Sunflower Bean: Auf modischer Entdeckungsreise mit den Indie-Rockern


Sunflower Bean haben gerade ihr Debütalbum „Human Ceremony“ veröffentlicht, eine Europatour hinter sich gebracht und dabei gelernt, was ihnen am meisten fehlt: frische Socken.

Eigentlich, möchte man meinen, dürfte das zarte Gesicht einer Saint-Laurent-Kampagne nur mit Samthandschuhen angefasst werden. Julia Cumming, die im vergangenen Jahr für Hedi Slimane vor der Kamera stand, hockt stattdessen im Backstage-Kabuff der Kantine am Berghain. Sie teilt sich den winzigen Raum mit ihren Bandkollegen Nick Kivlen und Jacob Faber. Die drei sind alte Schulfreunde. Nick streckt seine dürren Beine gegen die staubige Wand, Jacob starrt auf den Boden, Julia friemelt im Schneidersitz an ihren braunen Vintage-Stiefeletten, die ihre besten Tage schon lange hinter sich zu haben scheinen. Nebenan bäumt sich das legendäre Berghain gen Himmel auf — wirklich aufregend findet das aber niemand. Die Tour-Routine hat die Indie-Rock-Newcomer aus New York City abgehärtet.

Julia, begreifst du dich als Musikerin oder Model?

Julia Cumming: Als ich angefangen habe, Musik zumachen, war ich gerade einmal 13 Jahre alt. Ich war ein Kind — und zu dieser Zeit auch noch hässlich. Mode war für mich am Anfang bloß ein Mittel, um etwas anderes zu erreichen. Um wahrgenommen zu werden und Dinge als Musikerin ins Rollen zu bringen. Das hatte viel mit Glück zu tun: Ich bin groß und habe mir meine Haare blondiert. So dachten die Leute, ich könnte ein Model sein. Blonde Menschen wirken auf andere immer sehr attraktiv — wenn auch nur unterbewusst.
Nick Kivlen: Jules, ich glaube, du wurdest einfach erwachsen. Das hat rein gar nichts mit deiner Haarfarbe zu tun!

Ich glaube, Nick hat recht.

Julia: Nein, das ist mein voller Ernst — und eine ganz einfache Rechnung! Trotzdem muss man sagen, dass das Modeln auch eine Form von Kunst ist. Man kann sich dabei kreativ ausleben. Aber die Fashionwelt ist gleichzeitig eine düstere Industrie. Vieles, was dort passiert, finde ich schockierend.

Ist es schwierig, sich zwischen anderen Models zu behaupten, wenn man in erster Linie als Musikerin wahrgenommen werden möchte?

Julia: Ich bin bei Fashion-Shows auf jeden Fall immer eine Außenseiterin. Aber die Modeindustrie befindet sich im Wandel, und das ist eine positive Entwicklung. Vor zehn oder 15 Jahren hätte meine Karriere wahrscheinlich komplett anders ausgesehen: Damals wurden Models noch anonymisiert. Man hat sie geformt, bis sie ganz konkreten Vorstellungen entsprachen.

Mittlerweile laufen sogar endlich Plus-Size- und Transgender-Models über die Catwalks dieser Welt.

Julia: Ja, das ist eine großartige Veränderung. In der Werbung und auf dem Laufsteg wird mittlerweile mehr zugelassen. Die Individualität steht im Vordergrund. Models lassen sich nicht mehr so schnell festlegen.

Und deshalb ist es nur logisch, dass sich immer mehr Musikerinnen als Models versuchen.

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Julia: Bei mir kam das damals zustande, weil jemand von Saint Laurent auf unsere Band aufmerksam geworden ist und sich im Anschluss gemeldet hat. Ich glaube, Saint Laurent ist das einzige Modehaus, das so arbeitet: Dort hält man ständig Ausschau nach Künstlern — bestimmt, weil Hedi Slimane ein großer Musikenthusiast ist und gern nach verrückten Leuten sucht, die gerade deshalb gut in der Mode funktionieren.

Wie erklärst du dir das?

Julia: Musik und ein Gespür für Stil gehören einfach zusammen. Vor allem, wenn du auf der Bühne stehst, ist dein Stil etwas, womit du allen deine Persönlichkeit zeigen kannst. Stil macht deutlich, wer du bist. Und die Modeindustrie lässt daraus ein Geschäft werden.

Ein extremes Beispiel ist Miley Cyrus: sie hat sich vom keuschen Disney-Sternchen zum Popstar gemausert, der sich bei den „MTV Europe Music Awards 2013“ vor laufenden Kameras einen Joint angezündet hat.

Nick: Man sollte ruhig zeigen dürfen, wer man ist — aber gleichzeitig auch wissen, wohin man gehört. Und Miley hat leider keine Ahnung, wo ihr Platz in der Welt ist.
Julia: Wenn man ein Idol anhimmelt, sieht man darin nicht die wirkliche Person, sondern die Kunstfigur, die sie geschaffen hat. Ich verurteile Miley deshalb nicht.
Nick: Sie sollte lieber anfangen, gute Musik zu machen.
Julia: „Party In The U.S.A.“ ist ein echter Hit!
Nick: Immerhin: Sie folgt uns auf Instagram.