„The Boys in the Band” auf Netflix: Ein schwules Kammerspiel mit Dialogfeuerwerk (Kritik)
Die Inszenierung eines komplexen Theaterstoffes über eine turbulente Geburtstagsfeier unter schwulen Freunden hätte leicht schiefgehen können. Doch „Hollywood“-Schöpfer Ryan Murphy weiß, was er tut: es wird elegant, anspruchsvoll und empathisch.
New York, 1968: Ein goldenes Klappfeuerzeug leuchtet auf, eine Schallplatte wird aufgelegt, „Hold on I’m comin‘“ von Erma Franklin ertönt. Sofort nimmt „The Boys in the Band“ sein Publikum mit bestechender Ästhetik in Empfang. Die Schönheit der Kostüme und des Szenenbilds ist einnehmend. Der Fetischismus, mit dem sie bis ins letzte Detail perfektioniert wurden, lassen keinen Zweifel daran, dass Netflix‘ Ausnahmetalent Ryan Murphy an der Produktion beteiligt gewesen sein muss.
Tatsächlich ist der Film im Rahmen des Multimillionen-Deals mit dem Regisseur, Drehbuchautor und Produzenten, der hier ausschließlich in letzterer Rolle auftritt, entstanden. Joe Mantello, der Stücke wie „Wicked – Die Hexen von Oz“ inszenierte, übernahm hier die Regie. Der Fingerabdruck des Schöpfers von „Ratched“, „Hollywood“ und „American Horror Story“ ist trotzdem klar und deutlich zu erkennen – über die Eleganz der Ausstattung hinaus.
Bekannt dafür, immer wieder mit den gleichen Darsteller*innen zu arbeiten, besteht auch dieses Ensemble fast ausschließlich aus Schauspielern, die bereits in der Vergangenheit in einer oder mehreren seiner Serien mitwirkten. Auch die Stoffauswahl ist typisch für Ryan Murphy. Und man hätte die Verfilmung eines komplexen Theaterstücks, das fester Bestandteil des schwulen Kanons ist, in keine bessere Obhut geben können, als in die des obersten Schutzherrn der queeren Serienwelt.
Schwules Selbstbewusstsein vor „Stonewall“
Die von Marty Crowley geschriebene Geschichte um sieben homosexuelle Freunde, die zusammenkommen, um einen Geburtstag zu feiern, wurde 1968 als Off-Broadway-Stück uraufgeführt. Damit feierte es noch vor „Stonewall“, der zentralen Zäsur der Lesben- und Schwulenbewegung, seine Premiere. Überflüssig zu betonen, wie revolutionär ein kammerspielartiges Theaterstück, in dem es ausschließlich um schwule Männer, ihre Interessen, Begierden und Probleme geht, damals war. Und dass die Verfilmung einer so selbstbewusst schwulen Vorlage mit ausschließlich schwulem Cast auch heute noch ein Ausnahmephänomen darstellt.
Wobei genau genommen nur die Tatsache, dass es in aller Ausführlichkeit um gelebte Homosexualität geht, mit Selbstbewusstsein zu tun hat. Die Figuren sind, bis auf eine Ausnahme, zwar alle so mutig, ihre Wahrheit trotz gesellschaftlicher Ächtung und gesetzlicher Repression zu leben. Dass die ablehnenden Reaktionen ihres Umfelds auf diese Wahrheit keine seelischen Schäden, bisweilen sogar Selbsthass, heraufbeschwören würden, kann man allerdings nicht behaupten.