Szenenapplaus!
FIGHT CLUB
Von seinem argwöhnischen Vorgesetzten zur Aussprache bestellt, prügelt sich Edward Norton vor den Augen des fassungslosen Möchtegern-Mobbers nach allen Regeln der Kunst selbst windelweich und robbt kompromittierend blutbesudelt vor dessen Füßen, als die Sicherheitsbeamten hereinstürmen. Er darf dann mit Sack und Pack aus dem Büro auschecken, und eine schöne Abfindung beziehen. Die wahnwitzigste Szene in einem Meisterwerk voller denkwürdiger Momente.
EYES WIDE SHUT
In der 18-minütigen Ballsequenz versetzt Stanley Kubrick den Zuschauer in eine Stimmung zwischen Realität und Traum. Höhepunkt: Der virtuos ausgeleuchtete und gefilmte Tanz von Nicole Kidman und ihrem Galan Sky Dumont.
STAR WARS: EPISODE I – DIE DUNKLE BEDROHUNG
Der Film war keine Meisterleistung, aber beim halsbrecherischen Pod Rennen, einer unverhohlenen Huldigung des Wagenrennens in Ben Hur, ließ George Lucas sein Können aufblitzen – und den Möglichkeiten der Computeranimation freien Lauf.
THE SIXTH SENSE
Der kleine Cole findet den Mut, sich dem Kinderpsychologen Crowe anzuvertrauen und gesteht ihm sein Geheimnis: „Ich sehe tote Menschen.“ Ein Satz, der das Blut in den Adern gefrieren läßt selbst wenn man weiß, was kommt.
MATRIX
In Rhythmus von „Take California“ von den Propellerheads marschieren Keanu Reeves und Carrie-Anne Moss als schwerstbewaffnet 2er-Armee in die Schlacht, springen in Zeitlupe ballernd, aber immer supercool, durch die Luft, heben die Schwerkraft auf und legen die Empfangshalle eines Bürogebäudes in Schutt und Asche. Hongkong lässt grüßen – der Shoot-Out des Jahres.
DAS GROSSE KRABBELN
Die Nach-Abspannszene mit vermeintlichen Outtakes, Pannen und Versprechern der computergenerierten Insekten-„Schauspieler“ (der Darsteller des Grashüpfer-Schurken Hopper, im „wahren Leben“ ein divenhafter Künstler: „Ich kann so nicht arbeiten. Ihr findet mich im Wohnwagen.“) war der heimliche Höhepunkt der Insektensaga. Und so erfolgreich, dass die Filmemacher noch während der Kinoauswertung einen zweiten Abspann fertigstellten.
ABSOLUTE GIGANTEN
Könnte ein deutscher Film einen wahrhaftigeren Showdown haben als ein Kickerspiel? Für die drei Helden geht es auf einmal um alles oder nichts, und Kameramann Frank Griebe fängt ihr Dilemma und die Aufregung des Spiels virtuos ein – bis zum letzten, alles entscheidenden, virtuos gelupften Ball.
DIE THOMAS CROWN AFFARE
Die elegante Antwort auf Hightech-Showdowns: Um das gestohlene Gemälde wieder ins Museum zurückzubringen, verlassen sich Pierce Brosnan und seine Gehilfen ganz auf ihre Bowler-behüteten Köpfchen – und foppen im Magritte-Look die Security.
BANG BOOM BANG
Eine der vielen Lieblingsszenen in diesem deutschen Äquivalents zur Brit-Gaunergroteske „Bube, Dame, König, Gras“ ist der Einbruch in Schmiersack Dieter Krebs‘ Büro: dabei läuft so ziemlich alles schief, was schief laufen kann. Die Klimax: ein abgetrennter Daumen im Safe, dessen Tür wieder ins Schloss gefallen ist. Klau desselben (hierbei: maximaler Flurschaden), Aufschweissen beim verwirrten Mechaniker (bitte keine Fragen stellen) und Notoperation für Oliver Korittke. Dann kann der Wahnsinn weitergehen.
DEEP BLUE SEA
Der lustvollste Schock des Jahres: Samuel L. Jackson setzt an zur großen Rede über das Überleben und die Wichtigkeit des Zusammenhalts und wird beim Höhepunkt seiner pathetischen Ausführungen in Sekundenbruchteilen völlig unerwartet zu Haifischfutter.
dass de Bonts Gurke nicht gruselte, sondern zum Himmel stank, breitete sich aus wie ein Lauffeuer dann kam Blair Witch Project, und eine Woche später TheSixth Sense, trotz des Stars Bruce Willis alles andere als ein Effekt-Spektakel. Bis zuletzt wurde diskutiert, ob man den Film überhaupt veröffentlichen sollte, und dann wurde er zur zweiten Sensation des Jahres. Der Boom geht weiter-, Stigmata, Echoes, Scream 3 und What Lies Beneath stehen vor der Tür, aber ein besseres Jahr als 1999 wird Horror so schnell nicht mehr erleben.
