Sufjan Stevens über sein Oscar-Trauma: „Wie ein schrecklicher Scientology-Abschlussball“
Was für andere die größte Ehre ist, war für ihn ein Albtraum: Sänger Sufjan Stevens beschreibt seinen Auftritt bei der Oscar-Verleihung 2018 als „eines der traumatisierendsten Erlebnisse“ seines gesamten Lebens.
In einem luxuriösen Gucci-Outfit betrat er damals die Bühne, umringt von mehreren hochrangigen Musiker*innen, überschüttet mit tosendem Applaus und lobenden Kritiken im Nachhinein. Dennoch erinnert sich der Sänger und Songwriter Sufjan Stevens nur ungern an jene Nacht zurück, als er im Jahr 2018 bei den Oscars auftrat. Die Verleihung sei eine der „traumatisierendsten Erfahrungen“ seines Lebens gewesen.
Oscar-Nominierung, Live-Auftritt: Endlich angekommen im Mainstream?
Nach außen hin mag es so erscheinen, dass Sufjan Stevens im Jahr 2018 eine ganz besondere Ehre zuteil wurde. Damals schrieb der Sänger mit seiner Folkballade „Mystery Of Love“ den Titelsong zum hochgelobten Kinofilm „Call Me By Your Name“ und erhielt prompt seine erste Oscar-Nominierung für den besten originalen Song. Zwar gewann er den Preis nicht, auf die Bühne kam Stevens trotzdem. Begleitet von St. Vincent, Moses Sumney, Chris Thile, Casey Foubert und James McAlister performte er „Mystery Of Love“ live bei den Academy Awards 2018.
Für seinen Auftritt wurde der Songwriter vom Publikum und im Internet gefeiert. Treue Fans freuten sich, dass dem Indie-Sänger nun auch offiziell seine längst überfällige Anerkennung im Mainstream zuteil wurde. Dem Künstler selbst erging es jedoch ganz anders. In einem kürzlich veröffentlichten Interview mit „The Guardian“ schildert Stevens nun seine persönlichen Eindrücke jenes Abends.
Vernichtendes Urteil: „Ein schrecklicher Scientology-Abschlussball“, bei dem alle „über Plastiktrophäen brüllen und blöken“
Bevor er im Jahr 2018 nominiert wurde, habe er der Preisverleihung nie viel Aufmerksamkeit geschenkt, erzählt Stevens. Im Gegenteil: Stets habe er in seiner Arbeit danach gestrebt, dass solche Situationen und Räume vermieden werden. Seine Karriere wollte er in eine vollkommen andere Richtung lenken.
Doch nun stand er auf der Bühne, in seinem rosa-schwarz gestreiften Blazer und über 26 Millionen Zuschauer*innen verfolgten seine Performance von zu Hause. Da fühlte Stevens, dass er hier einfach nicht hingehörte. „Ich wollte mit dieser Welt und dieser Kultur nichts zu tun haben“, sagt er. „Ich will nicht Teil eines Raumes voller Erwachsener sein, die über Plastiktrophäen brüllen und blöken.“
Stevens‘ düstere Einschätzung hat jedoch mehr mit der Oscar-Verleihung und dem, was sie darstellt, zu tun als mit seinem eigenen Auftritt. Er beschreibt die Academy Awards als „einen schrecklichen Scientology-Abschlussball zum Jahresende“. Die Verleihung fasse für ihn all das zusammen, was er an Amerika und an der Popkultur hasse.
Eine Karriere, die dem kommerziellen Erfolg stets erfolgreich auswich
Wenn man auf Sufjan Stevens‘ Karriere zurückblickt, scheint es, als wolle es der Indie-Künstler strikt vermeiden, dem Mainstream-Durchbruch zu nahe zu kommen. So reagierte er auf jeden kommerziellen Erfolg, indem er seine Musik in eine andere, gegensätzliche oder vernebeltere Richtung gelenkt hat. Nach seinem Durchbruch im Jahr 2003 veröffentlichte der Sänger erst einmal ein Album mit Folk-Meditationen und fröhlichem Kammer-Pop. Als zwei Jahre darauf seine Platte „Illinois“ die Charts anführte, wich er erneut aus und erschuf mit „The BQE“ ein avantgardistisches Multimedia-Werk. Ein Jahr darauf folgte seine elektronische Oper mit dem Titel „The Age of Adz“.
Stevens selbst empfindet diese Experimente jedoch weniger als Gegenbewegung. „Es ist nie eine rebellische Sache. Ich bin immer nur bereit, etwas Neues zu machen“, sagt er und fügt hinzu: „Ich muss nicht berühmt sein oder Millionen von Platten verkaufen. Es gibt nie ein Gespräch mit mir selbst darüber, wie ich mein Profil schärfe.“
„Sei Teil der Lösung oder geh aus dem Weg!“
Auch wenn seine Kommentare in Bezug auf die Oscar-Nacht zynisch erscheinen mögen, so passen sie doch zum Ton seiner neuesten Platte „The Ascension“. In den Liedern schwingt ein Gefühl des Protests mit, des Zweifelns und der Veränderung. „Mein Ziel für dieses Album war einfach: Verhöre die Welt um dich herum“, erklärt Stevens. „Hinterfrage alles, was nicht stichhaltig ist. Vernichte allen Schwachsinn. Sei Teil der Lösung oder geh aus dem Weg!“
Es ist also davon auszugehen, dass Sufjan Stevens selbst in Zukunft weiteren Academy-Award-Shows aus dem Weg gehen wird. Vermutlich wird er aber ohnehin so schnell keine Einladung mehr zu einer Oscar-Verleihung erhalten.