Superstarverdächtig


Zehn Platten schafft er noch, meint Bobby Conn und holt darum alles aus sich heraus.

Bobby Conn ist schon wieder aus dem ‚ Sessel aufgesprungen. Pirouette, Ausfallschritt, die Arme schießen wie Fahrtrichtungsanzeiger zur Seite und zurück. Dazu singt Bobby „Relax!“. Interviews mit dem Sänger, Gitarristen und superstarverdächtigen Selfmade-Entertainer aus Chicago sollte man zur Sicherheit immer auch filmen -Bobby Conn ist in seinem Auftrittsdrang kaum zu bremsen. „Im JdealfaU“, sagt er, „möchte ich mit meinen ganzen neuen Songs zu jedermann ins Haus kommen und alles vorspielen. Oder sie lassen sie auf ihrer Anlage laufen, und ich biete ihnen einen Auftritt mit Gesang und Tanz.“

Das nennen wir verschärfte Publikumsbindung. Den Draht zum Publikum hat Conn mit ausdauernden Tourneen, einem spektakulären, durchchoreographierten Live-Set aus dem Bilderbuch des Sevenries-Funk & Soul und drei von der Kritik bestaunten CDs gelegt. the homeland heißt das neue Album, und es quillt wieder über vor Theatralik, Fake-Funk, Glamrock-Schweinereien, Fluchten ins Operettenfach und ist am Ende, puuuh!, doch wieder Bobby Conn. Was jeder Indierockband außer Kontrolle geraten würde, ergibt bei Mr. Conn Sinn: „In meinem leben werde ich vielleicht noch zehn Platten aufnehmen, bevor ich nicht mehr zeitgemäß bin. Hm, vielleicht auch mehr, aber das hängt davon ab, wie alt ich werde und wie stabil ich psychisch bleibe. Das ist gar nicht so viel Musik, also muss ich versuchen, so viel wie möglich aus jedem Song und jeder Platte zu holen. „Wer Bobby Conn einmal gehört hat, versteht das auf der Stelle. Menschen, Tiere, Sensationen!

Ein Programm, mit dem Conn in der aktuellen Chicagoer Szene ziemlich einsam dasteht, ein kleiner Springteufel mit klassisch amerikanischen Vorbildern. „Denkan die 30er oder 4.0er: Jede Stadt hatte ihre Theater, in denen Revuen gezeigt wurden. Es spielte keine Rolle, was dapassierte: Leutesangen Lieder,führten Kunststücke mit Ponys und Hunden vor, erzählten Witze undzauberten – was immer das Publikum begeisterte. Man musste all das beherrschen, um ein Entertainer zu sein. Fred Astaire, Bob Hope, Bing Crosby: multitalentierte Jungs. Später Sammy Davis Jr., der mit der Knarre rumhantierte und dabei sang. Heute haben wir die totale Spezialisierung. Ich bin es leid, 74 Minuten lang denselben Song und denselben Sound zu hören.“

Dass einige seiner neuen Songs als ironische Hymnen auf George Bushs Kriegspolitik zu lesen sind, als kleine Geschichten aus einem Land großer Psychopathen, s chert die Amerikaner wenig. „Sie merken gerade noch, dass die meisten meiner Songs von Amerika handeln. Aber Ironie und Sarkasmus sind für Amerikaner wie Außerirdische. Allenfalls finden sie so was merkwürdig.“ Im März kommt Bobby Conn mit seiner Gang Of Freaks auf europäische Bühnen.