von Verrückt nach Mary zu unterbieten. Während man also Zeuge wurde, wie wahlweise Dünnpfiff oder Sperma getrunken wurde, Namen an Häuserwände gepinkelt wurden oder einfach nur Abführmittel ihre Wirkung taten, hatten viele Filmemacher aus den Augen verloren, dass Verrückt nach Mary auch deswegen erfolgreich war, weil er seine kruden Gags mit Charme ausbalancierte. So gefiel Austin Powers -Spion in geheimer Missionarsstellung AUSTIN POWERS 2 gegen EINE WIE KEINE Komödien und Teenagerfilme haben eine entscheidende Gemeinsamkeit: Sie sind preiswert herzustellen. Und so prasselten sie in den letzten Monaten über uns herein. Allein, Masse bedeutet selten Klasse: Die Komödien hatten alle Hände voll damit zu tun, den Geschmacklosigkeitenstandard (semi-grandioser deutscher Titel übrigens), der Hype des Jahres, weil durch Mike Myers‘ groovy Bond-Parodie Enthusiasmus und Spaß an der Sache schimmertem. Und American Pie hatte die Lacherauf seiner Seite, weil er Hauptfiguren präsentierte, mit denen man gerne mitfieberte. Was nur den wenigsten Teenie-Komödien gelang: Eine wie keine lockte die Zielgruppe millionenfach ins Kino. Doch hatte man den müden Aufguss der Pygmalion-Geschichte schon vergessen, bevor der Abspann zu Ende war. Ditto Eiskalte Engel oder 70 Dinge, die ich an Dir hasse. Vermutlich stimmt das Rezept: Kids von heute wollen ihre eigenen Helden und nicht Bruce Willis oder Kevin Costner. Freddie Prinze Jr., Ryan Phillippe, Rachel Leigh Cook, Sarah Michelle Gellar und wie sie alle heißen sind vielleicht keine Schauspieltalente, aber Identifikationsfiguren. Und das zählt.
NOTTINC HILL gegen FIGHT CLUB Hollywood will sein Publikum nicht verunsichern. Ein verunsichertes Publikum ist unberechenbar, und dann kann man nicht mehr auf Nummer Sicher gehen. Deshalb liebt Hollywood romantische Komödien und Julia Roberts. Die war heuer Hollywoods Erfolgreichste – mit dem filmischen Äquivalent von Couchpolster-Schaumstoff. Middle-of-the-Road-Unterhaltung, in der es für jedes Töpfchen ein Deckelchen gibt und graue Zellen Auszeit haben. Julia ist die Königin dieser Form von Unterhaltung, ob mit europäischem Dreh wie Notting Hill (bessere Dialoge) oder erzamerikanisch wie Seite an Seite oder Die Braut, die sich nicht traut. Message In A Bottle und Wehrlos waren nicht minder bieder oder im schlimmsten Fall gar reaktionär, sind aber der Stoff, aus dem Hollywood gemacht ist. Doch der Druck nimmt zu im Zeitalter des Internets sind die Menschen kritischer, zynischer und smarter geworden, und das zwingt Hollywood, einen Platz für Innovationsfreude und Provokation zu schaffen. Fight Club angesiedelt am anderen Ende einer Skala, an deren einem Ende Notting Hill steht, aber dennoch ausgestattet mit einem 7oMio.-Dollar-Budget – ist nur der Anfang. In den USA schon zu sehen, bei uns ein Fall für 2000 ist etwa American Beauty. Die Schilderung des letzten Jahres im Leben eines Spießers durchlöchert den amerikanischen Traum von allen Seiten-und bleibt doch immer witzig. Oder Three Kings-. Regisseur David O. Russell erhielt 50 Mio. Dollar, damit er dem amerikanischen Publikum zwei Stunden lang erklärt, warum der Golfkrieg eine schmutzige Sache war. Oder Man On The Moon über den Komödianten Andy Kaufman, der Anarchie zur Kunstform erhob-ein Silberstreif am Horizont, denn 1999 gefielen sich Komödien vor allem darin, entweder immer noch geschmackloser zu sein oder die Fans von „Bravo TV“ zu bedienen.
ST. PAULI NACHT gegen ABSOLUTE GIGANTEN Nach Identifikationsfiguren sucht auch das deutsche Kino händeringend. Denn mit Ausnahme des Kassenerfolgs von Sonnenallee war es hier zappendüster. Vermeintliche Publikumsmagneten wieTil Schweiger {Dergroße Bagarozy) oder Heiner Lauterbach (Schlaraffenland) erlebten Totalcrashs, die neuen Arbeiten einstiger Erfolgsregisseure wie Sönke Wortmann (St. Pauli Nacht) oder Rainer Kaufmann (The Long Hello And Short Coodbye) wurden ignoriert. Allein am Mangel an Oualtität kann das aber nicht liegen, denn auch bei ausgeprochenen Highlights wie Absolute Giganten und Bang Boom Bang sprang der Funke zum Publikum nicht über. Vielmehr scheint das Vertrauen erschüttert: Zu viele gesichts- und bedeutungslose Produktionen haben versucht, sich an den Boom der letzten Jahre anzuhängen. Und jetzt wird ihnen die Rechnung präsentiert. Natürlich gibt es immer ein Hoffen auf 2000 neue Filme von Tom Tykwer und Hans-Christian Schmid sowie Matthias Glasners Fandango stehen an -, aber wie man von Hollywood lernt, sollte man nichts als gegeben hinnehmen. Und niemand will tote Filme sehen.