Platte erinnert mich an die Zeit, in der ich im legendären Londoner Plattenladen Rough Trade arbeitete …

TOWNES VAN ZANDT

OUR MOTHER THE MOUNTAIN

Da muss ich an vieles denken. Vor allem Platten wie Spiderland von Slint oder Slanted & Enchanted von Pavement durchfluteten unsere kleine Kellerwelt. Aber an einem dieser ruhigen Nachmittage, an denen ich ganz alleine den Laden hüten musste, fand ich eine völlig verstaubte Kopie von Our Mother The Mountain. Die wartete vermutlich seit unserem Eröffnungstag auf einen Käufer. Aus purer Neugierde heraus legte ich die Platte auf, und als ich sie mir so anhörte, wurde ich noch neugieriger. Auf dem Reading-Festival im gleichen Sommer verzichtete ich schweren Herzens auf den Auftritt von Nirvana, weil Townes in einem kleinen Zelt irgendwo am Rand des Festivals spielte.

Ich denke an meine Heimatstadt Nottingham, wenn ich dieses Album höre …

DEXYS MIDNIGHT RUNNERS

SEARCHING FOR THE YOUNG SOUL REBELS

Northern Soul war die erste Musik, die ich hörte. Im Nottingham der Mittsiebziger, also in der Zeit, bevor Punk seinen Durchbruch hatte, war das der Sound der Kids. Northern Soul war überall – nur eben nicht im Radio und im Fernsehen. Es war unser Geheimnis. Wir sprachen auf den Spielplätzen darüber, wir übten eigene Tänze in den Jugendclubs ein. Wir trugen weite Hosen und Schuhe mit Ledersohlen, verschluckten uns an unseren ersten Zigaretten. Dann kamen die Sex Pistols – und alles wurde anders. Die erste Dexys-Platte bildet diesen kurzen Zeitraum auf perfekte Art und Weise ab.

Ich tanzte mit meiner Frau zu …

ELVIS PRESLEY

I CAN DREAM

Ein großer, starker Song. Und eine große, starke Interpretation. Meine Frau und ich tanzten als Frischvermählte zu der Nummer draußen auf der Straße, die Single drehte sich auf einem tragbaren Plattenspieler, den uns Freunde zur Hochzeit geschenkt hatten. Seitdem ist es für mich immer wieder etwas ganz Besonderes, diese Platte aufzulegen. Fast eine Zeremonie!

Mit diesem Song lernte meine kleine Tochter Popmusik kennen …

DAVID BOWIE & BING CROSBY

LITTLE DRUMMER BOY

Das muss „Little Drummer Boy“ gewesen sein. Einmal besuchten wir während der Weihnachtszeit einen dieser großen Elektronik-Märkte. Auf etwa 100 Fernsehern um uns herum lief ein Video zu diesem Song. Ich konnte deutlich sehen, was für einen Effekt das auf sie hatte – Angst, aber Faszination waren in ihrem Gesicht erkennbar. „Wer bitte ist dieser Mann?“, dachte sie sich ganz offenbar.

Ich lernte, meiner eigenen Stimme zu vertrauen …

STUART STAPLES

LEAVING SONGS

Vertrauen in seine eigene Stimme gewinnt man nur dann, wenn man es schafft, die Einflüsse anderer zu verlieren. Den Eindruck, das erreicht zu haben, hatte ich zum ersten Mal, als ich mein zweites Soloalbum Leaving Songs aufnahm. Vorher bekam ich manchmal eine Idee davon, war aber über weite Strecken eher frustriert und mit meinem Gesang unzufrieden. Ich musste also eine Platte machen, in der ich alle Anstrengungen auf die Stimme, auf die Worte lege.

Völlig überbewertet sind doch …

THE BEATLES

ALLES

Natürlich sind die Beatles nicht schlecht. Aber muss man wirklich noch über sie sprechen? Im Jahr 2012? Ich brauche da echt mal eine Pause!

Randnotizen

* Die Tindersticks gründete Stuart A. Staples vor 21 Jahren aus der Asche einer Indie-Band namens Asphalt Ribbons. Namensgeber: eine Schachtel deutsche Streichhölzer, die er an einem Strand in Griechenland fand. Das 1993 erschienene selbst benannte Debütalbum wurde von der Musikpresse frenetisch gefeiert.

* Jetzt erschien mit The Something Rain der neunte Longplayer der Band. Dazu kommen fünf Soundtracks für die französische Regisseurin Claire Denis und drei Soloalben.

* Dass Stuart A. Staples so eine sonore Stimme hat, könnte an der musikalischen Früherziehung liegen. Die Musik, die seine Mutter tagsüber laufen ließ, kam fast ausschließlich von Neil Diamond.